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Umstrittene Lücke in der Bauhaus-Siedlung

Seit der Wende hat in Deutschland eine Welle von Rekonstruktionen eingesetzt. Das Dessauer Bauhaus-Erbe erstrahlt seit ein paar Jahren wieder in altem Glanz. Eins nach dem anderen wurden die von Bauhaus-Gründer Walter Gropius entworfene Meisterhäuser wiederhergestellt. Doch um die Rekonstruktion des Direktorenhauses ist jetzt ein heftiger Streit entbrannt, wie der Direktor der Bauhaus-Stiftung, Omar Akbar, berichtet.

Doris Schäfer-Noske im Gespräch mit Omar Akbar |
    Doris Schäfer-Noske: Auf den Originalfundamenten des Direktorenhauses steht ein Ein-Familien-Haus aus der DDR-Zeit. Und wie es derzeit aussieht, wird es auch in Zukunft dort stehen. Zuerst wurde nach der Wende eine Rekonstruktion angestrebt, doch dann griffen das Dessauer Baudezernat und die Stiftung Bauhaus ein und forderten einen dritten Weg zwischen Rekonstruktion und Status Quo. Bei einem Architektenwettbewerb mit dieser Stoßrichtung gab es keinen ersten Preis. Derweil mehren sich die Anhänger einer Rekonstruktion. Beim Förderverein haben online über 80 Prozent der Leute für eine solche Lösung gestimmt. Ich habe Omar Abkbar, den Direktor der Bauhaus-Stiftung, gefragt, warum er dagegen ist.

    Omar Akbar: Es geht darum, dass auf diesem Sockelbereich des historischen Direktorenhauses in den 50er-Jahren ein Gebäude gebaut worden ist. Und dieses Gebäude selbst aus unserer Perspektive, zumindest aus meiner Perspektive, hat selbst so viel Geschichte und kann so viel erzählen über die Verhältnisse, über die Veränderungen und aber auch über die Haltung der damaligen DDR. Und auf der anderen Seite ist es bei der Rekonstruktion unter den heutigen Bedingungen, die wir haben, wird es eben ein anderes Gebäude sein.

    Schäfer-Noske: Man könnte doch da nach diesen alten Dokumenten das Gropius-Haus wieder aufbauen, wie es früher doch gewesen ist?

    Akbar: Ja, das kann man schon machen. Aber schon unser Baurecht erlaubt vieles nicht. Wir können es nicht so rekonstruieren, wie es mal war. Nehmen Sie mal einfach die Fensterstruktur. Das sind Fenster, die spiegeln. Das sind ganz dünne und fast handgefertigte Scheiben. Und auch schon da beginnen die Probleme. Jedenfalls, es wird immer ein Stück Verfälschung sein. Und das ist eigentlich die Diskussion, die wir führen.

    Schäfer-Noske: Aber es ist doch so, dass die anderen Häuser auch saniert worden sind. Und wenn da die Touristen kommen, nehmen sie doch an, dass das zumindest dem Original ähnelt?

    Akbar: Nein, die anderen Häuser standen ja da, sind teilweise wegen der Zeit auch modifiziert worden, indem man zum Beispiel bestimmte Fensteranlagen verändert hat und so weiter. Man hat dort eben quasi, ich bezeichne es als rückgebaut, wieder jene Elemente, die hinzugekommen sind, weggenommen. Und so ist dieses Ensemble, diese Bauten sind wieder hergestellt worden.

    Schäfer-Noske: Aber ist es denn nicht auch wichtig, dass diese Einheit der Meisterhaus-Siedlung wiederhergestellt wird?

    Akbar: Die Frage der Einheit ist ja auch aus meiner Sicht auch eine Frage der historischen Entwicklung. Für mich ist natürlich, wenn man jetzt die Bauten, die während des Krieges zerstört worden sind und man sie noch hinzufügt, natürlich bilden sie eine neue Einheit, erzählen eine ganz neue Geschichte. Und das ist eine Geschichte von uns, von jetzt, indem wir korrigieren, indem wir Dinge ergänzen, wie sie nicht möglicherweise waren, weil dies neue sind, weil es unsere Zeit ist. Und meine Position ist in diesem Zusammenhang eben, dieses kleine Gebäude, dass da steht, spricht Bände der deutschen Geschichte.

    Schäfer-Noske: Ja, es ist ein Reihenhaus aus der DDR-Zeit. Aber da gibt es doch in Dessau bestimmt auch ganz viele?

    Akbar: Das ist einfach ein Ein-Familien-Haus, Satteldach. Natürlich gibt es alles en masse. Gut, die Meisterhäuser gibt es in dieser Form nicht en masse. Man kann natürlich alles rekonstruieren, wir können die ganze Stadt rückbauen oder wiederherstellen. Und jetzt ist die Frage natürlich, wo fängt man an. Und man muss natürlich auch eins nicht vergessen. Es gibt auch ein Stück Geist des Bauhauses. Das hieß ja immer "Form folgt Funktion" letztendlich, hatte auch eine gewisse Rationalität. Und wenn wir jetzt das Haus bauen, bauen wir jetzt ein Direktorenhaus, bauen wir wieder ein Ein-Familien-Haus quasi dort rein? Ist das so?

    Schäfer-Noske: Das wäre natürlich ein Museum.

    Akbar: Ja, und ein Museum kann es ja nicht sein. Dann muss es was anderes sein. Ein Museum hat eine wichtige Funktion. Nun hier rechnen wir letztendlich dem Geist des historischen Bauhauses. Das ist die Komplexität des Unterfangens. Deswegen setzen wir uns auseinander und versuchen, einen Weg gemeinsam zu finden in der Stadt.

    Schäfer-Noske: Das war der Direktor der Bauhaus-Stiftung in Dessau Omar Akbar.