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Umstrittene Strategie für Deutschland

In einem nationalen Sicherheitsrat will die CDU Maßnahmen zur inneren und äußeren Sicherheit stärker bündeln. Das Konzept wird heftig debattiert. Tatsächlich gehe es darum, eine traditionell zivile Außenpolitik in klassische verteidigungspolitische Denkmuster zu überführen, befürchten Kritiker.

Von Rolf Clement | 08.05.2008
    Die Idee ist nicht neu. Bundeskanzler Ludwig Erhard berief 1964 Heinrich Krone zum Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates. Der war zuvor Fraktionschef der Union und Minister besondere Aufgaben. Erhard, so war damals zu vernehmen, hatte keine richtige Verwendung mehr für Krone, wollte ihn aber auch nicht nach Hause schicken. Es ist keine einzige Äußerung des Verteidigungsratsministers überliefert, und mit Ende der Kanzlerschaft Erhards wurde Krone dann wirklich entlassen und sein Ministeramt wieder abgeschafft.

    Es blieb aber der Bundesverteidigungsrat, der dann 1969 in Bundessicherheitsrat umbenannt wurde und bis heute besteht. Er ist ein Ausschuss der Bundesregierung, dem die Minister für Auswärtiges, der Verteidigung, für Inneres, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Finanzen und für Wirtschaft angehören. Er tagt geheim unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin und in der Regel auf Ministerebene.

    Neben den eben genannten Ministern nehmen lediglich der Kanzleramtsminister und der Geschäftsführer, der für Sicherheitspolitik zuständige Gruppenleiter im Kanzleramt, an den Sitzungen teil. Bei Bedarf können weitere Experten hinzugezogen werden, zum Beispiel der Generalinspekteur der Bundeswehr oder die Chefs der Geheimdienste.

    Im Mittelpunkt der Beratungen des Rates stand über viele Jahre ausschließlich die Rüstungsexportpolitik. Erst in den letzten Jahren, als ein zusätzlicher politischer Koordinierungsbedarf im Zusammenhang mit den Einsätzen im Ausland entstanden war, wurde die Themenpalette langsam erweitert.

    Mittlerweile wird in der Runde über prinzipielle Fragen bei Einsätzen gesprochen. Dies entspricht auch dem Ansatz der vernetzten Sicherheit, nach dem es bei den Einsätzen nicht nur um Fragen im Zusammenhang mit der Bundeswehr geht, sondern auch um die Themen, die mit dem zivilem Aufbau oder Wiederaufbau zusammenhängen.

    Die Idee der Union, diesen Sicherheitsrat nun aufzuwerten und mit zusätzlichen Aufgaben zu versehen, ist nicht neu. Er wird seit vielen Jahren in Fachkreisen immer wieder diskutiert. Zum ersten Mal hat nun eine Bundestagsfraktion die Idee auf ihre Fahnen geschrieben. Vor dem Hintergrund, dass bei den gegenwärtigen Bedrohungen immer vielfältige Themenbereiche betroffen sind, fordert Unionsfraktionschef Volker Kauder:

    " (….) und da haben wir gesagt, dass wir uns im Sinne eines nationalen Sicherheitsrates einen Sicherheitsrat vorstellen können, all diese Themen dort zusammenzuführen, zu vernetzen, eine Analyse zu machen, auszuwerten und dann konkrete Handlungsvorschläge zu machen. Damit werden Möglichkeiten erweitert und nicht eingeschränkt - und dafür gibt es ein Instrumentarium, das wir schon heute haben, das man ausbauen kann und - das ist der Bundessicherheitsrat."

    Bei der jetzt begonnenen politischen Diskussion, geht es im Wesentlichen um drei Themenbereiche. Zum einen will die Union in dem nationalen Sicherheitsrat auch Themen besprechen, die zum Bereich der Inneren Sicherheit gehören. Zum zweiten beklagen Vertreter vor allem SPD-geführter Ministerien, dass in ihre Kompetenzen eingegriffen werde. Zum dritten wird die Behauptung aufgestellt, ein solches Gremium sollte den Parlamentsvorbehalt unterlaufen. Um diese Bedenken einschätzen zu können ist es wichtig zu verstehen, wie die Einsatzplanung heute abläuft.
    Der Staatssekretär im Innenministerium, August Hanning, beschrieb dies auf einer Veranstaltung der Clausewitz-Gesellschaft in Berlin:

