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Umstrittener Gentest

Seit neun Jahren haben die Frauen in und um Bochum Angst vor einem Serienvergewaltiger. Mindestens 19 Frauen hat er überfallen. Zehn von ihnen hat er vergewaltigt. Auch im Umfeld der Ruhr-Universität. Der AStA wehrt sich nun gegen Massengentests unter den Studenten. Die Studierendenvertreter sprechen von einer Umkehrung der Unschuldsvermutung.

    Der Mann ist ein Phantom. