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Umfrage der Uni Münster
Kann Religion in der Coronakrise helfen?

Die Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand untersucht den Zusammenhang von Religion und der Bewältigung der Coronakrise in der Gesellschaft. Aktuell vermute man, dass ein enge, persönliche Glaubensbeziehung vielen Menschen helfe, gut durch die Krise zu kommen, sagte sie im Dlf.

Carolin Hillenbrand im Gespräch mit Christiane Florin | 28.07.2020
Kirchenbesucher mit gefalteten Händen zwischen Kirchenbänken
Das Wissenschaftlerteam der Universität Münster fragt unter anderem, ob Menschen in der Coronakrise mehr beten als vorher (picture alliance/dpa/Christoph Schmidt)
Wie sich religiöse Menschen Gott vorstellen, was im Namen dieses Gottes als gut und wahr gilt – das ist sehr unterschiedlich. Noch dazu gibt es in allen Religionen liberale, konservative und reaktionäre Strömungen. Was aber alle verbindet, ist der Glaube an einen höheren Sinn des irdischen Daseins, auch wenn das Geschehen ungerecht, chaotisch und willkürlich wirkt. Kontingenzbewältigung nennt man diese Eigenschaft von Religionen.
Vergleichbare Befragungen auch in Spanien, Italien und Finnland
Das Exzellenzcluster Religion und Politik an der Universtität Münster hat Mitte Juli eine Online-Befragung begonnen, um herauszufinden, wie sich Religion auf die Bewältigung der Coronakrise auswirkt. Wann hilft sie, Ungewissheiten auszuhalten und wann steht sie dabei im Weg? Stärkt sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt oder wirkt sie polarisierend? Eine vergleichbare Befragung gibt es auch in Spanien, Italien und Finnland.
Carolin Hillenbrand ist Doktorandin am Exzellenzcluster Religion und Politik in Münster.
Carolin Hillenbrand ist Doktorandin am Exzellenzcluster Religion und Politik in Münster. (privat)
Die Politikwissenschaftlerin Carolin Hillenbrand hat den Fragebogen entwickelt und leitet die Auswertung. Im Dlf sagt sie: "Religion wirkt ambivalent. Deshalb fragen wir genauer nach der Gottesbeziehung. Wir vermuten: Wenn es eine persönliche, enge Glaubensbeziehung gibt, dann trägt das durch die Krise. Wenn aber an Religion besonders das Gemeinschaftserlebnis zählt, die Zugehörigkeit, dann bricht das in der Coronakrise weg und es kommen Zweifel auf - bis hin zur Frage, wie Gott das Leid zulassen kann." Wichtig unter dem Aspekt der Kontingenzbewältigung sei, ob die Beziehung zu Gott eher von Liebe geprägt sei oder ob die Vorstellung eines strafendenden Gottes Angst verbreite.
Inklusives oder exklusives Verständnis ist entscheidend
Untersucht wird auch, ob religiöse Menschen anfälliger für Verschwörungserzählungen sind als nicht-religiöse. Bisher liegen dazu keine gesicherten Daten vor. "Es kann strukturelle Analogien zwischen Religion und Verschwörungsglauben geben, Verschwörungstheorien haben auch den Anspruch, den Menschen Halt zu geben, Komplexität zu reduzieren, das kann mit Religiösität korrelieren", vermutet Hillenbrand.
Aufgrund ihrer bisherigen Forschung zur Wirkung von Religion auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt geht die Doktorandin davon aus, dass es in multireligiösen Gesellschaften entscheidend ist, ob ein inklusives oder ein exklusives Verständnis der jeweils eigenen Religion vorherrsche. "Wenn man ein inklusives Verständnis hat, ist Religion gemeinschaftsfördernd." Problematisch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei die Einstellung, im Besitz der einzig gültigen Wahrheit zu sein.
Die Ergebnisse werden am Jahresende vorliegen. Bis September kann man sich unter www.religion-und-politik.de/umfrage-religion-und-corona beteiligen.