Wenn Erich Rutemöller sein Apartment im vierten Stock eines Hochhause im Norden Teherans verlässt, bleibt auch sein Nachname zurück. Denn der iranischen Hauptstadt heißt der Fußballtrainer nicht mehr Rutemöller, wie man ihn aus der Bundesliga vom 1. FC Köln, Hansa Rostock oder von der deutschen Nationalmannschaft kennen. Nein, auf den Straßen Teherans hupen die Autos, im Minutentakt drehen sich die Menschen nach ihm um und rufen einfach nur - "Mr. Möller":
"Die lernen meinen Nachnamen nicht. Ich erwarte eigentlich, dass sie es richtig machen, aber es ist wohl für die einfacher Möller zu sagen oder Eric."
Seit Anfang des Jahres arbeitet Rutemöller im Iran: Erst als Berater des ehemaligen Bundesligaspielers Ali Dai, als dieser die Nationalmannschaft trainierte. Dann, nach dessen Rausschmiss im Zuge der verpassten WM-Qualifikation, übte Rutemöller das Amt selbst aus. Interimsweise, für einige Wochen. Schließlich übernahm er den Posten des Sportdirektors beim FC Estheghlal Teheran. Dem FC Bayern Münchens des iranischen Fußballs. Während Rutemöller vorher pendelte, zog er im Sommer dauerhaft nach Teheran:
"Wir haben hier ein sehr angenehmes Wohnviertel. Das Haus in dem wir wohnen hat guten Standard. Wir sind hier bestens betreut."
Wir, das sind Rutemöller und sein deutscher Co-Trainer Rainer Kraft. Denn anders als in Deutschland, greift Rutemöller als Sportdirektor bei Estheghlal aktiv in die Trainingsarbeit ein, leitet bisweilen die Übungseinheiten. Kraft, der vorher Co-Trainer bei den Stuttgarter Kickers war, wusste nicht, was ihn erwartet, zeigt sich aber nun beeindruckt von dem Land:
"Es ist absolut vergleichbar mit Westeuropäischen Maßstäben. Es gibt hier jegliches Produkt zu kaufen, das man sich vorstellen kann. Das Land ist hoch entwickelt, hoch technologisiert."
Bekannte Namen wie Rainer Zobel, Werner Lorant oder auch Pierre Littbarski waren bereits in der "Iranian Pro League" tätig. Alle berichten von einer grenzlosen Euphorie. Kraft:
"Man bekommt das auch hautnah mit von den Fans, die bei oder nach dem Training da stehen. Engen Kontakt zu den Spielern suchen, Fotos machen."
Der Sport hat in einem Land, in dem es wenige Ausgehvergnügen gibt, eine besondere Rolle: Dinge wie Alkohol, Bars, oder Discos sind zumindest offiziell verboten. Bis zu 14 Sporttageszeitungen berichten täglich, 100.000 Zuschauer bei einem Länderspiel sind keine Seltenheit. Allerdings befinden sich nur Männer im Publikum - Frauen ist der Zutritt verboten.
Von diesen Größenordnungen kann Michael Schmitz nicht erzählen. Doch auch er - Trainer in der Randsportart Hockey und 2007 für ein Jahr Coach der iranischen Nationalmannschaft - bekam den Rummel hautnah zu spüren:
"Die haben mich auf einen dermaßen Sockel gestellt, dass ich auch erstmal lernen musste, damit umzugehen…"
Über den Deutschen Hockeybund kam damals der Kontakt zustande, das Angebot war finanziell sehr lukrativ, zudem reizte die Herausforderung - und er hatte Erfolg: Schmitz führte eine Mannschaft, die in ihrer Geschichte zuvor noch kein Spiel gewonnen hatte, sensationell zur Goldmedaille bei der Asienmeisterschaften. Es sei vor allem die Mentalität, die anders ist, stellte Schmitz fest:
"Da gibt es nur heute. Und wenn der Tag dann zu Ende ist, dann gibt es ein morgen. Übermorgen gibt es bei denen nicht. Das ist alles nicht organisiert. Das ist nur Improvisation."
