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Ukraine
Poroschenko fürchtet zweites Somalia

Auch zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl dauert die Gewalt im Osten der Ukraine an: Separatisten griffen eine Sportstätte an, schossen andernorts auf Menschen. Kiew reagiert mit Härte. Bei der Rückeroberung des Flughafens von Donezk sollen Dutzende Regierungsgegner getötet worden sein.

Von Sabine Adler, Kiew | 27.05.2014
    Leere Abflughalle des Flughafen von Donezk
    Der Internationale Flughafen von Donezk ist wieder unter der Kontrolle von Regierungstruppen. (dpa / Natalia Seliverstova)
    Gestern schwarzer Qualm über dem Flughafen von Donezk, heute über dem Eishockeystadion "Drushba". Um 4.30 Uhr hatten prorussische Milizen das Gebäude gestürmt, das Geschäft mit Fan-Artikeln geplündert und dann angezündet. Die Feuerwehr brauchte vier Stunden, um den Brand zu löschen.
    Ortskundige vermuten, dass die Verwüstung der Eis-Arena ein Racheakt der Separatisten war. Der Besitzer des Stadions hatte sich vorige Woche dem Protestaufruf von Rinat Achmetow angeschlossen. Der reichste Unternehmer der Ukraine hatte damit den Gründern der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk den Kampf angesagt. Er warf ihnen vor, unter dem Vorwand eine Republik zu schaffen, die Bevölkerung zu terrorisieren und auszurauben.
    Gestern okkupierten 200 Bewaffnete den Flughafen von Donezk, daraufhin gingen die Regierungskräfte mit Hubschraubern und Fallschirmspringern gegen sie vor, am Abend hatten sie das Gelände und Gebäude unter ihre Kontrolle gebracht.
    Vize-Premier Vitali Jarema erklärte in Kiew, dass die Anti-Terroroperation der Regierung wegen der Wahl unterbrochen worden ist, jetzt aber wieder aufgenommen wurde. An welchen Orten die Sicherheitskräfte operieren, sagte er nicht, kündigte aber an, dass die Aktion solange fortgesetzt werde, bis – so wörtlich – kein Terrorist mehr übrig ist. "Die Ermittler fahren nach Donezk, untersuchen den Flughafen und zählen die Todesopfer", so Jarema.
    Die Antiterroroperation läuft
    Die Zahlen gehen bislang sehr weit auseinander, gestern reichte die Spanne von zwei bis 200, bis jetzt ist nicht klar, wie viele Opfer es wirklich gab. Die Aufständischen beschuldigten die Regierungskräfte, LKW mit bewaffneten Kämpfern beschossen und mehr als 30 ihrer Kämpfer getötet zu haben.
    Vom Bahnhof der Stadt kam noch am frühen Abend die nächste Katastrophenmeldung. Auch die Bahnstation war von den prorussischen Gewalttätern in Beschlag genommen worden. Geschäfte, Büros und andere Gebäude unter anderem zwei Krankenhäuser wurden evakuiert, die Schulen sagten den Unterricht für heute ab, es gab Tote und Verletzte. Der Bürgermeister rief zu Ruhe auf.
    Die ukrainischen Fernsehstationen verbreiteten heute ein Video von der Antiterroroperation. Es zeigt einen Schusswechsel an einer Straßensperre in der Nähe von Slawiansk, der Hochburg der Separatisten. Die staatlichen Sicherheitskräfte sind mit gepanzerten Fahrzeugen unterwegs, Soldaten haben Schützengräben ausgehoben. Der am Sonntag gewählte Präsident Petro Poroschenko will verhindern, dass Donzek ein zweites Somalia wird, wo Banden das Kommando übernommen haben. Poroschenko:
    "Wer sich weigert, die Waffen niederzulegen, sich am Friedensprozess zu beteiligen, um das Töten und Plündern zu stoppen, mit dem wird es keine Gespräche geben. Es wird ihnen nicht gelingen, dass der Donbass wie Somalia wird."
    In Novoaidar, einem kleinen Ort in der Lugansker Region, versetzt eine Gruppe bewaffneter Männer seit dem Wahlsonntag die Bevölkerung in Angst und Schrecken. Sie schossen auf Zivilisten, die in ihren Autos unterwegs waren. Videos von Einwohnern zeigen eine männliche Leiche mit schweren Bauchverletzungen neben dem Fahrzeug. Ein Rebellenführer in Lugansk erklärte, er habe zwei seiner Kämpfer wegen Plünderungen töten lassen.