"Im Kriege ist die Wahrheit so kostbar, dass sie immer von einer Leibwache von Lügen umgeben sein sollte", empfahl einst Winston Churchill. Vielleicht wurde dieser Rat nie so gewissenhaft befolgt wie im jüngsten Irak-Krieg. Wie viel von all den Bildern und Nachrichten war Propaganda, wie viel davon kam der Wahrheit zumindest nahe? Was bedeutet es für die Berichterstattung, wenn Medien ihre Reporter mit der Armee ins Feld schicken, wenn sich Live-Berichte von Panzerschlachten in der arabischen Wüste in ihrer Diktion einer Fußballreportage annähern? Einer, der sich im Informationsgestrüpp um Sachlichkeit, Fakten und Glaubwürdigkeit bemühte, ist Ulrich Tilgner, der fürs ZDF und das Schweizer Fernsehen aus dem Irak berichtete. Er hat seine Erlebnisse und Erkenntnisse nun zu Papier gebracht. Brigitte Baetz hat das Buch gelesen und mit Ulrich Tilgner gesprochen:
In der ersten Märzwoche sitze ich im Dienstzimmer von Claude Robert Ellner, dem Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Bagdad. Der Krieg scheint unausweichlich, und Ellner hat Schreckliches zu berichten: "Wenn die Müllwagen getroffen werden", erklärt er über einer Tasse Kaffee, "sind in Bagdad 72 Stunden später alle tot". Der Diplomat zitiert Gerüchte, die in seinen Kollegenkreisen die Runde machen: Saddam Hussein habe chemische Waffen in den Wagen der Stadtreinigung versteckt.
Schreckensszenarien eines lange angekündigten Waffenganges – über den Ausgang des Kräftemessens zwischen den USA und dem Irak schien kein Zweifel zu bestehen, aber wie würde die Realität des Krieges aussehen? Einer, der sich von Gerüchten und Mutmaßungen nicht abschrecken ließ, war Ulrich Tilgner. Neun Wochen lang harrte er in Bagdad aus, lernte sowohl den Fatalismus der Bevölkerung kennen als auch die militärische Übermacht und die nachträgliche Hilflosigkeit der Sieger. Sein Erlebnisbericht aus der Hauptstadt des Irak ist auch eine Chronik der Täuschungen und der Propaganda.
Wenn Sie sich vorstellen, dass Tommy Franks, der Oberkommandeur der Streitkräfte im Irak, gesagt hat, der Informationskrieg ist die fünfte Front des Krieges, und unser Ziel ist es, dass die Öffentlichkeit nichts von unseren Plänen erfährt, dann können Sie sich vorstellen, welche Rolle Presse heute in Kriegen spielen kann. Es stimmt ja auch nicht mehr, dass die Wahrheit geopfert wird. Es gibt in diesen Kriegen keine wirkliche Wahrheit mehr.
Die Manipulation der Medien wird dadurch erleichtert, dass alle live dabei sein wollen, live dabei sind. Und dabei gaukeln die schnelle Information, die aktuellen Bilder eine Wirklichkeit vor, die doch nur ein Ausschnitt ist. Auch Ulrich Tilgners Buch merkt man an, dass hier einer schreibt, dessen Arbeit aktuell und schnell sein musste. Er hat genau das aufgeschrieben, was er erlebt hat. Da er aber selbst Teil der Medienmaschine war, die fast ununterbrochen auf Hochtouren lief, hat man den Eindruck, dass viele Fragen auch für ihn offen bleiben. Der Reporter vor Ort wirkt wie ein Zuschauer, der einfach näher am Geschehen ist, der aber genau so wie die Menschen vor den Bildschirmen, die Inszenierungen erst im Nachhinein als solche begreifen kann. Die angekündigte amerikanische Strategie des shock-and-awe, also der massiven Einschüchterung und Lähmung des Landes durch neueste Waffentechnologien, wurde ebenso wenig umgesetzt, wie auf Seiten der Iraker chemische Kampfstoffe zum Einsatz kamen. Dabei haben nach Tilgners Erkenntnissen nicht nur die USA die Öffentlichkeit über Massenvernichtungswaffen im Irak getäuscht. Auch die Iraker selbst waren sicher, dass ihr Land über solche Waffen verfüge. Das Regime – Opfer der eigenen Propaganda.
