Ritas Leute sind seit 1989 alle nach Deutschland ausgewandert, oder eben wieder einwandert, und nun gehören sie der Kategorie der Russlanddeutschen an, von denen so viele plötzlich im Land sind, und über die man so wenig weiß.
Auch die Autorin Ulla Lachauer lernte nur durch einen Zufall die junge Russlanddeutsche Rita Pauls kennen, eine fröhliche Person mit barocken Formen und einer wunderbaren Gesangsstimme. Sie freundete sich mit ihr an und wurde auf ihre Familiengeschichte neugierig. Eine ihr bisher fremde Welt tat sich auf, sie fragte immer weiter nach und überraschte Rita eines Tages mit einem Buchprojekt.
Ich hab zuerst gedacht, sie fragt aus Höflichkeit, und hab dann sehr viel erzählt über meine Familie, ich erzähl auch gerne. Die Idee, ein Buch zu schreiben hat mich zuerst, ich war zuerst erschrocken: Was jetzt? Und dann, die Eitelkeit ist auch dabei gewesen, mein Gott, unsere Familie ist auserwählt.
Nun hat die Familie Pauls einen zeitgeschichtlich hochinteressanten Hintergrund: Mit anderen Mennoniten sind die Vorfahren um 1800 ausgewandert. Die Mitglieder dieser Sekte der Wiedertäufer sind streng pazifistisch und bekamen daher in ihrer Heimat Westpreußen Schwierigkeiten mit der Wehrpflicht. An der Wolga gründeten sie ein Dorf mit dem schönen Namen Lysanderhöh und trieben erfolgreich Landwirtschaft. Nach der russischen Revolution wurden sie als Kulaken, also Großbauern denunziert und 1931 nach Westsibirien verschleppt, in die kasachische Steppe, dort, wo die neue Industriestadt Karaganda im Entstehen war.
Von der Großmutter Maria Pauls konnte Ulla Lachauer noch aus eigenem Mund viele konkrete Details erfahren: Wie sie im heißen August in Güterzügen dahingebracht wurden, und sich in der Steppe erst einmal Erdhöhlen graben mussten, um zur überwintern, denn im September kam schon der erste Schnee. Viele sind damals verhungert und erfroren. 1942 wurde Ritas Großvater verhaftet, und kehrte aus dem Lager nicht wieder zurück. Aber die ganze Region war ein Lager, Deportierte aus allen Gegenden der Sowjetunion und Kriegsgefangene legten Kohlenschächte an und zogen Stahlwerke hoch. Nach dem Krieg wurde aus Karaganda jedoch eine moderne, und fast normale Stadt. Die Generation von Rita, die 1969 dort geboren ist, schätzte das internationale Flair der Stadt, freute sich über die köstlichen Essen der koreanischen Nachbarn und über die multinationale Schulklasse - und fragte sich nicht, wie dieses Völkergemisch entstanden war.
Erst durch die Gespräche mit Ulla Lachauer und durch die gemeinsame Recherche lernte Rita ihre Vergangenheit kennen, in der Sowjetunion war diese tabu.
Das Thema wurde immer verschwiegen, dass die Russlanddeutschen, natürlich mit anderen Völkern auch, Opfer geworden sind, es wurde nie davon gesprochen. Manchmal ist das natürlich auch Verdrängung, vielleicht ums Frieden willen, um Frieden in der Familie oder in der Gemeinde. Vielleicht ist das wirklich Angst, dass daraus etwas Schreckliches entstehen kann aus dieser Diskussion.
