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Umbaupläne für Konzertsaal München
Sturmlauf der Kulturwelt

Die Entscheidung, statt eines Neubaus den Münchner Konzertsaal nur umzubauen, hat überregionale Proteste hervor gerufen. Von "mangelnder Weitsicht" bis hin zu "Wortbruch" lauten die Vorwürfe an Ministerpräsident Seehofer. Nicht weniger als das Ansehen der Kultur-Metropole München scheint auf dem Spiel zu stehen.

Von Susanne Lettenbauer | 12.02.2015
    "Die Urnen stehen bereit, ich bitte die Stimmkarten einzuwerfen!"
    Abstimmung im Münchner Landtag. Gleich vier Dringlichkeitsanträge von Opposition und CSU zu einem Konzertsaal – das ist selbst für Münchner Verhältnisse eine Seltenheit. Nicht nur, dass hier zum ersten Mal der Freistaat mit der Stadt München ein Projekt gemeinsam angehen will, das so rechtlich schwer machbar sein dürfte – nein, es geht auch um eine Basta-Entscheidung, die Gegner wie Befürworter der neuen Lösung heftig aneinandergeraten lässt.
    "Also, wir erhoffen uns mehr Klarheit und fordern ganz deutlich eine Machbarkeitsstudie und ein Finanzierungskonzept, denn das, was jetzt vorgeschlagen wurde, ist die denkbar schlechteste Lösung, die kostet Geld und eine bessere Lösung bekommen wir trotzdem nicht."
    Ludwig Hartmann von den bayerischen Grünen spricht aus, was mittlerweile vonseiten renommierter Künstler, Musiker und Musikmanager massiv kritisiert wird. Der Bevölkerung einen neuen Konzertsaal zu versprechen und dann am Ende einer 10jährigen Diskussion nur einen sanierten Konzertsaal anzukündigen, das sei Betrug an der Münchner Klassikszene. Deshalb ruft der weltweit renommierte Sänger Christian Gerhaher seit vergangener Woche öffentlich zum Widerstand auf:
    "Ich bin entsetzt als Bürger. Seehofer hat in einer Regierungserklärung gesagt, es wird ein neuer Konzertsaal gebaut. Die Renovierung des Gasteig kann kein neuer Konzertsaal sein."
    Die ganze Welt baut neue Konzertsäle - warum nicht München?
    In vielen anderen Städten der Welt werden Konzertsäle gebaut, warum ausgerechnet nicht in München. Auch Stargeigerin Anne-Sophie Mutter hält Seehofer Wortbruch. Denn "ein Umbau sei kein neuer Konzertsaal", so Mutter. "Ein Glück sei nur: Politiker seines Schlages kommen und gehen, die Musik aber bleibt." Dass der Gasteig entkernt und umgebaut werden soll, bezeichnet Mutter als eine "katastrophale Fehlentscheidung".
    Für Musikmanager und Konzertveranstalter ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar. Karsten Witt Anfang der 1990er Jahre Generalsekretär der Wiener Konzerthausgesellschaft und lange Chef des Southbank Centre London mit der Royal Festival Hall versteht die Münchner Entscheidung überhaupt nicht:
    "Ich finde es einen Skandal, dass uns allen einfach so überraschend mitgeteilt wird, dass ein Saal einfach so für zwei Jahre geschlossen werden soll. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute, die dafür verantwortlich sind, nicht wissen, was das bedeutet.
    Enttäuscht ist vor allem Mariss Jansons, der Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Er hofft seit Langem auf einen eigenen Saal für sein Orchester und auch für den Chor. Über zehn Jahre lang habe er mit wechselnden Ministerpräsidenten diskutiert. Noch 2012 bekräftigte Seehofer, dass ein neuer Konzertsaal kommen wird. Von der Entscheidung sei er genauso überrascht worden, wie alle anderen:
    "Wie ist das möglich, dass bei so einem wichtigen Gespräch oder Erklärung wir nicht dabei sind und ich hätte erwartet von unseren Kollegen, dass sie sagen, wir finden es peinlich, dass unsere Kollegen nicht da sind."
    Unverständnis herrscht auch bei anderen großen Orchestern. Die Wiener Philharmoniker, in Kürze zu Gast im Gasteig, unterstützen Mariss Jansons seit Jahren, auch die Dresdner Staatskapelle unter Christian Thielemann, die vor einer ähnlichen Situation mit dem Umbau des Dresdner Konzertpalastes steht, hätte sich einen Neubau in München gewünscht, so Orchestermanager Jan Nast. Ein Musiker brauche eine musikalische Heimat, betont er, gerade vor den Auftritten, beim Üben, beim Vorbereiten, da sei der Raum immens wichtig:
    "Also die Entscheidung hat uns schon sehr überrascht, wir sind ja jährlich zu Gast auch im Gasteig und spielen dort sehr gerne, auch mit Christian Thielemann, nicht nur mit uns, sondern auch eine lange Historie hat mit den Münchner Philharmonikern. Für uns war der Saal nie wirklich optimal, wenn ich das so sagen darf aus der Ferne, aber es war eine Lösung, mit der wir so halbwegs leben konnten. Nichtsdestotrotz denken, dass München mit diesen drei wunderbaren Orchestern natürlich schon eine bessere Lösung verdient hätte."
    Leonard Bernstein empfahl "Burn it!"
    Es geht in München ja nicht nur um einen Konzertsaal, sondern darum, endlich den alten Ausspruch von Dirigent Leonard Bernstein loszuwerden, der nur ein einziges Mal im Gasteig gastierte in den 1980er Jahren. Burn it, soll er laut gesagt haben, brennt es nieder. Die wirklich großen Klassikstars machen deshalb auch gern einen Bogen um München, sagen die Konzertveranstalter. Es herrschen an der Isar eben keine Bedingungen wie in Paris, London, Peking, Tokio oder seit neuestem auch im polnischen Katowice. Dass er im Ausland eher gehört wird und bessere Bedingungen vorfindet als zu Hause, schmerzt Mariss Jansons, weshalb er ankündigt:
    "Wir werden weiter kämpfen, nachweisen, erklären, wir sprechen mit den Leuten, und ich glaube, dass einmal doch eine richtige Entscheidung kommt, und ich muss Ihnen sagen, ich glaube, das Leben wird selbst zeigen, wer hat recht und wer hat nicht recht."