Saddam Hussein hat speziell im Generalstab und auch bei den Eliteeinheiten systematisch den Eindruck erweckt, dass er chemische Waffen einsetzen würde, wenn die USA es schaffen würden, mit den Truppen auf Bagdad vorzumarschieren. Also, in den so genannten Roten Kreisen rund um Bagdad würden dann chemische Waffen eingesetzt. Diese Idee hat er verbreitet, und er hat gedacht, dass er damit die Kampfmoral heben würde. Ich glaube, aus Gesprächen mit den Soldaten und Offizieren wird im Nachhinein klar, dass genau das Gegenteil erreicht wurde. Diese Menschen wussten, wenn sie chemische Waffen einsetzen, wird es fürchterliche Vergeltungsaktionen militärischer Art der USA geben. Also wird man es nicht tun, und um sich dieser Situation zu entziehen, sind auch viele geflohen.
Den Menschen in Bagdad war schnell klar, dass der Krieg verloren gehen würde. Tilgner beschreibt sie als fatalistisch, ja geradezu abgeklärt. In der Diktatur Saddams waren sie gewohnt, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, Fremden, auch dem Reporter gegenüber, öffnen sie sich kaum. Ihre Schicksalsergebenheit war nicht nur die Folge der psychologischen Kriegsführung beider Seiten: Die Übermacht der Vereinigten Staaten war zu groß und die Geschwindigkeit der Kriegsführung von ganz neuer Qualität.
Ich glaube, das ist einer der Gründe gewesen, dass die Mehrheit der Iraker überhaupt gar keinen Widerstand geleistet hat. Es war ja so, dass die großen Divisionen Saddam Husseins nicht gekämpft haben. Ich habe das zum Teil mit eigenen Augen gesehen, als ich etwa zehn Tage vor Kriegsende in den Süden gefahren bin, da waren die Geschütze in Richtung Osten, also in die von den USA entfernte Richtung orientiert. Genau das hatten die USA gefordert, in Flugblättern, in Rundfunksendungen. Es gab ja eine sehr verdeckte psychologische Kriegsführung vor diesen Kämpfen jeweils. Die Mehrheit der Iraker wollte nicht kämpfen, weil sie gesehen haben, die USA sind zu stark, und weil sie auch die Sicherheit hatten, von einer gewissen Phase des Krieges, dass dieser Krieg mit dem Sturz Saddam Husseins enden wird und dass ihre Verweigerung später nicht sanktioniert wird.
Der Sieg der Amerikaner führt zwar zum Sturz Saddams, doch eine Neuordnung des Landes, eine Ordnung überhaupt, liegt in weiter Ferne. So gut der Krieg geplant war, so dilettantisch ist die Zeit danach vorbereitet. Die US-Offiziere erweisen sich als hilflos, wenn darum geht, öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Rechtsunsicherheit und Plünderungen sind die Folge. Auf den von westlichen Kriegsgegnern geäußerten Verdacht, die Amerikaner hätten genau dieses Chaos miteingeplant, um eine langfristige Präsenz im Irak zu legitimieren, geht Tilgner allerdings nicht ein.
Man hat das einfach hingenommen, und in der Sekunde war dem Militär eigentlich nicht klar, was angerichtet wird. Das ist ja das Interessante, dass die Offiziere gar nicht begriffen haben, dass sie, wenn sie ein Land besetzen, es auch aufbauen und verwalten müssen. Sie haben ihre eigenen Leute geschützt, das war das oberste Ziel, und sie haben gar nicht gemerkt, dass sie da in diesen wenigen Stunden und Tagen etwas zerstören, was sich möglicherweise langfristig gar nicht wieder gutmachen lässt.
Jugendliche, die Monitore auf der Schulter tragen, gehen mitten auf der Straße. Die Plünderer scheint nichts abschrecken zu können. Schwere Güter werden mit Autos abtransportiert – auf den Ladeflächen türmen sich Klimaanlagen und Kühlschränke. Jeder nimmt, so viel er tragen kann. Besonders Skrupellose nutzen geraubte Fahrzeuge für den Transport. In der Nidalstraße verliert ein Krankenwagen Bücherregale, weil der Fahrer zu schnell in die Kurve geht. Einige Jugendliche zerren Pferde durch die Karadastraße, sie stammen aus dem Reitclub in Jadrijah, in dem die Familien der Spitzenpolitiker zu verkehren pflegen.
