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Umsonst, aber hart erkämpft

Sie sind hochqualifiziert, hochspezialisiert, hochmotiviert - und ohne Job: arbeitslose Akademiker. Häufig fällt das Wort "Überqualifizierung", wenn die Rede von ihnen ist. Und doch: Auch Akademiker müssen Weiterbildungen absolvieren, um ihre Berufschancen zu erhöhen. Und viele Studierte wollen auch dazu lernen - zumal die Arbeitsagentur dies bezahlt. Doch nicht jeder kommt in den Genuss einer kostenlosen Qualifizierung.

Von Jens P. Rosbach | 07.10.2004
    Ich sehe mich nicht als die klassische Vertreterin, die Türklinken putzt, also ich sehe mich selbst als kompetente Ansprechpartnerin der Ärzte.

    Silke Wulff hat Agrochemie studiert, gejobbt und wurde dann arbeitslos. Grund für die 41jährige, nun eine siebenmonatige Weiterbildung zur Pharma-Vertreterin zu machen. Pharma-Vertreter bzw. Pharma-Referenten verkaufen Arzneien an Apotheker und Mediziner.

    Na ich bin erst mal zum Arbeitsamt hingegangen, hab mich arbeitslos gemeldet und hab sofort gesagt: Also in 14 Tagen beginnt hier in Berlin hier eine Fortbildung zur Pharmareferentin: Das möchte ich machen. Dann wurde ich angeschaut: Also so einfach geht da ja nicht!

    Der Haken an der Sache: Die Arbeitsagentur übernimmt nur dann die Kosten einer Weiterbildung, wenn der Antragsteller durch die Schulung höchstwahrscheinlich einen festen Job bekommt. Das heißt zuerst einmal: Der Bewerber muss den Arbeitsberater überzeugen, dass genau dieser oder jener Kurs wichtig ist für genau diese oder jene Bewerbung. Und auch, dass er oder sie bereit ist, fleißig zu lernen.

    Naja, ich hatte dann letztendlich auch gesagt, mir ist das unterm Strich egal, ich möchte diese Ausbildung machen und ich finanziere sie mir dann auch selbst. Das hat ihn beeindruckt.

    In Wulffs Fall lenkte die Arbeitsagentur ein - und bezahlte die 4000 Euro für die Pharma-Schulung. Genauer: Die Behörde stellte einen Bildungsgutschein aus, mit dem sich die Jobsuchende selbst einen passenden Kursanbieter suchte. Grundsätzlich gilt: Akademiker bekommen seltener Bildungsschecks als Nicht-Akademiker. Sabine Numroski von der Berliner Arbeitsagentur nennt den Grund.

    Bei den Akademikern liegt die Arbeitslosigkeit zum großen Teil nicht an der fehlenden Qualifikation, sondern halt einfach an den fehlenden Arbeitsplätzen.

    Ergattert ein Akademiker doch einmal einen Bildungsgutschein, dann nur für Spezial-Schulungen - nicht für allgemeine Sprach- oder PC-Kurse.

    Den Akademikern wollen wir möglichst halt eine spezifische Weiterbildung anbieten, weil da ein gutes Allgemeinwissen inklusive PC-Kenntnisse in der Regel vorliegen.

    Für welche Spezialkurse Bildungsgutscheine ausgeteilt werden, hängt von der Marktlage, also von der Zahl der freien Stellen in den einzelnen Branchen ab. Zur Zeit gibt es Gutscheine für Fortbildungen in den Bereichen Maschinenbau, Softwareentwicklung und Netzwerk-Administration, Wirtschafts- und Steuerrecht - sowie Pharmazie.

    Die Bundesagentur für Arbeit fährt einen rigiden Sparkurs. Seit eineinhalb Jahren dürfen nur noch Bildungsträger gefördert werden, die nachweisen können, dass mindestens 70 Prozent ihrer Kunden nach einem Kurs einen Job gefunden haben. Ein Riesen-Problem. Das Seminarzentrum Göttingen etwa, das die Pharma-Weiterbildung in Berlin organisiert, konnte bei der letzen Schulung nur eine Wiedereingliederungsquote von 44 Prozent vorweisen. Projektkoordinator Frank-Rainer Schurich jammert.

    Das hat also dazu geführt, dass die Bundesagentur gesagt hat und auch schon entschieden hat, der nächste Pharmakurs wird nicht kommen. Es ist erledigt, wir gucken uns jetzt den laufenden Kurs an und wenn Sie da denn 60 Prozent erreichen, dann könnten wir vielleicht überlegen, ob der Kurs dann noch mal startet. Ich halte das für ein bisschen bedauerlich, weil an bestimmte objektive Gegebenheiten des Marktes kommen wir jetzt auch nicht ran.

    Silke Wulff hat Glück gehabt. Ihr Kurs läuft noch bis zum Ende weiter. Kostenlos, dank Bildungsgutschein.

    Dankbar bin ich mir selbst. Weil ich hab drum gekämpft. Von daher bin ich nun dem Arbeitsamt nicht dankbar. Das ist eigentlich mein Verdienst.