Zum Beispiel hat die Großmutter erst nach dem Tod einer Nachbarin erzählt, dass diese Frau vermutlich die Denunziantin von 1942 war. Sie wollte keinen Hass säen, glaubt Rita. Es ist überhaupt erstaunlich mit welcher Haltung die Pauls ihre Schicksalsschläge erduldeten. Vielleicht ist es Verdrängung, vielleicht ist es auch eine religiös motivierte Haltung. Auch Ulla Lachauer findet dafür keine pauschale Erklärung:
Es ist ganz schwer zu sagen, weil die Lebenshaltungen der Generationen in Ritas Familie sehr verschieden sind und weil jede der Haltung aller Generationen mir fremd sind. Angefangen von der Großmutter, die fromm in ihrem Wolgadorf aufwuchs, die glaub ich wirklich diese Schicksalsergebenheit im religiösen Sinne hat als Mennonitin und auch noch Substanz aus diesem Dorf gesammelt hat, Sprache, Kultur, Bibel, usw., während die Generation ihrer Kinder, also Ritas Vater und Geschwister, die schon in der Deportation in Kasachstan geboren sind, in der Baracke aufwuchsen, da kommt auch schon sehr stark etwas Sowjetisches hinein, d.h. Menschen wachsen auf ohne einen Spielraum, sich frei entscheiden zu können, sie werden von Zuhause ein bisschen noch versorgt mit Hintergrund, aber letztlich wachsen sie in einer sowjetischen Welt auf, es wird dann irgendwann materiell besser, aber ihr Spielraum ist nicht sehr groß und das ist auch eine Art von Sich-Ergeben, ein gewisser Fatalismus.
Schon die Redewendungen der Russlanddeutschen offenbart ihre Haltung: "Der große Jammer" sagte Maria Pauls, wenn sie sich an die Revolutionsgräuel und die nachfolgende Hungerzeit in ihrer Kindheit erinnerte. Statt "er wurde verhaftet" sagte man: "er wurde gesetzt", und wenn jemand im Lager verschwand, hieß es: "Er wurde genommen." Ulla Lachauer hat ein genaues Ohr für die Sprache ihrer Interviewpartner und sie rekonstruiert in ihrem Buch auch eine Kulturgeschichte der Russlanddeutschen, indem sie die Kleinigkeiten des Alltags abfragt: von den Hausratsgegenständen und der Arbeit, von den Essgewohnheiten über die Gebete und die Lieder der verschiedenen Generationen bis hin eben zu Redewendungen und Wörtern.
Ja, ich bin natürlich fasziniert von der Sprache der Russlanddeutschen, (SCHNITT auf 23.55) angefangen von dialektalen Resten in diesem Falle aus einer plattdeutschen Kolonie, die noch so durch die Familie geistern auch wenn selbst kein Plattdeutsch mehr richtig gesprochen wird, von Sprache, die von Bibel geprägt ist und biblischer Kraft bis hin zu Russizismen, die in die deutsche Sprache einwandern, und eben auch so reizende Fehler, die sich in allen Generationen, die sich im Deutschen probieren, finden lassen, dass Rita z.B. das Wort Schick-Säle sagt statt Schicksale, also diese räumliche Vorstellung, dass ein Geschick ein Saal ist, in den man hineingeschickt wird und wenn man eben damit sich befassen will, muss man eine Tür öffnen oder eine Wand einreißen und eben nicht nur von einem Saal sondern von mehreren Schick-Sälen, und das fasziniert mich sehr.
Ulla Lachauer gelingt es, diese Faszination den Lesern zu vermitteln, das macht das Buch so spannend. Sie ging auch wirklich jedem einzelnen dieser Schicksale nach und erzählt vom Leben der Großmutter, die das ganze 20. Jahrhundert am eigenen Leib erfahren hatte, vom Vater, der schon als robuster Sowjetbürger aufwuchs, von der zierlichen russischen Mutter und ihrer Verwandtschaft, die noch heute in einem russischen Dorf so lebt, wie die Pauls 100 Jahre zuvor an der Wolga, von Ritas Schwester, die wiederum einen Russen geheiratet hat, aber dennoch mit nach Deutschland ausreiste, weil sie die Trennung von der Familie nicht ertragen hätte. Gemeinsam mit Rita fuhr Ulla Lachauer nach Karaganda und berichtet von dieser Stadt, die mit der Sowjetunion groß geworden ist und mit ihr dem Verfall preisgegeben wurde. Sie recherchierte in Archiven, und berichtet von den Vorfahren der Pauls, sie knüpfte Kontakt zum kanadischen Zweig der Familie und reiste mit Rita nach Kanada, wo sie auf bäuerliche mennonitische Familien trafen, die das Andenken der Ahnen besonders ehrten -lauter Schick-Säle, die auf vielfältige Weise ausgestattet sind.
