Sind Künstler besondere Menschen? Wie lassen sich psychische Krankheiten erklären? Wie kommt es zu Gewaltverbrechen und Mord? Mit diesen Fragen hat sich der italienische Naturwissenschaftler Cesare Lombroso beschäftigt. Er kam dabei zu Antworten, die damals schon provozierten und aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehbar sind.
Bergdolt: "Cesare Lombroso wird heute meist negativ gesehen, aber ich denke, man tut ihm dadurch etwas Unrecht. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war er einer der einflussreichsten Menschen und Wissenschaftler, die sich im Gebiet der Medizin und Psychiatrie bewegt haben."
.... sagt der Kölner Medizinhistoriker und -ethiker Klaus Bergdolt.
Bergdolt: "Lombroso war ein jüdischer Gelehrter, wie es sie zu Ende des 19. Jahrhunderts sehr häufig gab, man hatte sich emanzipiert, man liebte den bürgerlichen Habitus."
Cesare Lombroso stammte aus einer wohlhabenden Familie. Er wurde als Ezechia Marco Lombroso am 6. November 1835 in Verona geboren. Er studierte Literatur, Sprachwissenschaft und Archäologie in Padua und Paris, außerdem in Wien vergleichende Anatomie und Pathologie. Als Armeearzt ging er zunächst nach Süditalien. 1866 wurde er an die Universität Pavia berufen. Ab 1871 leitete er die Irrenanstalt in Pesaro und wurde schließlich Professor für forensische Medizin und Hygiene in Turin – eine steile Karriere.
Lombroso war ein Fortschrittsoptimist. Er ging – in Anlehnung an den französischen Philosophen Auguste Comte - davon aus, dass nach dem theologischen und dem philosophischen Zeitalter jetzt das naturwissenschaftlich medizinische Zeitalter angebrochen sei.
Klaus Bergdolt: "Cesare Lombroso war nun der, der gesagt hat: Psychiatrie, Kriminologie – all diese Dinge, die besondere Seelenzustände des Menschen verraten, gehören in die Hand von Naturwissenschaftlern."
Bekannt wurde Lombroso mit der These, dass es geborene Kriminelle gibt.
Kriminelle gelten Lombroso als Vertreter einer früheren Entwicklungsphase des Menschengeschlechts. Als Rückschlag der Evolution – als Atavismus.
Und daher zeigen Verbrecher auch körperliche Merkmale menschlicher Urahnen.
Diese Theorie entwickelte Lombroso, als er die Hirnschale eines berüchtigten Räubers untersuchte.
"Beim Anblick dieser Hirnschale glaubte ich ganz plötzlich, das Problem der Natur des Verbrechens zu schauen. Ein atavistisches Wesen, das in seiner Person die wilden Instinkte der primitiven Menschheit und der niederen Tiere wieder hervorbringt. So wurden aNATOmisch verständlich: die enormen Kiefer, die hohen Backenknochen, die bei Verbrechern, Wilden und Affen gefunden werden, die Fühllosigkeit gegen Schmerzen, (...) und die unwiderstehliche Begierde nach Bösem um seiner selbst willen."
Lombroso unterwirft die Menschen einem einheitlichen Entwicklungsprozess: Am Anfang stehen die Menschen der Urzeit oder auch Bewohner unzivilisierter Gebiete. Der Höhepunkt der kulturellen Entwicklung ist mit dem europäischen Mann des späten
19. Jahrhunderts erreicht. Auf dieser Skala zwischen "wild" und "zivilisiert" sortiert Lombroso die Menschen ein, seien es Verbrecher, Geisteskranke, Frauen oder Genies.
Klaus Bergdolt: "Und so kam man auf die Idee zu sagen, Geisteskranke sind einfach ein Stück wieder zurückgefallen, wie auch Verbrecher, und etwas schwer zu begreifen, auch sehr geniale Menschen, weil die in einem freieren Umfeld operieren müssen, das eben so gesehen auch früher in der Evolution mehr gegeben war als heute."
Kriminelle, als Vertreter einer Urform des Menschengeschlechts, davon war Lombroso überzeugt, begehen Straftaten nicht aus freiem Willen heraus – sie können gar nicht anders handeln. Lombroso plädiert daher für milde Strafen. Kriminelle sollten seiner Ansicht nach von der Gesellschaft abgesondert werden.
Radikalisiert wurden Lombrosos Theorien von den Verfechtern der Eugenik und insbesondere von den Nationalsozialisten: Um Zwangssterilisierungen und die verbrecherischen Euthanasie-Programme zu legitimieren, berief man sich im nationalsozialistischen Deutschland ausdrücklich auf Lombroso.
Klaus Bergdolt: "Er hat einfach die Dimension, das gefährliche Potential seiner Theorie nicht durchschaut, vielleicht auch nicht durchschauen können. Man hat es damals einfach nicht für möglich gehalten, dass das, was dann später etwa die Nazis draus machten, dass das überhaupt in Mitteleuropa möglich sei."
Biologische Ursachen für Phänomene wie Aggression oder Kriminalität zu finden, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als Tabu. Erst in jüngster Zeit, versuchen Hirnforscher mit Hilfe von bildgebenden Verfahren Besonderheiten im Gehirn von Kriminellen aufzuspüren. Auf Lombroso berufen sie sich dabei nicht. Aber sie bewegen sich auf gefährlichem Terrain.
