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Umstrittene Aktiengeschäfte
Fiskus will von Banken und Fonds Milliarden zurück

Wissen Sie, was ein cum-ex-Geschäft ist? Nein? Keine Sorge - das geht wohl den Meisten so. Doch bei dem Geschäft, mit dem sich ab heute der Bundesfinanzhof in München beschäftigt, geht es um Milliarden. Banken und Fonds sollen durch geschicktes Kaufen und Verkaufen von Papieren Milliarden erwirtschaftet haben - zu Unrecht, meinen Steuerbehörden.

Von Michael Watzke | 16.04.2014
    Ansicht der DAX-Kurve auf der Anzeigetafel der Börse
    Banken und Fonds-Gesellschaften war es jahrelang möglich, sich gleich mehrfach Kapital-Ertragssteuer gutschreiben zu lassen, obwohl die Steuer faktisch nur einmal gezahlt wurde. (dpa / Frank Rumpenhorst)
    Was cum-ex-Geschäfte sind, wissen oft nicht mal Menschen, die das große Latinum haben. Dafür wissen es raffinierte Banker und Fonds-Manager umso besser. Bei cum-ex-Deals nutzen sie den Dividenden-Stichtag von Aktien aus. Denn die Wertpapiere sind um diesen Stichtag herum meist unterschiedlich viel wert. Am Tag vor der Hauptversammlung des Aktien-Unternehmens notieren die Wertpapiere cum Dividende, also mit. Sie sind daher teurer.
    Bei der Hauptversammlung wird dann die Dividende beschlossen und ausgeschüttet. Und danach, also ex, notiert die Aktie ohne Dividende, ist also billiger. Beim schnellen Kauf und Verkauf von Wertpapieren um den Stichtag herum war es Banken und Fonds-Gesellschaften jahrelang möglich, sich gleich mehrfach Kapital-Ertragssteuer gutschreiben zu lassen, obwohl die Steuer faktisch nur einmal gezahlt wurde.
    Dies gelang, weil zwischen Verkauf und Kauf niemand so recht wusste, wem die Aktien eigentlich gehörten. Die Steuer-Ersparnis bei diesen cum-ex-Deals lag bisweilen im dreistelligen Millionenbereich, etwa bei der Hypo-Vereinsbank, die besonders viele cum-ex-Geschäfte betrieb. Die Finanzämter verloren Milliardensummen, vor allem, weil die Geschäfte oft im Ausland stattfanden, sagt Prof. Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs in München.
    "Die wirklich großen, international tätigen Unternehmen, die haben große Steuer-Abteilungen, die sich eher damit beschäftigen, Steuern auf ganz legalem Wege zu vermeiden – indem sie gesellschaftsrechtliche Gestaltungen wählen. Indem sie Unternehmens-Standorte im Ausland haben. Indem sie gewisse Funktionen verlagern oder Ähnliches. Das ist für den Staat eine große Herausforderung im internationalen Steuerrecht. Aber solche Gestaltungen sind ja per se nicht strafbar."
    Nicht per se. Aber im Detail möglicherweise doch. Jedenfalls prüft das der Bundesfinanzhof seit heute. Die Richter in München müssen klären, ob es sich bei den cum-ex-Geschäften um eine Regelungslücke im Steuergesetz handelte. Wäre das so, dann hätte der Staat zwar riesige Verluste erlitten, die Unternehmen hätten aber legal gehandelt. Gab es jedoch keine Gesetzeslücke, war das ganze Steuerhinterziehung in gewaltigem Ausmaß.
    Viele Staatsanwaltschaften in Deutschland sind genau dieser Meinung und ermitteln, etwa gegen die Hypo-Vereinsbank. Deshalb wird der Ausgang des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof mit großer Spannung erwartet. Allerdings findet es unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, weil einer der Verfahrensbeteiligten dies beantragt hat. Das ist zwar ungewöhnlich, aber aufgrund des Steuergeheimnisses zulässig. Deshalb sind auch die Verfahrensbeteiligten anonym. Dem Vernehmen nach zählt eine Gesellschaft dazu, hinter der Anleger stehen und die ein Depot zur Abwicklung führte. Außerdem soll ein Finanzamt aus Norddeutschland und der Bund involviert sein.