Und dann wird natürlich von der Ausreise erzählt, von der Ankunft von Ritas Leuten in Deutschland, von ihrer Odyssee durch Übergangsheime bis hin zu ihrer neuen Heimat in der Region von Kehl. Dort boten die verlassenen Häuser der französischen Armee Wohnraum für die Neuankömmlinge, die Gefahr von Ghettobildung inklusive. Und obwohl sich die Familie Pauls vergleichsweise gut integriert hat, lebt auch sie eher abgeschlossen von den deutschen Mitbürgern unter ihresgleichen. Die Schwester Lena machte einen kleinen Tante-Emma-Laden mit russischen Spezialitäten auf, der sofort zu einem Treffpunkt wurde, die Eltern betreiben ebenfalls mit Konsumgütern aus der alten Heimat einen rollenden Verkaufsladen, und die Mutter bekämpft ihr Heimweh, indem sie wie früher in Karaganda ihre speziellen Tomaten in Herzform züchtet. Rita selbst ist Übersetzerin geworden und singt nebenbei auf Veranstaltungen russische - und internationale - Chansons. Aber auch sie hat außer Ulla Lachauer keine deutschen Freunde.
Wissen Sie, es gibt so viele Russlanddeutsche, dass es einfach unter Deutschen zu leben nicht möglich ist. Sowohl an der Uni oder jetzt auf der Arbeit ist es so, dass man alle zusammen sind und Gott sei Dank, es kommt dazu, dass wir endlich mal vereinigt werden, ja, aber im privaten Bereich eher mit Russlanddeutschen oder mit Russen sogar mehr...
Ritas Leute sind glücklich in Deutschland angekommen, aber jeder schleppt ein unterschiedliches Heimatgefühl mit sich herum. Wenn in der Familie gemeinsam gesungen wird, so sind das deutsche und russische Lieder durcheinander. Großmutter Maria Pauls kennt aus ihrer Kindheit noch die deutschen Lieder vom Bruimen vor dem Tore oder vom aufgegangenen Mond, aber sie mag auch sehr gerne die russische Romanze über eine unerfüllte Liebe im Kolchos. "Man könnte meinen, es sei ein Heimatlied", seufzt sie dann. Und Rita antwortet: "Es ist ein Heimatlied, Oma."
Auch die Autorin Ulla Lachauer lernte nur durch einen Zufall die junge Russlanddeutsche Rita Pauls kennen, eine fröhliche Person mit barocken Formen und einer wunderbaren Gesangsstimme. Sie freundete sich mit ihr an und wurde auf ihre Familiengeschichte neugierig. Eine ihr bisher fremde Welt tat sich auf, sie fragte immer weiter nach und überraschte Rita eines Tages mit einem Buchprojekt.
Ich hab zuerst gedacht, sie fragt aus Höflichkeit, und hab dann sehr viel erzählt über meine Familie, ich erzähl auch gerne. Die Idee, ein Buch zu schreiben hat mich zuerst, ich war zuerst erschrocken: Was jetzt? Und dann, die Eitelkeit ist auch dabei gewesen, mein Gott, unsere Familie ist auserwählt.
Nun hat die Familie Pauls einen zeitgeschichtlich hochinteressanten Hintergrund: Mit anderen Mennoniten sind die Vorfahren um 1800 ausgewandert. Die Mitglieder dieser Sekte der Wiedertäufer sind streng pazifistisch und bekamen daher in ihrer Heimat Westpreußen Schwierigkeiten mit der Wehrpflicht. An der Wolga gründeten sie ein Dorf mit dem schönen Namen Lysanderhöh und trieben erfolgreich Landwirtschaft. Nach der russischen Revolution wurden sie als Kulaken, also Großbauern denunziert und 1931 nach Westsibirien verschleppt, in die kasachische Steppe, dort, wo die neue Industriestadt Karaganda im Entstehen war.
