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Umgang mit dem Vorgesetzten
"Sie finden unter Führungskräften sehr viele Narzissten"

Spaß an der Arbeit trotz Chef? Das gleichnamige Buch erklärt, wie Arbeitnehmer am besten mit den möglichen Eigenheiten des Vorgesetzten umgehen sollten. Ein erster Schritt sei es zu verstehen, welcher Persönlichkeitstyp der jeweilige Vorgesetzte ist, sagte die Autorin Annelen Collatz im Deutschlandfunk.

Annelen Collatz im Gespräch mit Michael Böddeker | 30.12.2015
    Ein Sessel steht hinter einem Schreibtisch.
    Diplompsychologin Annelen Collatz: "Auch von einer Führungskraft kann man erwarten, dass sie an sich arbeitet, um die Zusammenarbeit zu erleichtern." ( imago/Horst Rudel)
    Michael Böddeker: Es gibt schon jede Menge Ratgeber für Führungskräfte, da können dann engagierte Chefs bei Bedarf nachlesen, wie sie sich im Umgang mit ihren Mitarbeitern verbessern können. Aber was tun, wenn der Chef nun mal so ist, wie er ist, und auch so bleibt? Also, wie sollten Mitarbeiter am besten mit den Ecken und Kanten ihres Vorgesetzten umgehen? Das kann man jetzt in einem neuen Buch nachlesen: "Spaß an der Arbeit trotz Chef" heißt es. Koautorin des Buchs ist die Diplompsychologin und Coach Annelen Collatz, schönen guten Tag!
    Annelen Collatz: Guten Tag!
    Böddeker: Wo liegen denn meist die Probleme, wenn es zwischen dem Chef und den Angestellten nicht so gut läuft?
    Collatz: Die Probleme liegen zumeist auf der Beziehungsebene. Aber die Probleme werden auf der Sachebene versucht zu lösen - und das ist meistens nicht erfolgreich. Und kein Mensch kümmert sich auch in sämtlichen Führungsseminaren darum, welche Persönlichkeitsstile da aufeinandertreffen. Die sind aber wenig veränderbar. Also, sie sind modifizierbar, das selbstverständlich, aber nicht komplett veränderbar. Und sind aber ganz stark determinierend für unser Verhalten, was wir in Bezug auf andere Menschen an den Tag legen.
    Böddeker: Was für Persönlichkeitsstile gibt es da?
    Collatz: Also, bei Führungskräften finden wir sehr häufig den narzisstischen Persönlichkeitsstil. Wir finden den histrionischen Persönlichkeitsstil, in bestimmten Institutionen auch den zwanghaften. Der kann nicht in allen Unternehmen erfolgreich sein oder Führungskraft werden, jedenfalls nicht irre weit aufsteigen. Und wir haben natürlich so ein bisschen den soziopathischen Persönlichkeitsstil, der aber nach unserer Erfahrung gar nicht so viel Prozent ausmacht, wie er manchmal in der Presse zu lesen ist.
    Böddeker: Und mit welchem von diesen beschriebenen Persönlichkeitsstilen gibt es die meisten Schwierigkeiten?
    Collatz: Es kann mit jedem Persönlichkeitsstil Schwierigkeiten geben, das hängt davon ab, welche Stärke dieser Persönlichkeitsstil hat. Der kann ganz leicht ausgeprägt sein, dann haben Sie so kleine Attitüden, kleine Aspekte, die den Menschen zum Menschen machen, auch zum Teil angenehm. Jeder Persönlichkeitsstil hat Ressourcen, jeder Persönlichkeitsstil hat sogenannte Kosten, wie wir das nennen. Das hat nichts mit materiellen Kosten, sondern mit immateriellen Kosten zu tun. Sie finden unter den Führungskräften sehr, sehr viele Narzissten. Und wenn der sehr stark ausgeprägt ist, dann kann das zu massiven Schwierigkeiten kommen, aber auch bei den anderen Stilen, wenn die stark ausgeprägt sind, weil dann die Ecken und Kanten sehr stark und prägnant zutage treten.
    Narzissten brauchen viel Anerkennung
    Böddeker: Dann lassen Sie uns kurz beim Narzissten bleiben, wenn der relativ häufig vorkommt! Wie könnte man jetzt den Umgang mit so jemandem verbessern?
