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Umdenken erwünscht

Nachhaltige Entwicklung, das ist längst nicht mehr nur umweltbewusst zu denken. Sondern dazu zählt auch wirtschaftliches und soziales Verantwortungsbewusstsein. Doch wenn man die Menschen rund um den Globus dazu bewegen will, in diesem Sinne nachhaltig zu handeln, muss man auch in den Köpfen etwas verändern. Um das voran zu bringen, sprechen seit gestern in Bonn 700 Experten aus mehr als 150 Ländern über das Thema "Bildung für nachhaltige Entwicklung".

Von Svenja Üing |
    Als die UN-Bildungskonferenz gestern feierlich eröffnet wurde, da hatten die 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der DAAD-Sommerschule schon eine Woche Arbeit hinter sich. Aus mehr als 40 Ländern sind die Führungskräfte aus Hochschulen, Ministerien und Nicht-Regierungsorganisationen nach Deutschland gekommen, um sich hier auf die UNESCO-Konferenz in Bonn vorzubereiten. Zwei Dinge haben die Teilnehmer gemeinsam. Sie alle haben einen Teil ihres Studiums in Deutschland verbracht. Und allen brennt das Thema Nachhaltigkeit unter den Nägeln:

    "Ich habe großes Interesse an nachhaltiger Ausbildung an der Hochschule und ich habe daran auch seit langem gearbeitet. Und wir haben an der Universität auch eine Kommission gebildet. Und die Aufgabe dieser Kommission war auch eine nachhaltige Ausbildung an der Universität."

    Yusuf Gürcinar ist Professor für Architektur an der Cukurova Universität in Adana in der Türkei. Er nimmt an der DAAD-Sommerschule teil, weil er von den Erfahrungen der anderen Teilnehmer lernen will. Austragungsorte der Sommerschule waren vier Hochschulen: die Universitäten in Lüneburg, Kasse und Greifswald und die TU Braunschweig. An der Leuphana Uni in Lüneburg ging es zum Beispiel um die Frage, wie nachhaltige Entwicklung strategisch an den Hochschulen umgesetzt werden kann. Wie man also das Thema Nachhaltigkeit in die Lehre und ins Hochschulmanagement hineinbringt. In Lüneburg, wo es auch einen UNESCO-Lehrstuhl für Umweltbildung gibt, habe man damit schon seit den 1990er-Jahren viele gute Erfahrungen gesammelt, sagt Maik Adomßent vom Institut für Umweltkommunikation.

    "Man sieht, dass vieles von dem, was in Lüneburg erreicht wurde, direkt auf studentische Initiativen zurückzuführen ist. Also wir haben auf dem Campus eine Firma gewissermaßen, aus studentischer Initiative gegründet, die unter nachhaltigen Gesichtspunkten selbst auch Studentenwohnheime betreibt, die mehrere Restaurants und auch Cafeterien eingerichtet hat, und zwar unter Nachhaltigkeitskriterien. Heißt, sie bieten da zum Beispiel fair gehandelte Produkte oder ökologisch produzierte Produkte aus der Region an und haben damit gewissermaßen auch eine Vorbildfunktion für das Studentenwerk, das nicht direkt aus der Region kommt, aber auch gesehen hat, in diese Richtung müssen wir eigentlich auch agieren."

    Um nachhaltige Entwicklung in der Lehre zu etablieren, gibt es in Lüneburg seit zwei Jahren ein spezielles Bachelor-Programm, bei dem alle Studienanfänger das Modul "Verantwortung in der Gesellschaft" belegen müssen. Eine Art verpflichtendes Studium Generale also, dass die Deutsche UNESCO-Kommission gerne bundesweit sehen würde, sagt Alexander Leicht, Leiter des Sekretariats der UN-Bildungsdekade:

    "Weil wir glauben, dass Hochschulen eine Schlüsselrolle im Bereich BNE spielen. Hochschulen bilden die zukünftigen Entscheidungsträger, die zukünftige Elite aus und selbstverständlich ist es sehr wichtig, dass an diesen Schaltstellen Menschen sitzen, die gelernt haben, verantwortungsbewusst in Bezug auf die Zukunft zu handeln."

    Während sich die Teilnehmer an der Uni Lüneburg um strategische Fragen kümmerten, hießt das Losungswort an der TU Braunschweig: NOP. Hinter dem Kürzel verbirgt sich die Frage, Wie Studierende in organischen Chemiekursen nachhaltig lernen können. Das betrifft nicht nur die Chemiker, sondern auch die Biologen, Pharmazeuten, Physiker und Mediziner, sagt Susanne Stach-Pieper vom International Office der TU Braunschweig:

    "Ganz konkret heißt das, dass wir Chemikalien auswählen, die nicht giftig sind beziehungsweise versuchen, die giftigen Substanzen gegen nicht-giftige Stoffe auszutauschen und dass wir Chemikalien nutzen, die nachhaltig sind. Sprich, sie können auch aus dem ganzen organischen Bereich wie Zucker, Stärke, können sie ganz viele Reaktionen den Studenten beibringen."

    Kenntnisse, die der kenianische Chemiedozent Josphat Matasyoh mit an seine Heimatuniversität nehmen wird:

    ""Für uns ist das ein völlig neues Konzept. Wir arbeiten so noch nicht und meine Kollegen wissen gar nicht, wie man in der organischen Chemie nachhaltig lehren kann."

    Damit nicht nur Josphat Matasyoh davon profitiert, veröffentlich die TU Braunschweig dieses praktische Wissen auch im Internet. Bisher auf Deutsch, Englisch und Italienisch. Und in naher Zukunft auch in vielen anderen Sprachen, darunter Arabisch und Kisuaheli. Und für die Hochschulen selbst ist interessant, dass sie durch nachhaltiges Wirtschaften letztlich auch Geld sparen können. An der Uni Lüneburg hat die dortige Umweltkoordinatorin zwischen Weihnachten und Silvester einfach mal die Heizungen runtergefahren, sagt Maik Adomßent:

    "Man kann dort auch zwar arbeiten, muss dann aber sozusagen einen Heizkörper da hinzustellen. Und allein dadurch sind Einsparmöglichkeiten für den Heizungssektor da, der sich im fünfstelligen Eurobereich bewegt für den Campus Scharnhorststraße, unser Hauptcampus."

    Diese und alle anderen Erkenntnisse der DAAD-Sommerschule finden heute Nachmittag auch auf der UN-Konferenz in Bonn Gehör. In den beiden Workshops, die die Teilnehmer der Sommerschule dort für die Konferenzteilnehmer organisieren.

    Im Internet finden zukünftige Studierende Informationen über Studienangebote in Sachen Nachhaltigkeit: unter Leitfaden Nachhaltigkeit.