Von der Großmutter Maria Pauls konnte Ulla Lachauer noch aus eigenem Mund viele konkrete Details erfahren: Wie sie im heißen August in Güterzügen dahingebracht wurden, und sich in der Steppe erst einmal Erdhöhlen graben mussten, um zur überwintern, denn im September kam schon der erste Schnee. Viele sind damals verhungert und erfroren. 1942 wurde Ritas Großvater verhaftet, und kehrte aus dem Lager nicht wieder zurück. Aber die ganze Region war ein Lager, Deportierte aus allen Gegenden der Sowjetunion und Kriegsgefangene legten Kohlenschächte an und zogen Stahlwerke hoch. Nach dem Krieg wurde aus Karaganda jedoch eine moderne, und fast normale Stadt. Die Generation von Rita, die 1969 dort geboren ist, schätzte das internationale Flair der Stadt, freute sich über die köstlichen Essen der koreanischen Nachbarn und über die multinationale Schulklasse - und fragte sich nicht, wie dieses Völkergemisch entstanden war.
Erst durch die Gespräche mit Ulla Lachauer und durch die gemeinsame Recherche lernte Rita ihre Vergangenheit kennen, in der Sowjetunion war diese tabu.
Das Thema wurde immer verschwiegen, dass die Russlanddeutschen, natürlich mit anderen Völkern auch, Opfer geworden sind, es wurde nie davon gesprochen. Manchmal ist das natürlich auch Verdrängung, vielleicht ums Frieden willen, um Frieden in der Familie oder in der Gemeinde. Vielleicht ist das wirklich Angst, dass daraus etwas Schreckliches entstehen kann aus dieser Diskussion.
Zum Beispiel hat die Großmutter erst nach dem Tod einer Nachbarin erzählt, dass diese Frau vermutlich die Denunziantin von 1942 war. Sie wollte keinen Hass säen, glaubt Rita. Es ist überhaupt erstaunlich mit welcher Haltung die Pauls ihre Schicksalsschläge erduldeten. Vielleicht ist es Verdrängung, vielleicht ist es auch eine religiös motivierte Haltung. Auch Ulla Lachauer findet dafür keine pauschale Erklärung:
Es ist ganz schwer zu sagen, weil die Lebenshaltungen der Generationen in Ritas Familie sehr verschieden sind und weil jede der Haltung aller Generationen mir fremd sind. Angefangen von der Großmutter, die fromm in ihrem Wolgadorf aufwuchs, die glaub ich wirklich diese Schicksalsergebenheit im religiösen Sinne hat als Mennonitin und auch noch Substanz aus diesem Dorf gesammelt hat, Sprache, Kultur, Bibel, usw., während die Generation ihrer Kinder, also Ritas Vater und Geschwister, die schon in der Deportation in Kasachstan geboren sind, in der Baracke aufwuchsen, da kommt auch schon sehr stark etwas Sowjetisches hinein, d.h. Menschen wachsen auf ohne einen Spielraum, sich frei entscheiden zu können, sie werden von Zuhause ein bisschen noch versorgt mit Hintergrund, aber letztlich wachsen sie in einer sowjetischen Welt auf, es wird dann irgendwann materiell besser, aber ihr Spielraum ist nicht sehr groß und das ist auch eine Art von Sich-Ergeben, ein gewisser Fatalismus.
Schon die Redewendungen der Russlanddeutschen offenbart ihre Haltung: "Der große Jammer" sagte Maria Pauls, wenn sie sich an die Revolutionsgräuel und die nachfolgende Hungerzeit in ihrer Kindheit erinnerte. Statt "er wurde verhaftet" sagte man: "er wurde gesetzt", und wenn jemand im Lager verschwand, hieß es: "Er wurde genommen." Ulla Lachauer hat ein genaues Ohr für die Sprache ihrer Interviewpartner und sie rekonstruiert in ihrem Buch auch eine Kulturgeschichte der Russlanddeutschen, indem sie die Kleinigkeiten des Alltags abfragt: von den Hausratsgegenständen und der Arbeit, von den Essgewohnheiten über die Gebete und die Lieder der verschiedenen Generationen bis hin eben zu Redewendungen und Wörtern.
