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Umstrittene Entscheidung

In den kommenden zehn Jahren werden bis zu 14.000 neue Lehrer in Sachsen gebraucht. Ausbilden darf aber nach Willen der schwarz-gelben Landesregierung nur noch die Uni Leipzig. Dort soll die Masterausbildung der Grund- und Mittelschullehrer konzentriert werden - die TU Dresden geht dagegen leer aus.

Von Thomas Matsche |
    In den sächsischen Zeitungen sah es so aus wie Erpressung oder Trotz. Die TU Dresden werde künftig keine Bachelorstudierenden mehr für die Grund- und Mittelschule immatrikulieren. So wird Rektor Hermann Kokenge zitiert. Der Hintergrund: Die Masterausbildung der Grund- und Mittelschullehrer soll in Leipzig konzentriert werden, was 2003 in der sächsischen Hochschulvereinbarung vereinbart wurde. Doch angesichts steigender Geburtenraten und mehr Lehrer, die in den kommenden Jahren ausscheiden werden, ist die TU Dresden von der ehemaligen Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange aufgefordert worden, zwei Masterstudiengänge zu entwickeln. Und dafür gibt es gute Gründe: in den kommenden zehn Jahren werden bis zu 14.000 neue Lehrer gebraucht. Thomas Matsche aus Dresden.
    Zu Beginn des Interviewtermins stellt Karl Lenz, Prorektor für Bildung der TU Dresden, erst einmal klar: Auch in Zukunft werden Bachelorstudierende für die Grund- und Mittelschule an der TU Dresden immatrikuliert. Was in den Zeitungen diesbezüglich behauptet werde, sei falsch. Es sei aber in der Tat richtig, dass es bei der Ausbildung neuer Lehrer ein gravierendes Problem gebe. Ein Problem, für das die TU Dresden allerdings nicht verantwortlich sei, sondern das zuständige Ministerium. Denn trotz eines zu erwartenden Lehrermangels in Sachsen, in zwei bis drei Jahren, darf die TU Dresden künftig keinen Grund- und Mittelschulmaster anbieten. Die neue schwarz-gelbe Regierungskoalition hat es verboten. Für Karl Lenz unfassbar. Denn die vorherige Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange hatte die Technische Universität geradezu gedrängt, diese Masterstudiengänge in Dresden zu entwickeln.

    "Aus diesem Grund sind wir natürlich überrascht von dieser Entscheidung. Aber natürlich diese Frage ist eine, wo der Hochschule dann also die Hände gebunden sind. Also wir können jetzt nur die schon weit fortgeschrittenen Planungen einfach stoppen und sagen: Wir bilden nicht für Grund- und Mittelschule in der Masterphase aus, sondern eben nur für das Gymnasium."

    Doch für das Gymnasium werden die wenigsten Lehrer gebraucht. Die Grund- und Mittelschule wird ab 2013 viel höheren Personalbedarf haben. Laut einer GEW-Studie müssen bis 2020 gerade hier jährlich bis zu 1500 Lehrerstellen vor allem in den Grundschulen neu besetzt werden. Deshalb wollte die TU Dresden mehr Bachelorstudierende pro Semester zulassen und diese in den dann neuen Masterstudiengängen ausbilden. Doch das Land lehnte ab. Der Grund ist Geld. Wörtlich heißt es in einem Gesprächsprotokoll des Wissenschaftsministeriums mit der TU Dresden: Die "nicht üppigen Mittel" werden nach Leipzig gehen. Allerdings dort nicht für feste Planstellen, sondern nur für befristete Lehraufträge. Karl Lenz bezweifelt, dass Leipzig allein ausreichend Lehrer für Sachsen ausbilden kann. Diese Befürchtung teilt man im Kultusministerium nicht. Vielmehr müsse man in die Qualität der Lehre investieren, entgegnet Sachsens Kultusminister Dr. Roland Wöller:

    "Man muss sich auch Fragen stellen: Und das höre ich auch aus den Hochschulen, dass mitunter Inhalte gelehrt werden, die so nicht in der Schulpraxis erforderlich sind. Wir haben hohe Abbruchquoten in der Grundschullehrerausbildung und insofern müssen wir uns fragen: Wie wollen wir das konzeptionell umstellen? Das erst muss diskutiert werden und am Ende kann auch die Standortfrage entschieden werden."

    Doch die Standortfrage ist klar: Die Uni Leipzig muss ab 2013 über 1000 Masterstudierende pro Jahr aufnehmen, um dem Lehrerbedarf gerecht zu werden. Auch Dr. Rainer Riedel, Professor für Schulpädagogik an der TU Dresden und Vorstandsmitglied der Lehrergewerkschaft Sachsens, hält das für illusorisch. Er befürchtet, dass die Aufteilung auf zwei Standorte dazu führen könnte, dass sich künftige Studierende gegen Sachsen entscheiden. Denn damit kommen einige Probleme auf die Studierenden zu.

    "Zum Beispiel wenn Sie an die Praktika denken, ist der Weg von Leipzig nach Zittau oder Görlitz erheblich kostenintensiver als wenn wir den von Dresden aus organisieren. Die Studierenden müssten teilweise umziehen. Sie müssten sich neue Arbeitsstellen suchen und einige haben Familie, die müssten also Kinderbetreuungsplätze haben. Unter dem Strich würde die Betreuungsrelation sich verschlechtern."

    Das sieht auch die Mehrzahl der Studierenden an der TU Dresden so. 7000 Unterschriften sind gegen die Verlagerung der Masterausbildung von Grund- und Mittelschule nach Leipzig gesammelt worden. Für die Misere macht Burkhard Naumann, Lehramtstudierender an der TU Dresden einzig die Ministerien verantwortlich:

    "Den Schwarzen Peter würde ich der Regierung zuschieben, auch wenn es sehr einfach klingt. Aber es ist wirklich so, dass es sich in den letzten Jahren sehr stark gezeigt hat, dass keine Kontinuität da ist. Dass Pläne, die in der vorherigen Regierung angeschoben wurden, nicht weitergeführt werden, sondern komplett in eine andere Richtung gegangen wird."

    Selbst die Universität Leipzig hält die jetzige Regelung für falsch. Man glaube nicht, dass der prognostizierte Bedarf allein an einem Standort ausgebildet werden könne. Was für Dresden und damit für zwei Standorte spricht. Sonst könnte der Verlierer Sachsen heißen. Dann nämlich, wenn sich sächsische Abiturienten künftig in anderen Bundesländern zu Lehrern ausbilden lassen.