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Umstrittene Regeländerung

In der Leichtathletik gibt es eine große Anzahl äußerst aktiver Seniorensportler. Überraschend hat der Verbandsrat des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) mit knapper Mehrheit die bisherigen Seniorenklassen der 30 – und 35-Jährigen ersatzlos abgeschafft. Erst mit 40 Jahren soll man nun Leichtathletik-Senior sein können. Die Basis rumort.

Von Gerd Michalek | 16.07.2011

    Die Neuerung geht auf den Verbandsratbeschluss des Deutschen Leichtathletik-Verbandes Ende Februar zurück. Begründung: zu gering sei die Nachfrage der jungen Senioren bei Wettkämpfen, sagen die Befürworter der Reform. Anton Thalhammer, Geschäftsführer des Bayerischen Leichtathletikverbandes.

    "Es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, dass in den einzelnen Landesverbänden, gleiches gilt auch für Bayern, die M-30 und W-30 immer sehr sehr dünn im Meldeergebnis sich halten"

    Auch betroffene Athleten räumen das vereinzelt ein. So der deutsche 100-Meter-Meister in der Klasse der 30- bis 34-Jährigen, Jochen Gippert:

    "Die Verbandssicht kann ich schon nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es für die Motivation sicher nicht zuträglich, wenn man Athleten, die in der zweiten Reihe stehen, die Möglichkeit nimmt, an einer deutschen Meisterschaft teilzunehmen. Es ist nicht nur so, dass man die Teilnehmerfelder im Blick haben sollte, sondern auch den Trainernachwuchs, der sich in der Regel aus Athleten rekrutiert, die aus der zweiten Reihe mal gestartet sind."

    Im Klartext bedeutet die neue Regel: Wer jünger als 40 ist, findet kein altersgemäßes Wettkampfangebot mehr – egal ob es um deutsche Meisterschaften oder kleine Sportfeste geht. Zwangsläufig müssten die unter 40-Jährigen in der starken Aktivenklasse starten.
    "Das fände ich sehr schade, weil in meinen Augen der DLV sein eigenes Grab sich schaufelt. Er müsste versuchen, die Massen zu bewegen und das schaffe ich nicht, indem ich Altersklassen abschaffe. Und schon gar nicht die Brücke zwischen Hauptklasse und Senioren einfach streiche"

    Es geht älteren Athleten gegen den Strich, dass sie beim DLV als Kampfrichter und Beitragszahler gefragt sind, beim Wettkampfangebot jedoch demnächst leer ausgehen sollen.

    "Überall werden ja Leute gebraucht. Wenn man aber vom DLV so vor den Kopf gestoßen wird, dass man sich eigentlich erst ab 40 sich wieder selber betätigen würde - wettkampfmäßig -, dann wird man auch das andere nicht mitmachen"

    Der DLV–Beschluss löste in den Seniorensport-Foren des Internets eine Welle der Entrüstung aus. Mehr als 1150 Athleten legten Protest ein. Sie fühlen sich vom Dachverband nicht ernst genommen. Dass Senioren keinen guten Stand im DLV haben, erfüllt auch Dieter Massin, Präsident des Europäischen Senioren-Leichtathletikverbandes, mit Sorge:

    "Dass der Verbandsrat diesen Beschluss noch einmal überdenkt und innerhalb seiner Möglichkeiten und seiner Geschäftsordnung innerhalb kürzester Zeit noch mal überdenkt und wieder zurücknimmt, ist meine Hoffnung".