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Ultraschall gegen Schlaganfall

Medizin. - Die Augen sehen plötzlich doppelt, ein Arm lässt sich nicht mehr bewegen, die Sätze klingen verwaschen – ein Schlaganfall. In Zukunft soll die Therapie schon im Krankenwagen beginnen - das Verfahren wurde auf der Schlaganfallkonferenz in Magdeburg vorgestellt.

Von Volkart Wildermuth |
    Wirkstoffe, Gene, Zellreaktionen, das ist das Standardprogramm auf Tagungen zum Schlaganfall. Wenn ein Forscher dagegen von Vibrationen, Explosionen und Ultraschall spricht, dann ist ihm Aufmerksamkeit sicher. In einem ersten Schritt will Stephen Meairs, ein Kalifornier, der heute als Professor für Neurologie an der Universität Heidelberg forscht, die klassische Schlaganfalltherapie wirksamer machen. Die besteht aus einem Enzym namens tPA, das den Blutpfropf im Gehirn langsam auflöst. Der Ultraschall soll den Vorgang beschleunigen. Die Patienten bekommen zunächst ein ganz gewöhnliches Kontrastmittel gespritzt, das aus kleinen, Fett umhüllten Gasbläschen besteht. Anschließend wird Ultraschall über das dünne Knochenfester an den Schläfen in den Schädel geleitet.

    "Wir haben geglaubt, dass wir mit dem Ultraschall die Bläschen zum Explodieren bringen müssten, um die Verstopfung zu öffnen. Also haben wir viel Ultraschall eingesetzt, viel Energie hineingegeben. Inzwischen wissen wir, dass es reicht, die Bläschen zum Vibrieren zu bringen. Dadurch entstehen Mikroströmungen an der Oberfläche des Blutpfropfs, die das tPA in die Verstopfung hinein transportieren."

    Dadurch kann das Medikament schneller wirken. Bei den niedrigen Energien ist der Ultraschall auch sicher. Bei den langen Versuchsreihen zur Optimierung dieses Therapieansatzes hat Stephen Meairs zu seiner Überraschung festgestellt, dass Ultraschall und Bläschen auch ganz ohne Medikament wirken. Das ist entscheidend. Für einen Schlaganfall kann es nämlich zwei Ursachen geben. In den meisten Fällen ist tatsächlich eine Ader verstopft, dann kann tPA Leben retten. Bei einem von sechs Patienten verursacht aber eine Hirnblutung den Sauerstoffmangel, der die Nerven zugrunde gehen lässt. In diesem Fall würde tPA die Probleme noch verschlimmern. Deshalb kann das Medikament erst eingesetzt werden, wenn die Ursache des Schlafanfalls im Krankenhaus geklärt ist. Dabei vergeht wertvolle Zeit, Zeit die über Tod und Leben und den Schweregrad bleibender Behinderung entscheidet. Stephen Meairs möchte den Ultraschall nun als schnelle Ersttherapie noch vor der exakten Diagnose einsetzen. Bei einem Blutpfropf wäre diese Vorgehen effektiver, es bleibt aber die Frage, ob es auch sicher ist, wenn eine Hirnblutung vorliegt.

    "Unsere ersten Versuche sind sehr positiv verlaufen. Diese Therapie verstärkt eine Hirnblutung nicht weiter. Das heißt, wir können den Ultraschall sehr, sehr früh einsetzen, schon auf dem Weg zur Klinik, das wäre revolutionär."

    In einer Studie will Stephen Meairs alle Patienten mit einem Schlaganfall schon im Krankenwagen mit Ultraschall und Bläschen behandeln. Wenn tatsächlich ein Blutpfropf vorhanden ist, wird er schon deutlich früher aufgeweicht, ohne dass sich eine mögliche Hirnblutung verschlimmert.

    "Zurzeit wird ein mobiles Ultraschallgerät für den Krankenwagen entwickelt. Es wird wie ein Stirnband aussehen und sich auch von Sanitätern ohne Ultraschallerfahrung ganz einfach bedienen lassen."

    In der Klinik kann dann nach der genauen Diagnose zusätzlich noch tPA gegeben werden. Damit ist das Potential des Ultraschalls aber noch nicht ausgeschöpft. Die Hülle der Mikrobläschen lässt sich mit Antikörpern bestücken, die an Strukturen auf einem Blutpfropf binden.

    "So kann man die Bläschen gezielt an die Oberfläche des Pfropfs binden. Der Effekt der Vibrationen und der Mikroströmungen ist dann deutlich stärker."

    Das zeigen Tierversuche von Stephen Meairs. Schlaganfallforscher werden sich daran gewöhnen müssen, nicht nur über Medikamente und Zellen, sondern auch über Ultraschall und Bläschen zu diskutieren.