Das war eine ganz unangenehme Atmosphäre. Wir wollten dann noch mit dem Auto in die Stadt fahren, sind aber nach hundert Metern wieder umgedreht, weil wir diese Jugendlichen in der Straßenmitte – etwas für den Irak völlig Unübliches - sahen, wie sie da mit ihren Kalaschnikows durch die Gegend zogen. Und da hab’ ich dann schon irgendwie Angst gehabt, weil ich gedacht habe, wenn das jetzt so weiter geht, dieser Zustand, dann werden sie ins Hotel kommen und werden das Hotel ausrauben, und dann kann es eben sein, dass die ausländischen Journalisten..., dass denen böse mitgespielt wird.
Von solchen Momenten der Angst ist in Tilgners Buch ganz selten die Rede. Von den eigenen Befindlichkeiten spricht der Hanseat nicht gerne, Gefühlsduseleien sind seine Sache nicht. Der Reporter erscheint genau so, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt und was seine Qualitäten vor der Kamera ausmachen: Ruhig und gelassen berichtet er eins-zu-eins, was er gesehen und erlebt hat. Er ist zu bescheiden, um in seinen Schlussfolgerungen zu sicher zu sein, immer skeptisch gegenüber schnellen Urteilen. Diese Ehrlichkeit schlägt sich auch in der Wortwahl nieder: gewiss ist nichts. Doch was im Fernsehen von Vorteil ist, lässt beim Leser manchmal das Gefühl aufkommen, es fehle etwas. So wird Authentizität zum Nachteil. Beim Leser schleicht sich das Gefühl ein, dies alles doch erst vor kurzem selbst miterlebt zu haben. Vielleicht brauchen solche Bücher von Kriegsreportern in unserer Mediengesellschaft, die glaubt, dass Sehen gleich Wissen ist, mehr Analyse und Reflexion. Bedenkt man jedoch auch die schnelle Verfallsdauer solchen Wissens – dies auch eine Folge der Bilderflut - dann ist Tilgners Erfahrungsbericht aus dem Irakkrieg eine wichtige und aufschlussreiche Dokumentation.
Das war Brigitte Baetz über das neue Buch von Ulrich Tilgner: Der inszenierte Krieg. Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins, erschienen ist es im Rowohlt Verlag. 192 Seiten kosten 16 Euro 90.
In der ersten Märzwoche sitze ich im Dienstzimmer von Claude Robert Ellner, dem Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Bagdad. Der Krieg scheint unausweichlich, und Ellner hat Schreckliches zu berichten: "Wenn die Müllwagen getroffen werden", erklärt er über einer Tasse Kaffee, "sind in Bagdad 72 Stunden später alle tot". Der Diplomat zitiert Gerüchte, die in seinen Kollegenkreisen die Runde machen: Saddam Hussein habe chemische Waffen in den Wagen der Stadtreinigung versteckt.
Schreckensszenarien eines lange angekündigten Waffenganges – über den Ausgang des Kräftemessens zwischen den USA und dem Irak schien kein Zweifel zu bestehen, aber wie würde die Realität des Krieges aussehen? Einer, der sich von Gerüchten und Mutmaßungen nicht abschrecken ließ, war Ulrich Tilgner. Neun Wochen lang harrte er in Bagdad aus, lernte sowohl den Fatalismus der Bevölkerung kennen als auch die militärische Übermacht und die nachträgliche Hilflosigkeit der Sieger. Sein Erlebnisbericht aus der Hauptstadt des Irak ist auch eine Chronik der Täuschungen und der Propaganda.
Wenn Sie sich vorstellen, dass Tommy Franks, der Oberkommandeur der Streitkräfte im Irak, gesagt hat, der Informationskrieg ist die fünfte Front des Krieges, und unser Ziel ist es, dass die Öffentlichkeit nichts von unseren Plänen erfährt, dann können Sie sich vorstellen, welche Rolle Presse heute in Kriegen spielen kann. Es stimmt ja auch nicht mehr, dass die Wahrheit geopfert wird. Es gibt in diesen Kriegen keine wirkliche Wahrheit mehr.