Damit konnte der Trainer Schmitz umgehen. Schwieriger dagegen hatte es der Mensch Schmitz: Auf der einen Seite von Massen umjubelt, auf der anderen Seite in Lehrgangspausen tagelang alleine:
"Ich war ja beide Seiten nicht gewohnt: Ich kannte es ja nicht, auf einen Sockel gestellt zu werden, und ich kannte es auch nicht, mit keinem zu reden. Also, das war die Schwierigkeit. Und die hat mich auch menschlich total verändert."
Komplett fremd zu sein in der Gesellschaft: Eine Erfahrung, die auch Rutemöller und Kraft machen. Zwar sind sie gemeinsam dort, wohnen in einem Haus. Doch immer wieder werden Fernsehen und Internet gestört. Sie sind umgeben von einer Sprache, die sie nicht sprechen. Und das alles vor einem politischen Hintergrund, der momentan die ganze Welt in Atem hält. Politik, ein Thema, aus dem sich die beiden Trainer raushalten, Rutemöller:
"Wir sind hier als Trainer hingekommen, als Fußballer."
Dennoch sind die dunkle Seiten des Regimes ständig präsent: Auf dem Weg zum Training fahren sie täglich am Evin-Gefängnis vorbei. Dort stehen die Mütter und warten auf ihre inhaftierten Kinder. Im Training erinnert ein Spieler an die ungewöhnlichen Bedingungen: Weil er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte, wurde er für die komplette Hinrunde gesperrt.
Dass sich Sport und Politik nicht einfach von einander trennen lassen, beweist auch Hockeytrainer Schmitz: Zu seinen Spielern, die ihm über das Jahr sehr ans Herz gewachsen sind, hielt er über E-Mails Kontakt. Doch seit den Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen wartet er auf ein Lebenszeichen:
"Ich möchte einfach nur eine Sache wissen: Ich möchte wissen, ob einer meiner Spieler oder Trainer, mit in diesen Unruhen verwickelt waren. Und ob die auch inhaftiert sind oder nicht..."
Bis Mai nächsten Jahres stehen Rutemöller und Kraft im Iran noch unter Vertrag. Für die Weihnachtstage kommen sie nach Deutschland. Sie freuen sich auf ihre Familien und ein stückweit Normalität. Dass aus "Mr. Möller" dann auch wieder Rutemöller wird, ist dabei noch die kleinste Freude.
"Die lernen meinen Nachnamen nicht. Ich erwarte eigentlich, dass sie es richtig machen, aber es ist wohl für die einfacher Möller zu sagen oder Eric."
Seit Anfang des Jahres arbeitet Rutemöller im Iran: Erst als Berater des ehemaligen Bundesligaspielers Ali Dai, als dieser die Nationalmannschaft trainierte. Dann, nach dessen Rausschmiss im Zuge der verpassten WM-Qualifikation, übte Rutemöller das Amt selbst aus. Interimsweise, für einige Wochen. Schließlich übernahm er den Posten des Sportdirektors beim FC Estheghlal Teheran. Dem FC Bayern Münchens des iranischen Fußballs. Während Rutemöller vorher pendelte, zog er im Sommer dauerhaft nach Teheran:
"Wir haben hier ein sehr angenehmes Wohnviertel. Das Haus in dem wir wohnen hat guten Standard. Wir sind hier bestens betreut."
Wir, das sind Rutemöller und sein deutscher Co-Trainer Rainer Kraft. Denn anders als in Deutschland, greift Rutemöller als Sportdirektor bei Estheghlal aktiv in die Trainingsarbeit ein, leitet bisweilen die Übungseinheiten. Kraft, der vorher Co-Trainer bei den Stuttgarter Kickers war, wusste nicht, was ihn erwartet, zeigt sich aber nun beeindruckt von dem Land:
"Es ist absolut vergleichbar mit Westeuropäischen Maßstäben. Es gibt hier jegliches Produkt zu kaufen, das man sich vorstellen kann. Das Land ist hoch entwickelt, hoch technologisiert."
