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Umleitung mit Folgen

Während Staaten in aller Welt mit mehr oder weniger hilflosen Gesetzen versuchen, ihre Bürger vor der E-Mail-Flut zu retten, tritt der mächtige Internet-Verwalter Verisign ganz anders auf. Das US-Unternehmen besitzt quasi die Lufthoheit für Internet-Namen und Email-Adressen der Domänen ''.com'' und ''.net''. Seit kurzem werden eigentlich unerreichbare Web- und Mailadressen aber nicht mehr als Falscheingaben zurück gewiesen, sondern stattdessen auf Server von Verisign umgeleitet. Doch mit dieser vermeintlichen Werbeaktion werden auch technische Anti-Spam-Maßnahmen unterlaufen - zum Ärger der Internet-Gemeinde.

Pia Grund-Ludwig |
    Ein Benutzer vertippt sich bei einer Mail-Adresse? Bislang war das kein großes Problem, denn die falsch adressierte Post kam einfach zurück an den Absender mit dem Verweis Empfänger unbekannt. Buchstabendreher in einer Netzadresse beim Surfen? Nicht weiter schlimm, der Browser liefert den Hinweis, dass die Seite nicht existiert. Seit zwei Wochen ist das bei Adressen mit den Endungen .com und .net anders. Für deren Verwaltung ist der Quasi-Monopolist Versign zuständig. Fehladressierte Post wandert auf einen Verisign-Server und wird von dort zurückgeschickt - allerdings, so Kritiker, mit deutlicher Verspätung. Das ist schon ärgerlich genug. Doch außerdem sind jetzt Aktionen gegen unerwünschte elektronische Post schwieriger, so genannten Spam, denn eine der Methoden, mit denen Spam-Filter arbeiten, ist die Kontrolle der Absenderadresse. Die Filter schicken einfach eine kurze Anfrage an den vermeintlichen Absender. Bislang erhalten sie bei Spam meist keine Antwort, da Spam-Versender ihre Adressen schnell ändern. Nun bekommen sie aber eine Reaktion von Verisigns Mail-Rechnern. Und dann gehen sie natürlich davon aus, dass die die Absenderadresse noch existiert. Verisign nutzt dabei die Herrschaft über die Verwaltung der .com- und net-Domains hat und hat ohne Absprache mit anderen Beteiligten wie Internet-Providern oder Domain-Verkäufern die Abfrageroutine der zentralen Namensrechner verändert. Das stört viele aus der Internet-Gemeinde, die auf Kooperation aller Beteiligten bestehen. So auch Eric Schätzlein von Schlund und Partner, einem deutschen Unternehmen, das Domains verkauft. Er warnt vor dem möglichen Zugriff auf fremde Daten durch Verisign:

    Die Tatsache, dass die Mail auf dem Verisign-Server gelagert werden, stellt natürlich ein Datenschutzproblem dar, genauso wie Web- Anfragen, die zum Beispiel ein Passwort in der URL enthalten, sie werden in einer Datenbank auf dem Verisign-Server gespeichert, auch das ist eine erhebliches Datenschutzproblem.

    Der Versuch, Adressen mit Tippfehlern auf die eigene Seite umzuleiten, ist nichts besonderes, auch andere große Internet-Companies wie AOL oder Microsoft praktizieren das bereits. Die Aktion von Verisign hat aber trotzdem eine neue Qualität, denn wem das Vorgehen von Microsoft oder AOL nicht passt, der verwendet eben einen anderen Internet-Zugang. An Verisign führt bei .com- und .net-Adressen im Moment aber kein Weg vorbei, so Schätzlein:

    Grundsätzlich sind solche existierenden Services immer auf einer gewissen Freiwilligkeit basierend, das heißt, Benutzer können zum Beispiel einen anderen Browser verwenden und dadurch diese Suchanfragen umgehen. Verisign als zentrale Registrierung hat diese Umstellung so gestaltet, dass keiner ihr entkommen kann, auf zentraler Basis in den Root Name Servern und durch die Ausnutzung des Quasi-Monopols von Verisign diesen Dienst jedem Benutzer aufgezwungen.

    Die Provider, denen dieses Vorgehen nicht passt, können reagieren und beispielsweise die IP-Adressen, auf die Verisign die Anfragen umleitet, in ihren Domain Name Servern sperren. Diese Einzellösungen führen aber dazu, dass Internet-Nutzer unterschiedliche Antworten auf ihre Netzanfragen erhalten, je nachdem, welchen Zugang sie benutzen. Diese Gefahr sieht das Internet Architecture Board, eine für Internet-Technik zuständige Abteilung der Internet Engineering Task Force, IETF. Harald Alvestrand, Chef der IETF und Mitglied des Internet Architecture Board, findet diese Zersplitterung aber weniger gravierend, als eine Umleitung des gesamten Datenverkehrs zu Verisign:

    Die unterschiedlichen Patches bedeuten, dass Antworten, die Sie bei einer Anfragen bekommen, davon abhängen,welchen Name Server Sie benutzen. Das ist nicht gut die Benutzer des Internet. Ich persönlich denke, dass das aber weniger schlecht ist, als mit Verisign-Servern zu kommunizieren, wenn man dies eigentlich nicht tun will. Dazu gibt es aber unterschiedliche Meinungen.

    Die Netzbehörde ICANN könnte Verisign die Umleitung untersagen. Bislang hält sich ICANN aber zurück und hat Verisign lediglich gebeten, den Service freiwillig einzustellen. Widerstand könnte auch von Konkurrenten kommen. Bislang hat aber nur ein kleineres Unternehmen, das ebenfalls Domains umleitet, mit einer Klage gedroht. Die großen wie Yahoo, AOL oder Microsoft halten sich zurück, obwohl sie Grund genug hätten, gegen Verisign vorzugehen. Alvestrand:

    Microsoft hätte sicherlich Gründe, zu sagen, dass sein Geschäft durch diese Aktionen Schaden nimmt. Aber ich weiß, dass Verisign in Kontakt zu Microsoft steht, und bislang hat Microsoft nicht reagiert.

    Microsofts Schweigen könnte Methode haben. Wenn nämlich Verisign seinen Service betreiben darf, kann sich erst recht niemand gegen Microsofts Umleitung von Namensanfragen zur Wehr setzen.