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Ukraine
OSZE-Bericht zeigt schwindendes Vertrauen in die Staatsorgane

Während der ukrainische Innenminister Arsen Awakow den Besetzern in Donzek und Lugansk ein Ultimatum von 48 Stunden stellte, legte der Schweizer Sondergesandte der OSZE einen Zwischenbericht aus den Regionen vor. Die angebliche Unterdrückung der russischen Sprache kann er nicht feststellen.

Von Sabine Adler | 09.04.2014
    Demonstration in Donezk
    Demonstration für den Anschluss an Russland in der ostukrainischen Metropole Donezk (dpa / picture alliance / Rogulin Dmitry)
    48 Stunden gibt der ukrainische Innenminister Arsen Awakow den Besetzern in Donzek und Lugansk, die noch immer die Gouverneursverwaltung bzw. das Geheimdienstgebäude okkupiert haben, dann soll gehandelt werden. Ob dann eine Erstürmung wie am Montag Morgen in Charkiw droht, und die Räumung der Barrikaden, ließ er offen. Es gebe zwei Wege, eine politische Einigung oder Gewalt.
    In Lugansk haben die Aktivisten, die die neue Regierung in Kiew strikt ablehnen und für ein Referendum eintreten, am Morgen rund 60 Geiseln freigelassen, von denen es immer noch heißt, sie seien keine Geiseln gewesen. Die Besetzer erklärten per Internet:
    "Hier im Geheimdienstgebäude sind und waren keine Vertreter der Russischen Föderation oder des russischen Geheimdienstes FSB. Alles was wir wollen, ist ein Referendum. Sollten sie uns den Strom abstellen oder das Gebäude stürmen, werden wir sie entsprechend empfangen."
    Vertreter der Partei der Regionen im Parlament sprachen sich dafür aus, den Besetzern in Charkiw, Lugansk und Donezk Straffreiheit zuzusichern, wenn diese ihre Aktionen beenden. In Donezk - im russischsprachigen Osten der Ukraine - hat eine Umfrage ergeben, dass fast 77 Prozent der Bürger noch nie an der Benutzung der russischen Sprache gehindert wurden.
    In Kiew trat heute der Schweizer Sondergesandte der OSZE vor die Presse mit einem Zwischenbericht aus den Regionen. Die angebliche Unterdrückung der russischen Sprache konnten auch die OSZE-Beobachter nicht feststellen. Tim Guldimann:
    "Interessanterweise ist die Sprache keine politische Frage. Wir kennen die Reaktion auf die Entscheidung des Parlaments hier in Kiew, das Sprachengesetz ändern zu wollen. Aber der Gebrauch von Russisch oder Ukrainisch ist nicht abhängig von politischen Einstellungen."
    Zivilgesellschaft gestärkt, Misstrauen gegenüber Politik gewachsen
    Allerdings gaben 60 Prozent an, sich von sogenannten Banderowzy aus dem Westen des Landes bedroht zu fühlen. Gemeint sind damit Nationalisten. 47 Prozent der Befragten hätten Angst vor der neuen Regierung in Kiew und 38 Prozent vor einer Einmischung der EU und USA in die innenpolitischen Belange der Ukraine. Experten vermuten, dass ein Ziel der Unruhen im Osten die Verhinderung der Präsidentschaftswahl am 25.Mai. sein könnte.
    Auch die OSZE konstatierte das geschwundene Vertrauen der Ukrainer in die Staatsorgane:
    "Als uns Personen der Zivilgesellschaft sagten, dass sie über Selbstverteidigung nachdächten, fragten wir sie, ob sie darunter auch das Tragen von Waffen verstünden. Sie sagten ja. Das ist eine Entwicklung, auch im Osten des Landes. Das Gewaltmonopol des Staates und das nötige Vertrauen der Menschen in die Sicherheitsorgane stehen auf dem Spiel."
    100 OSZE-Langzeit-Wahlbeobachter sind bereits in der Ukraine unterwegs, weitere 900 kommen. Die OSZE-Mitarbeiter konstatieren, dass sich die Zivilgesellschaft gestärkt fühlt, das Misstrauen gegenüber den Parteien und der Politik jedoch deutlich gewachsen ist. 65 Prozent der Bürger stehen laut der Donezker Umfrage des Soziologie-Institutes Ex-Präsident Janukowitsch negativ gegenüber. Sollte er je wieder ukrainischen Boden betreten, dann nur als zu Verurteilender. Nur 18 Prozent sprachen sich für den Beitritt zur Russischen Föderation aus, vier Prozent für eine selbstständige Republik Donezk, die gestern ausgerufen, aber sogleich wieder zurückgenommen wurde. Ein Referendum wie auf der Krim ginge in Donezk derzeit kaum zum Vorteil Russlands aus.