Die Manipulation der Medien wird dadurch erleichtert, dass alle live dabei sein wollen, live dabei sind. Und dabei gaukeln die schnelle Information, die aktuellen Bilder eine Wirklichkeit vor, die doch nur ein Ausschnitt ist. Auch Ulrich Tilgners Buch merkt man an, dass hier einer schreibt, dessen Arbeit aktuell und schnell sein musste. Er hat genau das aufgeschrieben, was er erlebt hat. Da er aber selbst Teil der Medienmaschine war, die fast ununterbrochen auf Hochtouren lief, hat man den Eindruck, dass viele Fragen auch für ihn offen bleiben. Der Reporter vor Ort wirkt wie ein Zuschauer, der einfach näher am Geschehen ist, der aber genau so wie die Menschen vor den Bildschirmen, die Inszenierungen erst im Nachhinein als solche begreifen kann. Die angekündigte amerikanische Strategie des shock-and-awe, also der massiven Einschüchterung und Lähmung des Landes durch neueste Waffentechnologien, wurde ebenso wenig umgesetzt, wie auf Seiten der Iraker chemische Kampfstoffe zum Einsatz kamen. Dabei haben nach Tilgners Erkenntnissen nicht nur die USA die Öffentlichkeit über Massenvernichtungswaffen im Irak getäuscht. Auch die Iraker selbst waren sicher, dass ihr Land über solche Waffen verfüge. Das Regime – Opfer der eigenen Propaganda.
Saddam Hussein hat speziell im Generalstab und auch bei den Eliteeinheiten systematisch den Eindruck erweckt, dass er chemische Waffen einsetzen würde, wenn die USA es schaffen würden, mit den Truppen auf Bagdad vorzumarschieren. Also, in den so genannten Roten Kreisen rund um Bagdad würden dann chemische Waffen eingesetzt. Diese Idee hat er verbreitet, und er hat gedacht, dass er damit die Kampfmoral heben würde. Ich glaube, aus Gesprächen mit den Soldaten und Offizieren wird im Nachhinein klar, dass genau das Gegenteil erreicht wurde. Diese Menschen wussten, wenn sie chemische Waffen einsetzen, wird es fürchterliche Vergeltungsaktionen militärischer Art der USA geben. Also wird man es nicht tun, und um sich dieser Situation zu entziehen, sind auch viele geflohen.
Den Menschen in Bagdad war schnell klar, dass der Krieg verloren gehen würde. Tilgner beschreibt sie als fatalistisch, ja geradezu abgeklärt. In der Diktatur Saddams waren sie gewohnt, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, Fremden, auch dem Reporter gegenüber, öffnen sie sich kaum. Ihre Schicksalsergebenheit war nicht nur die Folge der psychologischen Kriegsführung beider Seiten: Die Übermacht der Vereinigten Staaten war zu groß und die Geschwindigkeit der Kriegsführung von ganz neuer Qualität.
Ich glaube, das ist einer der Gründe gewesen, dass die Mehrheit der Iraker überhaupt gar keinen Widerstand geleistet hat. Es war ja so, dass die großen Divisionen Saddam Husseins nicht gekämpft haben. Ich habe das zum Teil mit eigenen Augen gesehen, als ich etwa zehn Tage vor Kriegsende in den Süden gefahren bin, da waren die Geschütze in Richtung Osten, also in die von den USA entfernte Richtung orientiert. Genau das hatten die USA gefordert, in Flugblättern, in Rundfunksendungen. Es gab ja eine sehr verdeckte psychologische Kriegsführung vor diesen Kämpfen jeweils. Die Mehrheit der Iraker wollte nicht kämpfen, weil sie gesehen haben, die USA sind zu stark, und weil sie auch die Sicherheit hatten, von einer gewissen Phase des Krieges, dass dieser Krieg mit dem Sturz Saddam Husseins enden wird und dass ihre Verweigerung später nicht sanktioniert wird.