Ja, ich bin natürlich fasziniert von der Sprache der Russlanddeutschen, (SCHNITT auf 23.55) angefangen von dialektalen Resten in diesem Falle aus einer plattdeutschen Kolonie, die noch so durch die Familie geistern auch wenn selbst kein Plattdeutsch mehr richtig gesprochen wird, von Sprache, die von Bibel geprägt ist und biblischer Kraft bis hin zu Russizismen, die in die deutsche Sprache einwandern, und eben auch so reizende Fehler, die sich in allen Generationen, die sich im Deutschen probieren, finden lassen, dass Rita z.B. das Wort Schick-Säle sagt statt Schicksale, also diese räumliche Vorstellung, dass ein Geschick ein Saal ist, in den man hineingeschickt wird und wenn man eben damit sich befassen will, muss man eine Tür öffnen oder eine Wand einreißen und eben nicht nur von einem Saal sondern von mehreren Schick-Sälen, und das fasziniert mich sehr.
Ulla Lachauer gelingt es, diese Faszination den Lesern zu vermitteln, das macht das Buch so spannend. Sie ging auch wirklich jedem einzelnen dieser Schicksale nach und erzählt vom Leben der Großmutter, die das ganze 20. Jahrhundert am eigenen Leib erfahren hatte, vom Vater, der schon als robuster Sowjetbürger aufwuchs, von der zierlichen russischen Mutter und ihrer Verwandtschaft, die noch heute in einem russischen Dorf so lebt, wie die Pauls 100 Jahre zuvor an der Wolga, von Ritas Schwester, die wiederum einen Russen geheiratet hat, aber dennoch mit nach Deutschland ausreiste, weil sie die Trennung von der Familie nicht ertragen hätte. Gemeinsam mit Rita fuhr Ulla Lachauer nach Karaganda und berichtet von dieser Stadt, die mit der Sowjetunion groß geworden ist und mit ihr dem Verfall preisgegeben wurde. Sie recherchierte in Archiven, und berichtet von den Vorfahren der Pauls, sie knüpfte Kontakt zum kanadischen Zweig der Familie und reiste mit Rita nach Kanada, wo sie auf bäuerliche mennonitische Familien trafen, die das Andenken der Ahnen besonders ehrten -lauter Schick-Säle, die auf vielfältige Weise ausgestattet sind.
Und dann wird natürlich von der Ausreise erzählt, von der Ankunft von Ritas Leuten in Deutschland, von ihrer Odyssee durch Übergangsheime bis hin zu ihrer neuen Heimat in der Region von Kehl. Dort boten die verlassenen Häuser der französischen Armee Wohnraum für die Neuankömmlinge, die Gefahr von Ghettobildung inklusive. Und obwohl sich die Familie Pauls vergleichsweise gut integriert hat, lebt auch sie eher abgeschlossen von den deutschen Mitbürgern unter ihresgleichen. Die Schwester Lena machte einen kleinen Tante-Emma-Laden mit russischen Spezialitäten auf, der sofort zu einem Treffpunkt wurde, die Eltern betreiben ebenfalls mit Konsumgütern aus der alten Heimat einen rollenden Verkaufsladen, und die Mutter bekämpft ihr Heimweh, indem sie wie früher in Karaganda ihre speziellen Tomaten in Herzform züchtet. Rita selbst ist Übersetzerin geworden und singt nebenbei auf Veranstaltungen russische - und internationale - Chansons. Aber auch sie hat außer Ulla Lachauer keine deutschen Freunde.
Wissen Sie, es gibt so viele Russlanddeutsche, dass es einfach unter Deutschen zu leben nicht möglich ist. Sowohl an der Uni oder jetzt auf der Arbeit ist es so, dass man alle zusammen sind und Gott sei Dank, es kommt dazu, dass wir endlich mal vereinigt werden, ja, aber im privaten Bereich eher mit Russlanddeutschen oder mit Russen sogar mehr...
Ritas Leute sind glücklich in Deutschland angekommen, aber jeder schleppt ein unterschiedliches Heimatgefühl mit sich herum. Wenn in der Familie gemeinsam gesungen wird, so sind das deutsche und russische Lieder durcheinander. Großmutter Maria Pauls kennt aus ihrer Kindheit noch die deutschen Lieder vom Bruimen vor dem Tore oder vom aufgegangenen Mond, aber sie mag auch sehr gerne die russische Romanze über eine unerfüllte Liebe im Kolchos. "Man könnte meinen, es sei ein Heimatlied", seufzt sie dann. Und Rita antwortet: "Es ist ein Heimatlied, Oma."