Bergdolt: "Cesare Lombroso wird heute meist negativ gesehen, aber ich denke, man tut ihm dadurch etwas Unrecht. Im ausgehenden 19. Jahrhundert war er einer der einflussreichsten Menschen und Wissenschaftler, die sich im Gebiet der Medizin und Psychiatrie bewegt haben."
.... sagt der Kölner Medizinhistoriker und -ethiker Klaus Bergdolt.
Bergdolt: "Lombroso war ein jüdischer Gelehrter, wie es sie zu Ende des 19. Jahrhunderts sehr häufig gab, man hatte sich emanzipiert, man liebte den bürgerlichen Habitus."
Cesare Lombroso stammte aus einer wohlhabenden Familie. Er wurde als Ezechia Marco Lombroso am 6. November 1835 in Verona geboren. Er studierte Literatur, Sprachwissenschaft und Archäologie in Padua und Paris, außerdem in Wien vergleichende Anatomie und Pathologie. Als Armeearzt ging er zunächst nach Süditalien. 1866 wurde er an die Universität Pavia berufen. Ab 1871 leitete er die Irrenanstalt in Pesaro und wurde schließlich Professor für forensische Medizin und Hygiene in Turin – eine steile Karriere.
Lombroso war ein Fortschrittsoptimist. Er ging – in Anlehnung an den französischen Philosophen Auguste Comte - davon aus, dass nach dem theologischen und dem philosophischen Zeitalter jetzt das naturwissenschaftlich medizinische Zeitalter angebrochen sei.
Klaus Bergdolt: "Cesare Lombroso war nun der, der gesagt hat: Psychiatrie, Kriminologie – all diese Dinge, die besondere Seelenzustände des Menschen verraten, gehören in die Hand von Naturwissenschaftlern."
Bekannt wurde Lombroso mit der These, dass es geborene Kriminelle gibt.
Kriminelle gelten Lombroso als Vertreter einer früheren Entwicklungsphase des Menschengeschlechts. Als Rückschlag der Evolution – als Atavismus.
Und daher zeigen Verbrecher auch körperliche Merkmale menschlicher Urahnen.
Diese Theorie entwickelte Lombroso, als er die Hirnschale eines berüchtigten Räubers untersuchte.
"Beim Anblick dieser Hirnschale glaubte ich ganz plötzlich, das Problem der Natur des Verbrechens zu schauen. Ein atavistisches Wesen, das in seiner Person die wilden Instinkte der primitiven Menschheit und der niederen Tiere wieder hervorbringt. So wurden aNATOmisch verständlich: die enormen Kiefer, die hohen Backenknochen, die bei Verbrechern, Wilden und Affen gefunden werden, die Fühllosigkeit gegen Schmerzen, (...) und die unwiderstehliche Begierde nach Bösem um seiner selbst willen."
Lombroso unterwirft die Menschen einem einheitlichen Entwicklungsprozess: Am Anfang stehen die Menschen der Urzeit oder auch Bewohner unzivilisierter Gebiete. Der Höhepunkt der kulturellen Entwicklung ist mit dem europäischen Mann des späten
19. Jahrhunderts erreicht. Auf dieser Skala zwischen "wild" und "zivilisiert" sortiert Lombroso die Menschen ein, seien es Verbrecher, Geisteskranke, Frauen oder Genies.
Klaus Bergdolt: "Und so kam man auf die Idee zu sagen, Geisteskranke sind einfach ein Stück wieder zurückgefallen, wie auch Verbrecher, und etwas schwer zu begreifen, auch sehr geniale Menschen, weil die in einem freieren Umfeld operieren müssen, das eben so gesehen auch früher in der Evolution mehr gegeben war als heute."
Kriminelle, als Vertreter einer Urform des Menschengeschlechts, davon war Lombroso überzeugt, begehen Straftaten nicht aus freiem Willen heraus – sie können gar nicht anders handeln. Lombroso plädiert daher für milde Strafen. Kriminelle sollten seiner Ansicht nach von der Gesellschaft abgesondert werden.
Radikalisiert wurden Lombrosos Theorien von den Verfechtern der Eugenik und insbesondere von den Nationalsozialisten: Um Zwangssterilisierungen und die verbrecherischen Euthanasie-Programme zu legitimieren, berief man sich im nationalsozialistischen Deutschland ausdrücklich auf Lombroso.
Klaus Bergdolt: "Er hat einfach die Dimension, das gefährliche Potential seiner Theorie nicht durchschaut, vielleicht auch nicht durchschauen können. Man hat es damals einfach nicht für möglich gehalten, dass das, was dann später etwa die Nazis draus machten, dass das überhaupt in Mitteleuropa möglich sei."
Biologische Ursachen für Phänomene wie Aggression oder Kriminalität zu finden, galt nach dem Zweiten Weltkrieg als Tabu. Erst in jüngster Zeit, versuchen Hirnforscher mit Hilfe von bildgebenden Verfahren Besonderheiten im Gehirn von Kriminellen aufzuspüren. Auf Lombroso berufen sie sich dabei nicht. Aber sie bewegen sich auf gefährlichem Terrain.