Der Sieg der Amerikaner führt zwar zum Sturz Saddams, doch eine Neuordnung des Landes, eine Ordnung überhaupt, liegt in weiter Ferne. So gut der Krieg geplant war, so dilettantisch ist die Zeit danach vorbereitet. Die US-Offiziere erweisen sich als hilflos, wenn darum geht, öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Rechtsunsicherheit und Plünderungen sind die Folge. Auf den von westlichen Kriegsgegnern geäußerten Verdacht, die Amerikaner hätten genau dieses Chaos miteingeplant, um eine langfristige Präsenz im Irak zu legitimieren, geht Tilgner allerdings nicht ein.
Man hat das einfach hingenommen, und in der Sekunde war dem Militär eigentlich nicht klar, was angerichtet wird. Das ist ja das Interessante, dass die Offiziere gar nicht begriffen haben, dass sie, wenn sie ein Land besetzen, es auch aufbauen und verwalten müssen. Sie haben ihre eigenen Leute geschützt, das war das oberste Ziel, und sie haben gar nicht gemerkt, dass sie da in diesen wenigen Stunden und Tagen etwas zerstören, was sich möglicherweise langfristig gar nicht wieder gutmachen lässt.
Jugendliche, die Monitore auf der Schulter tragen, gehen mitten auf der Straße. Die Plünderer scheint nichts abschrecken zu können. Schwere Güter werden mit Autos abtransportiert – auf den Ladeflächen türmen sich Klimaanlagen und Kühlschränke. Jeder nimmt, so viel er tragen kann. Besonders Skrupellose nutzen geraubte Fahrzeuge für den Transport. In der Nidalstraße verliert ein Krankenwagen Bücherregale, weil der Fahrer zu schnell in die Kurve geht. Einige Jugendliche zerren Pferde durch die Karadastraße, sie stammen aus dem Reitclub in Jadrijah, in dem die Familien der Spitzenpolitiker zu verkehren pflegen.
Das war eine ganz unangenehme Atmosphäre. Wir wollten dann noch mit dem Auto in die Stadt fahren, sind aber nach hundert Metern wieder umgedreht, weil wir diese Jugendlichen in der Straßenmitte – etwas für den Irak völlig Unübliches - sahen, wie sie da mit ihren Kalaschnikows durch die Gegend zogen. Und da hab’ ich dann schon irgendwie Angst gehabt, weil ich gedacht habe, wenn das jetzt so weiter geht, dieser Zustand, dann werden sie ins Hotel kommen und werden das Hotel ausrauben, und dann kann es eben sein, dass die ausländischen Journalisten..., dass denen böse mitgespielt wird.
Von solchen Momenten der Angst ist in Tilgners Buch ganz selten die Rede. Von den eigenen Befindlichkeiten spricht der Hanseat nicht gerne, Gefühlsduseleien sind seine Sache nicht. Der Reporter erscheint genau so, wie man ihn aus dem Fernsehen kennt und was seine Qualitäten vor der Kamera ausmachen: Ruhig und gelassen berichtet er eins-zu-eins, was er gesehen und erlebt hat. Er ist zu bescheiden, um in seinen Schlussfolgerungen zu sicher zu sein, immer skeptisch gegenüber schnellen Urteilen. Diese Ehrlichkeit schlägt sich auch in der Wortwahl nieder: gewiss ist nichts. Doch was im Fernsehen von Vorteil ist, lässt beim Leser manchmal das Gefühl aufkommen, es fehle etwas. So wird Authentizität zum Nachteil. Beim Leser schleicht sich das Gefühl ein, dies alles doch erst vor kurzem selbst miterlebt zu haben. Vielleicht brauchen solche Bücher von Kriegsreportern in unserer Mediengesellschaft, die glaubt, dass Sehen gleich Wissen ist, mehr Analyse und Reflexion. Bedenkt man jedoch auch die schnelle Verfallsdauer solchen Wissens – dies auch eine Folge der Bilderflut - dann ist Tilgners Erfahrungsbericht aus dem Irakkrieg eine wichtige und aufschlussreiche Dokumentation.
Das war Brigitte Baetz über das neue Buch von Ulrich Tilgner: Der inszenierte Krieg. Täuschung und Wahrheit beim Sturz Saddam Husseins, erschienen ist es im Rowohlt Verlag. 192 Seiten kosten 16 Euro 90.