    Collatz: Also, wir beschreiben in dem Buch zwei Seiten der Verbesserung. Und zwar einmal, dass die Person sich über ihren eigenen Stil bewusst wird und guckt, was sie daran tun kann. Auch eine Führungskraft, von der kann man auch erwarten, dass sie an sich arbeitet, um die Zusammenarbeit zu erleichtern. Was der Mitarbeiter oder der Kollege oder auch der Vorgesetzte – letztendlich ist das egal, wer es ist – sehr hilft bei Narzissten ist loben. Es geht dabei darum, dass der Narzisst irgendwann ein sogenanntes depriviertes Anerkennungsmotiv entwickelt hat, das heißt, der hat ein Gefühl von "Ich bin nicht gut genug, ich reiche nicht aus". Depriviert heißt nicht befriedigt letztendlich. Und der braucht ganz viel Anerkennung für seine Leistung. Auch ein Stückchen für seine Person, aber ganz viel für seine Leistung. Sie kennen eventuell die Werbung von einem Finanzdienstleister, da ist das "Mein Haus, meine Autos, meine Pferde".
    Böddeker: Ja.
    Collatz: Das ist ein typischer Narzisst, ein erfolgreicher Narzisst. Der schmückt sich gern mit Statussymbolen. Das geht eben zum Teil auch – dieser Narzissmus – auf Kosten der anderen, weil er selbst sehr im Rampenlicht stehen will und andere nicht unbedingt im Rampenlicht stehen lassen will. Der nimmt auch gern mal die Leistungen von anderen für sich. Also, die Mitarbeiter bereiten Sachen vor, er präsentiert das und sagt so ungefähr, ich habe das gemacht. Was natürlich Mitarbeiter ärgern wird.
    Böddeker: Das heißt, in dem Fall würden Sie zum Loben raten. Aber könnte man das Ganze nicht auch einfach versuchen zu ignorieren und darüber hinwegzugehen?
    Collatz: Ja, das geht bis zu einem gewissen Grade. Wenn das alles leicht ist und einfach und nicht so stark ausgeprägt ist, geht das alles. Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, wie es so schön heißt. Das heißt, alleine, dass ich erkenne, welchen Persönlichkeitsstil mein Gegenüber hat, umso leichter kann ich damit umgehen und kann es von mir weghalten. Besonders, wenn es einen selbst triggert.
    Böddeker: Haben Sie vielleicht noch andere Tipps zum Umgang mit schwierigen Chefs?
    Collatz: Das Erste ist natürlich verstehen. Also darauf eingehen, was braucht derjenige. Beim Zwanghaften zum Beispiel sollten Sie keine Regeln diskutieren. Also, ein zwanghafter Persönlichkeitsstil ist jemand, der ganz viel Regeln braucht, und dann brauchen Sie die gar nicht zu diskutieren. Sie können die machen oder Sie können die auch lassen, Sie müssen sie nicht unbedingt bedienen. Was auch sehr wichtig ist, ist in der Kommunikation Strategien, dass man sanft und klar Grenzen setzt. Das gilt für sämtliche Stile. Je stärker ein Stil ausgeprägt ist, desto eher ist der grenzüberschreitend. Und dann zu kommunizieren, ohne die Autonomie des Gegenübers zu vernachlässigen, zu sagen, ja, ich sehe das sehr ähnlich wie Sie und man könnte aber gleichzeitig oder wir sollten doch den und den Aspekt dabei in Betracht ziehen ... Das heißt, nicht direkt jemand in die Schranken weisen, geschweige denn coram publico, das sollten Sie seltenst tun, damit haben Sie sofort Beziehungskredit abgebaut, sondern Ja-Aber-Strategien sind sehr hilfreich. Ja, könnte so sein, aber ... Ja, und gleichzeitig wäre ein anderer Aspekt, der zu bedenken ist ... - Das ist eine sehr sanfte Formulierung.
    Böddeker: ...s agt Annelen Collatz. Sie ist Coach und Psychologin. Mehr dazu kann man auch in ihrem neuen Buch nachlesen: "Spaß an der Arbeit trotz Chef" heißt es.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.