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Umgang mit giftigen Chemikalien in Entwicklungsländern

Die Stoffe kommen oft aus hochentwickelten Ländern und hier bei uns können die Fachleute meist auch damit umgehen - giftige Chemikalien, die bei richtiger Anwendung in Industrie und Landwirtschaft nützliche oder sogar unentbehrliche Dienste leisten. In weniger entwickelten Ländern ist das oft anders: Mit großem Reklameaufwand werden die Segnungen der Chemischen Industrie verkauft, oft an Menschen, die nicht lesen und schreiben können und die keine Ahnung von den Schattenseiten der Chemie haben. Experten aus Industrie, Politik und Umweltverbänden wollen bei einer internationalen Konferenz in Bangkok eine Woche lang darüber diskutieren, wie man Chemikaliensicherheit in armen Ländern populär machen kann.

Ralph Ahrens | 31.10.2003
    Die Probleme sind bekannt: Pestizide in rostenden Fässern gefährden immer noch in vielen Ländern das Grundwasser. Und an vielen Orten gelangen Dioxine weiterhin in bedenklichen Mengen in die Umwelt. Um diese unhaltbare Situation schrittweise zu verbessern, treffen sich seit 1994 alle drei Jahre Fachleute aus aller Welt, dieses Mal – ab morgen – für eine Woche in Bangkok. Die Fachleute können dabei auch auf Erfolge der internationalen Zusammenarbeit zurückblicken. So haben bereits 73 Staaten das "Rotterdam-Übereinkommen" unterzeichnet, das die Auflagen für den Handel mit einigen ganz gefährlichen Stoffe sehr hoch schraubt. Das bedeutet, so Ulrich Schlottmann vom Bundesumweltministerium...:

    ... dass Entwicklungsländer nicht einfach überfallen werden mit Stoffen, die sie gar nicht haben wollen. Sondern sie müssen ausdrücklich zustimmen, dass sie diese Stoffe haben wollen. Und eine zweite große Sache ist ja, die wir auch jetzt wirklich weit gebracht haben, dass wir inzwischen ja richtig zwölf besonders gefährliche Substanzen weltweit wirklich weg haben wollen. Da sitzen wir dran und sind schon gut weit gekommen.

    Aber es gibt Tausende von Chemikalien, die Gefahren bergen. Punktuelle Lösungen können daher nur der Anfang sein, glaubt Matthias Kern von der GTZ, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit. Es muss darum gehen, den Umgang mit allen gefährlichen Stoffen zu verbessern:
    Vielfach sind Chemikalien die Quelle des Problems. Und wenn man das wegdrückt und immer nur symptomatisch arbeitet, indem man mal ein leckgeschlagenes Fass wegräumt, was gerade in den einen Brunnen reinläuft, dann hat man zwar das vordergründige Problem gelöst, aber nicht das Problem, dass in der Nebenstraße 20 andere Fässer wieder rangerollt werden, die da stehen und wenn sie nicht ordentlich und sachgerecht werden, in fünf Jahren auch durchgerostet sind und das gleiche Problem wieder von vorne anfängt.

    Doch es ist eine traurige Tatsache, dass viele Entwicklungsländer wirtschaftliche Probleme haben und dort daher der Schutz von Mensch und Umwelt oft eher eine eher untergeordnete Rolle spielt. Hier ist Aufklärung nötig, so Matthias Kern, und es ist wichtig...:

    ... dass auch die Stellen, die nicht fachlich, oder gerade die, die nicht fachlich mit Chemikalien zu tun haben in Entwicklungsländern, den Stellenwert erkennen und sagen, 'wenn es ein Problem ist, dann werden wir uns mit diesem Problem auch beschäftigen’. Und dann muss es auf der Agenda auch entsprechend hoch angesetzt werden, weil sich daraus wiederum positive Effekte wiederum auch für andere Bereiche ergeben: Gesundheitsschutz der Bevölkerung, sauberes Trinkwasser und so weiter.

    Die Chemieexperten wollen das trockene Thema "sichere Chemie” auch an die Öffentlichkeit bringen – sogar auf ungewöhnliche Weise. So feiert morgen in Bangkok der erste Chemical Safety Rap Premiere. Dieser Rap über sichere Chemie soll junge Menschen neugierig machen und sie auch ermutigen, sich aktiv für eine sicherere Welt einzusetzen. Der wird dazu aber nicht reichen. Carl Djerassi, der Erfinder der Anti-Baby-Pille, wird morgen daher einen weiteren Weg aufzeigen:
    Um das zu lösen, dieses Problem, möchte ich auch vorschlagen, dass wir junge Leute – ich meine junge, ich spreche nicht von Kindern –, ich spreche von jungen Leuten, die schon ausgebildet sind, sagen wir in den 20er Jahren, die sagen wir mal, Chemie studiert haben in den reichen Ländern, sich an solchen Problemen interessieren. In unseren Unterrichten, in unseren Eliteuniversitäten in Amerika zum Beispiel, wo ich herkomme, aber es ist auch der Fall hier, unterrichten wir diese Probleme gar nicht.

    Ulrich Schlottmann aus dem Bundesumweltministerium unterstützt diese Idee, junge Menschen aus Deutschland und anderen Industriestaaten zu ermuntern, in Entwicklungsländern Verantwortung zu übernehmen. Denn ...:

    ... das ist ja schließlich deren Zukunft: Die müssen mit gestalten, dass wir mit Chemie umgehen können und mit Chemie umgehen verantwortungsvoll und möglichst natürlich mit wenig Schäden für die Umwelt und die Gesundheit.