    "De facto ist es so, dass zunächst erst einmal nach der Bundeswehr gerufen wird – immer, wenn im Sudan oder wenn im Libanon oder wenn im Nahen Osten, wie auch immer, Afghanistan, etwas passiert, heißt es: Wir müssen erst einmal die Bundeswehr dorthin schicken, das heißt, die Verteidigungspolitiker kümmern sich darum, setzen das fest. Dann gibt es natürlich sofort die Bitte ans BMZ, neuerdings auch das Innenministerium mit der Polizei, und natürlich auch die anderen Häuser, Verkehrsministerium, wenn es Verkehrsprobleme gibt, und Ähnliches."
    Kanzleramtsminister Thomas de Maizière deutete auf derselben Veranstaltung an, dass es durchaus noch Probleme in der Zusammenarbeit der Bundesregierung gibt:

    " (…) Das vernetzte Handeln der Bundesregierung stellt ein durchgängiges Prinzip in der Arbeit der Bundesressorts dar. Ich füge zart hinzu: oder sollte es wenigstens (…)."

    Inzwischen hat sich eine Form der Zusammenarbeit der Ministerien entwickelt, die Botschafter Bruno von Alvensleben, der Vertreter des Auswärtigen Amtes, so erläuterte:

    "In Deutschland finden wöchentliche Videokonferenzen der beteiligten Ressorts - das sind in erster Linie: Auswärtiges Amt, Verteidigungsministerium, BMZ und BMI - unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes statt. Monatliche Treffen der Staatssekretäre der genannten Ressorts unter Einschluss des Leiters der Abteilung II des Kanzleramtes zur politischen Steuerung des Afghanistan-Einsatzes. Im Übrigen erfolgt natürlich eine enge Abstimmung auf Arbeitsebene auf den üblichen Wegen."

    Das alles findet aber erst statt, wenn ein Einsatz läuft. Botschafter von Alvensleben meint:

    "Es muss aber unser Ziel sein, eine frühzeitigere Koordinierung zu erreichen, damit wir die Beiträge der einzelnen Ressorts von Beginn an besser aufeinander abstimmen können."

    Diese vorausschauende Planung beschreibt Innen-Staatssekretär August Hanning am Beispiel Afghanistans, wohlgemerkt vor dem Einsatz:

    "In Afghanistan ist eine Krise, das Bundeskabinett setzt sich zusammen und sagt: 'Ja, das ist die krisenhafte Entwicklung. Deutschland will sich an der Lösung beteiligen. Wir haben einen bestimmten Betrag X: 300 Millionen, 400 Millionen. Und im Rahmen dieses Betrages X sind wir bereit, im Verteidigungsbereich so viel auszugeben, Polizeibereich so viel, Entwicklungshilfebereich so viel, und so weiter.'"

    Aber die Praxis sieht ganz anders aus. Hanning nennt ein Beispiel: Für die Polizeiausbildung im Ausland werden gegenwärtig sechs Millionen Euro ausgegeben:

    "Die sind so zustande gekommen, dass wir bisher keinen eigenen Titel haben in unserem Haushalt für Auslandseinsätze, sondern das ist ein Titel, ich glaube aus dem BMZ-Bereich, der aber vom AA verwaltet wird, und wir partizipieren davon."

    Rüdiger Wolf, Staatssekretär im Verteidigungsministerium, ergänzt:

    "Was ist vermisse, ist ein Gesamtkonzept – wenn ich das einmal so provokativ sagen darf - innerhalb der Bundesregierung. Wie verteilen wir die Lasten, wenn es denn um einen konkreten Einsatz geht, und wie werden die Ressorts in die Lage versetzt, diese konkreten Lasten dann zu schultern? Da gibt es – muss ich gestehen – gibt es in der Bundesregierung noch Handlungsbedarf."

    Der Sand im Getriebe der Bundesregierung hat durchaus auch harte politische Hintergründe, wie Entwicklungshilfe-Staatssekretär Erich Stather beschreibt:

    "Ein Entwicklungspolitiker ist eher ein Pazifist, also von der Denkschule her - er kommt eher aus dem pazifistischen Lager und hat eine gewisse Distanz zu der Uniform."

    Und er ergänzt dann noch:

    "Das Verteidigungsministerium, das Außenministerium und das Innenministerium – lassen Sie mich ein bisschen vereinfacht sagen: Wenn die von Sicherheit sprechen, ist ihr oberstes Interesse: Wie können sie Sicherheit und Frieden für Deutschland und für die Deutschen garantieren? Ich könnte es mal ein bisschen weiter sagen, zunächst einmal für Europa. Aber zunächst einmal ist das der Ausgangspunkt.

    Und die Entwicklungspolitik geht persönlich anders heran. Sie sagt: Wir gucken uns die Situation im Kongo an, wir gucken uns die Situation in Liberia an und sagen: Wie können wir Sicherheit und Frieden für die Menschen in Liberia oder Kongo garantieren? Damit will ich deutlich machen: Es ist manchmal nicht ganz einfach, weil diese unterschiedliche Denkeinschätzung oder diese unterschiedliche Sicherheitseinschätzung natürlich auch dazu führt, dass man manchmal unterschiedliche Lösungsvorschläge oder zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt."

    Dass es auch einen verstärkten Abstimmungsbedarf mit den Ländern gibt, stellt Kanzleramtsminister de Maizière fest.

    "Auch die Länder verfügen über Personalressourcen und über Expertise, auf die der Bund bei der Bewältigung internationaler Krisen dringend angewiesen ist. Ich denke hier insbesondere an Polizeikräfte. Ohne Unterstützung der Länder ist unser Staat nicht in der Lage, angemessene Polizeikontingente für internationale Stabilisierungsmissionen zu stellen. Wie notwendig das aber ist, zeigt sich gerade beim Aufbau von EUPOL in Afghanistan oder EULEX im Kosovo.

    Ich stelle dabei fest, dass die Bereitschaft der Länder zur Abstellung von Personal für internationale Einsätze unterschiedlich ausgeprägt ist, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Angesichts der zunehmenden Verpflichtung von äußerer und innerer Sicherheit sehe ich die Länder verstärkt in der Pflicht, sich hier zu engagieren.

    Ich bin daher der Auffassung, dass wir nicht nur darüber nachdenken müssen, was wir hier tun, inwieweit die Bundeswehr die Länder bei der inneren Gefahrenabwehr unterstützen kann mit ihren Mitteln. Genauso wichtig wäre eine Diskussion darüber, welche Beiträge die Länder bei der Krisenbewältigung des Bundes im multinationalen Umfeld leisten sollen."

    Das aber bezieht sich nicht nur auf die Polizei.

    "Was nützt eine gute Polizei, wenn eine Justiz nicht hinterher ist, wenn man Drogen bekämpfen will. Der Bund hat bis auf Bundesrichter beim Bundesgerichtshof keinen einzigen Richter oder Staatsmann. Auch dort, denke ich, wird das Gewicht und die Aufgabe und Verantwortung der Länder zunehmen müssen."
    Auch hier besteht ein eher wachsender Abstimmungsbedarf. Verteidigungsstaatssekretär Rüdiger Wolf meint, bei den Einsatzvorbereitungen und dann auch bei der Durchführung bedarf es einer einheitlichen Führung:

    "Die Notwendigkeit, die ein militärischer Führer kennt - es muss aus einer Hand geführt werden – ist im Zusammenhang mit einem vernetzten Sicherheitsansatz ein äußerst kompliziertes Ziel, denn diese Vernetzung unter einer Führungsverantwortung ist natürlich etwas äußerst sensitives. Wir haben unterschiedliche Zuständigkeiten, Ressort-Zuständigkeiten – darauf ist hingewiesen -, es gibt unterschiedliche Machtbefugnisse, und natürlich gibt es auch unterschiedliche Finanzierungswege. Und alle diese Dinge führen eigentlich schon zu Partikularinteressen unter diesem vernetzten Begriff und müssen gelöst werden im Sinne eines: Einer entscheidet!"

    Eine Koordinierung muss, so Wolf, Kompetenzen haben.

    "Man muss auch priorisieren können, man muss die Beiträge der verschiedenen Ressourcen und Organisationen unterschiedlich gewichten und anpassen. Aus unserer Sicht kann diese Rolle nur ein – mit dem englischen Sprachbegriff - 'Supervisor' übernehmen. In der Regel wird diese Forderung auch von vielen Akteuren formuliert. Nur wer es dann tun soll, darüber streiten sich die Geister."

    Dem widerspricht aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Staatssekretär Erich Stather:

    "Erfolge Antragsüberweiser ermutigen uns nicht gerade dazu, dass man das noch unbedingt braucht. Ich bin ein Anhänger der Abstimmungsprozesse, die wir eingerichtet haben, die ich für erfolgreich halte (…)"

    Der Bundessicherheitsrat hat sich in der Vergangenheit in erster Linie mit Rüstungsexportfragen beschäftigt – in diesem Zusammenhang geriet er gelegentlich auch in die Schlagzeilen. Seit einigen Jahren geht es aber auch hier um andere Fragen. Minister de Mazière nimmt das für sich in Anspruch:

    "Neben politischen Einzelentscheidungen zu Rüstungsexporten wird dort seit einiger Zeit auf meine Anregung auch jeweils ein strategisches Thema behandelt."

    Aber auch schon unter Kanzleramtsminister Steinmeier wurde die Themenpalette etwas erweitert. In der Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Regierung von 1998 steht der Satz:

    "Die neue Bundesregierung wird dem Bundessicherheitsrat seine ursprünglich vorgesehene Rolle als Organ der Koordinierung der deutschen Sicherheitspolitik zurückgeben und hierfür die notwendigen Voraussetzungen schaffen."

    Wie also soll die Zusammenarbeit, an deren Notwendigkeit kein Zweifel besteht, organisiert werden? Minister de Maizière ist da zurückhaltend:

    "Das Prinzip der Ressortverantwortung gehört zu den im Grundgesetz festgelegten Arbeitsprinzipien der Bundesregierung. Dies steht allerdings nicht im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vernetzung und einer guten Zusammenarbeit. Eine möglichst enge Ressortabstimmung im Krisenmanagement ist stets einzufordern. Sie ist unter den Rahmenbedingungen realisierbar, die das Grundgesetz vorgibt, Klammer auf - und die meistens auch unter den Bedingungen einer Koalitionsregierung erforderlich ist -, Klammer zu! Vielmehr kommt es darauf an, dass alle Verantwortlichen das erweiterte Verständnis von Sicherheit mittragen und in ihren Ressorts konsequent umsetzen. Ressortübergreifendes und vernetztes Denken sind wichtiger, als Organisations- und Strukturfragen (…)."

    Und dann wird er doch deutlicher:

    "Ich wollte mit meiner Bemerkung aber nicht ein Missverständnis hervorrufen, als sei das, um was es da geht, die Vorstufe zu einem nationalen Sicherheitsrat. Dafür sehe ich in Deutschland keine rechte Grundlage."

    Während das CDU-geführte Verteidigungsministerium für eine klare Führung bei Planung und Durchführung von Einsätzen plädiert und das SPD-geführte Entwicklungshilfeministerium dem kritisch gegenübersteht, macht Botschafter von Alvensleben aus dem SPD-geführten Außenministerium eher skeptische Bemerkungen:

    "Wir kennen unsere Häuser und ihre ausgeprägten unterschiedlichen Binnenkulturen und Sichtweisen. Lediglich mit einer Verfügung von oben ist da nicht alles zu erreichen. Es braucht Einsicht und Willen zur Kooperation."

    Das Innenministerium, wiederum CDU-geführt, plädiert für eine neue Rolle des Bundessicherheitsrates. August Hanning:

    "Ich könnte mir vorstellen, dass der Bundessicherheitsrat – ich bin da jetzt einmal ganz vorsichtig, aber ich persönlich könnte mir das vorstellen -, dass man eben nicht nur über Exportkontrolle dort spricht, sondern auch einmal über einen Afghanistan-Einsatz, und genau das macht, was wir eben hier erörtert haben: wie viel Geld haben wir, wie setzen wir die Prioritäten, wie gehen wir weiter vor - und dann auch mal materiell genau diskutiert, wie wir uns politisch dort aufstellen."

    Hier setzt das jetzt diskutierte Konzept der Unionsfraktion im Bundestag an. Dort heißt es:

    "Um ein kohärentes Zusammenwirken aller Kräfte der inneren und äußeren Sicherheit zu gewährleisten, ist ein 'Nationaler Sicherheitsrat' als politisches Analyse-, Koordinierungs- und Entscheidungszentrum einzurichten. Die Länder müssen dabei ihren Aufgaben entsprechend mitwirken können. Der Nationale Sicherheitsrat soll drei Aufgaben erfüllen:
    Zum ersten die umfassende, Ressort übergreifende Analyse möglicher Bedrohungen für die innere und äußere Sicherheit. Die verschiedenen Informationen zu sicherheitsrelevanten Veränderungen aus Auslandsvertretungen, Nachrichtendiensten und Entwicklungsinstitutionen sind in präventive, zeitgerechte und zielgerichtete außen-, sicherheits- und entwicklungspolitische Maßnahmen zu überführen.