Bekannte Namen wie Rainer Zobel, Werner Lorant oder auch Pierre Littbarski waren bereits in der "Iranian Pro League" tätig. Alle berichten von einer grenzlosen Euphorie. Kraft:
"Man bekommt das auch hautnah mit von den Fans, die bei oder nach dem Training da stehen. Engen Kontakt zu den Spielern suchen, Fotos machen."
Der Sport hat in einem Land, in dem es wenige Ausgehvergnügen gibt, eine besondere Rolle: Dinge wie Alkohol, Bars, oder Discos sind zumindest offiziell verboten. Bis zu 14 Sporttageszeitungen berichten täglich, 100.000 Zuschauer bei einem Länderspiel sind keine Seltenheit. Allerdings befinden sich nur Männer im Publikum - Frauen ist der Zutritt verboten.
Von diesen Größenordnungen kann Michael Schmitz nicht erzählen. Doch auch er - Trainer in der Randsportart Hockey und 2007 für ein Jahr Coach der iranischen Nationalmannschaft - bekam den Rummel hautnah zu spüren:
"Die haben mich auf einen dermaßen Sockel gestellt, dass ich auch erstmal lernen musste, damit umzugehen…"
Über den Deutschen Hockeybund kam damals der Kontakt zustande, das Angebot war finanziell sehr lukrativ, zudem reizte die Herausforderung - und er hatte Erfolg: Schmitz führte eine Mannschaft, die in ihrer Geschichte zuvor noch kein Spiel gewonnen hatte, sensationell zur Goldmedaille bei der Asienmeisterschaften. Es sei vor allem die Mentalität, die anders ist, stellte Schmitz fest:
"Da gibt es nur heute. Und wenn der Tag dann zu Ende ist, dann gibt es ein morgen. Übermorgen gibt es bei denen nicht. Das ist alles nicht organisiert. Das ist nur Improvisation."
Damit konnte der Trainer Schmitz umgehen. Schwieriger dagegen hatte es der Mensch Schmitz: Auf der einen Seite von Massen umjubelt, auf der anderen Seite in Lehrgangspausen tagelang alleine:
"Ich war ja beide Seiten nicht gewohnt: Ich kannte es ja nicht, auf einen Sockel gestellt zu werden, und ich kannte es auch nicht, mit keinem zu reden. Also, das war die Schwierigkeit. Und die hat mich auch menschlich total verändert."
Komplett fremd zu sein in der Gesellschaft: Eine Erfahrung, die auch Rutemöller und Kraft machen. Zwar sind sie gemeinsam dort, wohnen in einem Haus. Doch immer wieder werden Fernsehen und Internet gestört. Sie sind umgeben von einer Sprache, die sie nicht sprechen. Und das alles vor einem politischen Hintergrund, der momentan die ganze Welt in Atem hält. Politik, ein Thema, aus dem sich die beiden Trainer raushalten, Rutemöller:
"Wir sind hier als Trainer hingekommen, als Fußballer."
Dennoch sind die dunkle Seiten des Regimes ständig präsent: Auf dem Weg zum Training fahren sie täglich am Evin-Gefängnis vorbei. Dort stehen die Mütter und warten auf ihre inhaftierten Kinder. Im Training erinnert ein Spieler an die ungewöhnlichen Bedingungen: Weil er ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau hatte, wurde er für die komplette Hinrunde gesperrt.
Dass sich Sport und Politik nicht einfach von einander trennen lassen, beweist auch Hockeytrainer Schmitz: Zu seinen Spielern, die ihm über das Jahr sehr ans Herz gewachsen sind, hielt er über E-Mails Kontakt. Doch seit den Unruhen nach den umstrittenen Präsidentschaftswahlen wartet er auf ein Lebenszeichen:
"Ich möchte einfach nur eine Sache wissen: Ich möchte wissen, ob einer meiner Spieler oder Trainer, mit in diesen Unruhen verwickelt waren. Und ob die auch inhaftiert sind oder nicht..."
Bis Mai nächsten Jahres stehen Rutemöller und Kraft im Iran noch unter Vertrag. Für die Weihnachtstage kommen sie nach Deutschland. Sie freuen sich auf ihre Familien und ein stückweit Normalität. Dass aus "Mr. Möller" dann auch wieder Rutemöller wird, ist dabei noch die kleinste Freude.