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Ultraschall
Neuer Präzisionsblick in den Körper

Ultraschall zählt zu den wichtigsten Diagnoseverfahren in der Medizin. Er ist schonend, unkompliziert und liefert Live-Bilder aus dem Körperinneren. Allerdings ist die Bildauflösung bisher auf etwa einen halben Millimeter beschränkt. Forscher in Paris haben nun ein trickreiches Verfahren vorgestellt, das deutlich detailreichere Aufnahmen liefert.

Von Frank Grotelüschen | 28.12.2015
    Ein Ultraschallbild eines Prostata-Tumors Prostata Krebs Männer Ultraschall Urologe Urologie
    Ultraschallbild eines Tumors: Forscher aus Frankreich können nun deutlich detailreichere Aufnahmen erstellen. (imago/Science Photo Library)
    "Man sieht auf dem Bildschirm jetzt den Kopf des Kindes. Wir kucken von oben drauf – praktisch Vogelperspektive."
    Die Vorsorgeuntersuchung bei einer werdenden Mutter. Per Ultraschall blickt die Ärztin in den Bauch, sieht das Ungeborene auf einem Bildschirm.
    - "Was wir auch sehen können, ist das Geschlecht des Kindes."
    - "Ich weiß schon, was es wird – ein Junge."
    "Ein Junge. Kann ich nur bestätigen."
    Schonend, schnell und preiswert: Ultraschall hat für Ärzte und Patienten viele Vorteile. Doch die Methode hat auch ihre Grenzen, und zwar:
    "Die Bildauflösung ist auf etwa einen halben Millimeter begrenzt. Das genügt, um Organe wie Leber, Niere oder Brust gut zu erkennen."
    Doch kleinere Strukturen, zum Beispiel feinste Blutgefäße, lassen sich per Ultraschall bislang nicht erkennen, sagt Mickael Tanter, Physiker am Institut Langevin in Paris. Das liegt an der relativ großen Wellenlänge des Ultraschalls im Bereich von einem knappen Millimeter. Tanter und sein Team aber peilten eine Bildauflösung im Mikrometerbereich an – und ließen sich dafür eine neue, raffinierte Methode einfallen. Die Basis:
    "Wir haben in den letzten Jahren eine Methode entwickelt, mit der sich extrem schnelle Ultraschallbilder machen lassen: Nicht wie üblich 50 Aufnahmen pro Sekunde, sondern 5000."
    Eine Art Zeitlupen-Ultraschallkamera, die mehrere Bilder pro Millisekunde schießt. Sie kombinierte Mickael Tanter mit einer anderen Methode der Ultraschalldiagnostik: der Injektion eines speziellen Kontrastmittels, und zwar winzigen Luftbläschen. Diese reflektieren den Ultraschall ganz besonders gut und sind deshalb bestens zu erkennen. Nur: Ein gewöhnlicher Ultraschallsensor sieht lediglich die verwischten Spuren dieser Bläschen, ähnlich wie eine Kamera, die auf eine lange Belichtungszeit eingestellt ist und deshalb die Autoscheinwerfer auf einer nächtlichen Straße als verwaschene Lichtschlieren darstellt. Die ultraschnelle Ultraschallkamera aus Frankreich hingegen kann die mikrometerfeinen Bläschen genau verfolgen. Und zwar, indem eine Software die aufeinanderfolgenden Aufnahmen präzise vergleicht.
    "So können wir feststellen, was sich von einem Bild zum nächsten verändert, und wie weit sich einzelne Bläschen bewegt haben. Und da diese Bläschen nur wenige Mikrometer groß sind, können wir das mit einer Auflösung von einigen Mikrometern machen. Also viel genauer, als das normalerweise mit Ultraschall funktioniert. "
    Kürzlich präsentierten Tanter und sein Team eindrucksvolle Bilder. Sie zeigen die fein verästelten Blutgefäße im Hirn einer Ratte. Taugen dürfte das neue Verfahren zunächst als Forschungsinstrument, etwa um zu beobachten, wie das Hirn auf Umgebungsreize reagiert: Je aktiver dabei eine bestimmte Hirnregion, umso schneller fließt in ihr das Blut. Aber auch die Medizin soll profitieren:
    "Wir können den Blutfluss in den feinsten Äderchen von Leber oder Niere beobachten. Dadurch könnte man Tumoren im Frühstadium aufspüren oder die ersten Anzeichen einer Leberzirrhose oder sich anbahnende Probleme mit den Gefäßen."
    Luftbläschen als Kontrastmittel werden bereits routinemäßig eingesetzt. Und eine Pariser Klinik erprobt das Verfahren nun mit Ultraschallbildern von der Leber. Mickael Tanter gibt sich zuversichtlich.
    "Schon 2017", so glaubt der Physiker, "sollte sich die neue Methode in den Kliniken finden."