    Zum zweiten die Koordination der zivil-militärischen Krisenbewältigung und -prävention im Ausland.

    Zum dritten die Koordination der Einleitung geeigneter Abwehrmaßnahmen und Notfallplanungen sowie des Einsatzes der Heimatschutzkräfte in dem Falle, dass Katastrophen u.ä. die Fähigkeiten einzelner Bundesländer überfordern.
    Unter Berücksichtigung der föderalen Kompetenzordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Zuständigkeiten der Ressorts der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörden soll dadurch eine einheitliche politische Leitung und ein optimales Krisenmanagement im Inland wie im Ausland sichergestellt werden.
    Hierzu ist der Bundessicherheitsrat unter Vorsitz der Bundeskanzlerin aufzuwerten und unter Nutzung bestehender Ressourcen mit einem handlungsfähigen Stab auszustatten, dessen Mitarbeiter interdisziplinär und ressortübergreifend arbeiten, auf der Basis einheitlicher Lagebilder Szenarien entwickeln und der Exekutive Handlungsoptionen aufbereiten."

    Der manchmal geäußerte Vorwurf, das Konzept wolle das Parlament in seinen Mitwirkungsrechten einschränken, findet in den Gedanken der Staatssekretäre keine Nahrung. August Hanning:

    "Was bei uns ein Stück weit fehlt, das ist dann einmal eine stärkere Koordinierung auch innerhalb des Parlaments."

    Bundespräsident Köhler machte vor einiger Zeit den Vorschlag, dass ein Ressort übergreifender Bundestagsausschuss Einsätze parlamentarisch begleiten sollte. Der Vorschlag wird immer mal wieder zitiert, aber bisher nicht umgesetzt. Die Akteure wollen die Zuständigkeit gar nicht so gerne im Kanzleramt haben. Minister de Maizière:

    "Die Rolle des Bundeskanzleramts ist natürlich immer ein bisschen abhängig von der personellen und der koalitionsmäßigen Konstellation, das ist so! Und da ändern auch irgendwelche Organisationserlasse oder so etwas nichts, und Sie können vor allem vernutzte Zusammenarbeit nicht befehlen. Sie können das vorleben, Sie können das ermuntern, Sie können mal irgendwo dazwischen hauen und Sie können Hindernisse wegräumen, aber Sie können es nicht befehlen, sodass auch – also, etwa die Ausübung der Richtlinienkompetenz zur verbesserten Zusammenarbeit der Ressorts ist ein Widerspruch in sich. Es funktioniert nicht!

    Vor diesem Hintergrund muss ich mal sagen, ist das – natürlich durchaus selbstbewusst –, das wir im Blick auf Zusammenarbeit der Ressorts in Sicherheitsfragen in den letzten zwei Jahren erreicht haben, kann sich – glaube ich – sehen lassen, auch wenn ich noch nicht mit allem zufrieden bin."

    Und August Hanning, der lange im Kanzleramt gearbeitet hat, warnt:

    "Ich war lange im Bundeskanzleramt und habe immer gelernt, das möglichst abzuwehren – wissen Sie, eine Regierungszentrale kann vieles, aber sie sollte Ressortaufgaben nach Möglichkeit nicht an sich ziehen."

    Außenminister Steinmeier sieht eine ganz andere Motivation hinter den Überlegungen, die er ablehnt:

    "Ich weiß, dass sozusagen die selbstbewusste Tradition einer zivilen Außenpolitik manchem ein Dorn im Auge ist. Aber dies zu verändern, die selbständige außenpolitische Beurteilungskompetenz einzuebnen, sie in den Weisungszug einer eher nach klassischen verteidigungspolitischen Denkmustern operierenden nationalen Sicherheitsrat hinein zu zwingen, das scheint mir doch das vordergründige Ziel zu sein (…)"

    Und FDP-Generalsekretär Dirk Niebel wehrt die Überlegungen ebenfalls ab:

    "Wir wollen nicht hin zu einem Heimatschutzministerium im amerikanischen Sinne, wir wollen auch keine amerikanischen Verhältnisse bei der inneren und äußeren Sicherheit in Deutschland (…)."

    Das will Andreas Schockenhoff, stellvertretender Fraktionschef der Union, in dessen Verantwortung das Papier erarbeitet wurde, nicht gelten lassen:

    "Es geht darum, die Dinge besser zu bündeln, besser zusammenzuführen und das, was an Analysefähigkeit vorhanden ist, eben frühzeitig zusammenzuführen."