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Umstrittene Justizreform
EU-Kommission setzt Polen Frist für Änderungen

Brüssel treibt das Verfahren zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit in Polen weiter voran. Die EU-Kommission gibt der Regierung drei Monate Zeit, die umstrittene Justizreform zu ändern – und droht anderenfalls mit Sanktionen.

27.07.2016
    Man sieht die Fassade des polnischen Verfassungstribunals.
    Das polnische Verfassungstribunal (dpa/ picture-alliance/ Rafal Guz)
    Die EU-Kommission wirft der polnischen Regierung insbesondere vor, die Arbeit des Verfassungsgerichts behindert zu haben. So habe Warschau rechtswidrig die Ernennung mehrere Verfassungsrichter rückgängig gemacht, die Unabhängigkeit des Gerichts eingeschränkt und Beschlüsse missachtet.
    Trotz des seit Jahresbeginn laufenden Dialogs mit Warschau seien "die wichtigsten Probleme, die die Rechtsstaatlichkeit in Polen gefährden, unserer Ansicht nach nicht gelöst" worden, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. Deshalb lege Brüssel nun konkrete Empfehlungen vor, "wie diese Bedenken ausgeräumt werden können, so dass das polnische Verfassungsgericht seine Aufgabe der Rechtsprechung zur Verfassung wirksam ausüben kann".
    Die nationalkonservative Regierung hatte auf die EU-Kritik bereits mit einer Neufassung der umstrittenen Justizreform reagiert. Allerdings wurden auch in der überarbeiteten Fassung des Gesetzes Nachbesserungsvorschläge der Opposition und kritischer Juristen nicht berücksichtigt. "Dieses neue Gesetz beseitigt die Bedrohung für die Rechtsstaatlichkeit in Polen nicht", betonte Timmermans.
    Polen soll Verfassungsrichter ihre Arbeit aufnehmen lassen
    Brüssel fordert nun unter anderem, dass drei, noch von der Vorgängerregierung ernannte Verfassungsrichter ihr Amt antreten dürfen. Zudem will die Kommission die "Gewähr, dass jede Reform des Verfassungsgerichtsgesetzes im Einklang steht mit den Urteilen des Verfassungsgerichts". Und das Gericht soll prüfen dürfen, ob das von der polnischen Regierung erlassene Reformgesetz verfassungsgemäß ist - noch "bevor es in Kraft tritt".
    Bisher hatte die EU Polen nur verwarnt, nun wurde die nächste Stufe des Verfahrens eingeleitet. Polen ist das erste Land, gegen das der dreistufige Rechtsstaatmechanismus angewendet wird. Gebe es keine zufriedenstellende Lösung, seien Sanktionen möglich, die bis zum Entzug von Stimmrechten reichen können, warnte Timmermans. Dazu müssten die EU-Mitgliedstaaten allerdings einstimmig feststellen, dass Polen schwerwiegend und anhaltend gegen EU-Grundwerte verstößt. Polens Verbündeter Ungarn hat bereits klar gemacht, dass Sanktionen gegen Warschau nicht unterstützt werden.
    (tj/fwa)