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Umstrittene Algen-Düngung

Umwelt. - Meeresalgen sind ein wichtiger Speicher für Kohlenstoff und damit auch für Kohlendioxid. Wissenschaftler kamen daher auf die Idee, mit Eisendüngung das Algenwachstum zu fördern und damit die Kohlendioxid-Aufnahme zu steigern. Im Fachblatt "Science" reagieren Meeresforscher auf dieses Vorhaben.

Von Volker Mrasek | 14.01.2008
    Die Meeresforscher verdammen die Eisendüngung des Ozeans nicht etwa in Bausch und Bogen. Sie akzeptieren, dass man sich mit ihr beschäftigt, obwohl dieser Ansatz als technokratisch gilt. Doch nach dem Urteil der Wissenschaftler ist das Konzept im Moment noch unausgegoren:

    "Es wäre voreilig, die Düngung des Meeres als geeignete Klimaschutz-Strategie zu betrachten, mit der man der Atmosphäre dauerhaft Kohlendioxid entziehen kann. Im Moment sind die Unsicherheiten noch zu groß und wir wissen nicht, ob das wirklich der richtige Weg ist."

    Richard Lampitt forscht im britischen Ozeanographie-Zentrum an der Universität Southampton. Und er gehört zu den insgesamt 14 Experten, die jetzt davor warnen, die Dinge zu überstürzen:

    "Die Algen müssen ja nicht nur das Kohlendioxid aufnehmen. Wenn sie absterben, müssen sie auch bis in die Tiefsee absinken, damit das Kohlendioxid nicht wieder freigesetzt wird. Wenn es nur 80 bis 100 Meter sind, nutzt das wenig. Dann kommt der Winter, Stürme mischen das Meer kräftig durch, die Algen gelangen wieder an die Wasseroberfläche und das Kohlendioxid dann auch wieder in die Atmosphäre."

    Ob das abgestorbene Plankton wirklich tief genug absinkt, wisse man heute noch gar nicht, sagt der Brite. Trotz verschiedener Dünge-Experimente auf See, die es bereits gab. Gleichwohl wird die marine Eisenzufuhr neuerdings von einigen als wirkungsvolle Klimaschutz-Strategie angepriesen. Darauf reagieren die Wissenschaftler jetzt und warnen vor voreiligen Schlüssen. Der Meeresforscher Scott Doney vom Ozeanographischen Institut in Woods Hole in den USA:

    "Ich weiß von zwei Firmen, die die Eisen-Düngung als geeignete Maßnahme propagieren, um Kohlendioxid zu entschärfen. Sie haben ihre genauen Pläne noch nicht offengelegt. Aber es heißt, dass sie eigene Freilandversuche vorbereiten. Bei den wissenschaftlichen Experimenten ging es um sehr kleine Flächen von zehn mal zehn Kilometern und eine Tonne Eisen, die ausgebracht wurde. Bei den kommerziellen Tests sollen es 100 mal 100 Kilometer sein. Da bräuchte man dann wohl entsprechend 100 Tonnen Eisen."

    Bis 2012 sind alle Industriestaaten, von den USA abgesehen, dem Kyoto-Klimaschutzprotokoll verpflichtet. Sein Ziel ist es, die Treibhausgas-Emissionen zu drosseln. Und dafür gibt es verschiedene, anerkannte Wege ...

    "Der Kyoto-Vertrag kennt aber keine Reduktionsmaßnahmen auf See. Das schließt die Meeresdüngung mit ein. Aber wenn die Vereinbarung ausläuft, wird es neue Regeln geben und der Maßnahmenkatalog sicherlich erweitert werden. Ohne Frage könnte dann auch so etwas wie die Eisenzufuhr ins Spiel gebracht werden."

    Doney und die anderen Meeresforscher sehen das im Moment mit Sorge. Nicht nur, weil noch gar nicht erwiesen ist, dass die Kohlenstoff-Pumpe auf See mit Eisen-Ergänzung besser läuft. Sondern auch noch aus anderen Gründen:

    "Wenn man dem Ozean Eisen zuführt, verändert man das marine Ökosystem. Das kann zum Guten sein, aber auch zum Schlechten. Vorstellbar ist etwa, dass Fischbestände davon profitieren, wenn mehr Nahrung in Form von Plankton vorhanden ist. Andererseits gibt es im Meer auch Bakterien, die Biomasse zersetzen. In unseren Experimenten zeigte sich, dass dabei Methan und Lachgas entstehen können – Treibhausgase, die sogar noch schädlicher sind als Kohlendioxid."

    Bevor man zu einem abschließenden Urteil über die Eisendüngung kommen könne, müsse das alles noch genauer abgeklopft werden, so die Forscher. Weitere wissenschaftliche Freilandexperimente seien in jedem Fall nötig – um zu klären, ob die Eisenzufuhr dem Klima tatsächlich nutzt und der Umwelt dabei nicht schadet.