Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Umgang mit DDR-Geschichte
Der lange Weg vom Stasi-Gelände zum Lernort

Die frühere DDR-Stasi-Zentrale in Berlin soll zum einem "Campus für Demokratie" werden. Doch von diesem Lern- und Erinnerungsort - ein Vorschlag des DDR-Bürgerrechtlers Roland Jahn - ist 30 Jahre nach der Stürmung der Stasi-Zentrale wenig zu sehen. Problem: Die unterschiedlichen Eigentümer des Geländes.

Von Claudia van Laak | 19.01.2020
Zu sehen ist das Haus 1 des Stasi-Museums in der Normannenstrasse in Berlin-Lichtenberg
Haus 1 des Stasi-Museums in der Normannenstrasse in Berlin-Lichtenberg (imago images / Schöning)
Der "Campus für Demokratie" lebt schon, sagt Roland Jahn. Machen wir einen Ortsbesuch. Der erste Eindruck ist wenig einladend: ein graues und lebloses Areal. Ein großer asphaltierter Innenhof, teils als Parkplatz genutzt. Leerstehende Plattenbauten.
Frank Ebert von der Havemann-Gesellschaft, die die Geschichte und Erfahrungen der DDR-Opposition dokumentiert, steht im Hof vor einem Ärztehaus, zeigt auf die Gebäude ringsherum.
"Hier, wo wir jetzt stehen, das war damals auch so eine Art Ärztezentrum, da war die ärztliche Versorgung. Rechts von uns - das war das Versorgungszentrum, das war auch das erste Haus, das am 15. Januar gestürmt wurde, und die Hauptabteilung 20 saß hier, die war zuständig für die Bearbeitung von politischer Untergrundtätigkeit und "politisch-ideologischer Diversion", wie sie es nannten."
Größtes Archiv zur DDR-Opposition
Der Nachlass des DDR-Regimekritikers Robert Havemann liegt hier, zusammen mit vielen anderen Nachlässen DDR-Oppositioneller. Außerdem Unterlagen über das Neue Forum, die Initiative "Schwerter zu Pflugscharen" und und und – insgesamt das umfangreichste Archiv zur DDR-Opposition überhaupt. Die Zukunft? Ungewiss.
"Unser Mietvertrag von Seiten des Archivs der DDR-Opposition läuft in zwei Jahren aus, wir sind in Privaträumen. Und dann haben wir wirklich ein Problem, glaube ich. Und wir brauchen natürlich archivgerechte Räume. Unser Schriftgut, die Fotos, die Videos - alles was wir haben, das ist nationales Kulturgut."
Ein Grundproblem des gesamten Areals: Die 52 Gebäude der ehemaligen Stasi-Zentrale liegen nicht in einer Hand. Ein Teil befindet sich in Privatbesitz, ein anderer gehört dem Land Berlin, ein dritter dem Bund. Teils sind sie denkmalgeschützt, teils nicht. Die DDR-Aufarbeitungsinitiativen auf dem Gelände sind unzufrieden. Christian Booß vom Verein "Bürgerkomitee 15. Januar" klagt:
Viele Eigentümer, viele Brachen
"Leider Gottes hat sowohl der Bund als auch das Land Berlin wenig Sensibilität dafür. Die wussten ja lange selber nicht, was sie mit dem Gelände anfangen sollen. Ich meine, die ganzen Brachen, die wir hier noch haben. Es sind ja wirklich mehr Brachen als anständig definierte und bespielte Flächen."
Blick in das verwüstete ehemalige Amt für Nationale Sicherheit der DDR im Stadtteil Lichtenberg im Osten von Berlin, nachdem es am 15. Januar 1990 bei einer Demonstration von aufgebrachten Bürgern gestürmt wurde.
Blick in das ehemalige Amt für Nationale Sicherheit der DDR im Berliner Stadtteil Lichtenberg. Am 15.Januar 1990 wurde das Gebäude von Bürgern gestürmt. (picture-alliance/dpa)
Es gibt eine ganze Reihe Aktivitäten auf dem weitläufigen Areal. Besucherinnen und Besucher des Stasi-Museums können das Dienstzimmer des letzten DDR-Geheimdienstministers Erich Mielke besuchen oder sich in der Ausstellung der Stasi-Unterlagenbehörde über die Arbeitsweise des Geheimdienstes informieren. Doch all das reicht nicht aus, um das Stadtquartier zu beleben. Frank Ebert von der Havemann-Gesellschaft:
"Da muss sich einiges tun, dass einige Häuser, die damals – warum auch immer, schwerer Fehler! – verkauft wurden, dass die eventuell zurückgekauft werden. Und dann müssen sie saniert werden, dann muss man Geld in die Hand nehmen. Und dann kann man nicht ewig herumreden, man muss es endlich machen. Und dann kann man tatsächlich davon reden: "Campus für Demokratie" - dann hat man vielleicht einen."
2013 hat der Berliner Senat einen ersten Beschluss zur Unterstützung des "Campus für Demokratie" gefasst. In der vergangenen Woche – passend zum 30-jährigen Jubiläum der Erstürmung der Stasi-Zentrale – erfolgte ein zweiter. Darin heißt es:
Lern- und Erinnerungsort geplant
"Der Standort, der jahrzehntelang für Unterdrückung stand, soll zu einem Lern- und Erinnerungsort werden, der für die Werte der Demokratie wirbt. Die ehemals abgeriegelte "Stadt in der Stadt" soll sich öffnen."
Der Berliner Senat begleitet die Entwicklung des Geländes mit sogenannten Standortkonferenzen. Das sei zu wenig, klagen die DDR-Aufarbeitungsinitiativen. Sie fordern Taten statt Lippenbekenntnisse. Frank Ebert von der Havemann-Gesellschaft verliert langsam die Geduld.
"Das Problem ist tatsächlich diese unterschiedliche Eigentümerstruktur, und – wo ich das eigentliche Problem sehe – das ist die Verwaltung. Wenn seit drei Jahren davon geredet wird, dass etwas getan wird, aber man sieht nichts, dann mache ich mir langsam Sorgen, wie lange das noch dauern soll."
Der Ideengeber des "Campus für Demokratie" Roland Jahn ist derzeit mit seinem eigenen Haus beschäftigt. In diesem Jahr wird die Stasi-Unterlagenbehörde in das Bundesarchiv integriert, so hat es der Bundestag beschlossen. Verbunden ist dies mit großen Investitionen. Die Stasi-Akten müssen vor Feuchtigkeit und Schimmel bewahrt werden, brauchen neue Archivräume. Langfristig sollen die Akten von SED und anderen DDR-Organisationen auf dem Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale vereint werden. Roland Jahn schließt deshalb Abriss und Neubau von Gebäuden nicht aus.
"Ich denke, da kann man einen guten Weg finden, dass man Neues schafft, um den Kern des Alten zu bewahren."
30 Jahre nach Auflösung der Stasi bleibt die Zentrale des DDR-Geheimdienstes ein Flickwerk - und der "Campus für Demokratie" mehr Vision als Realität.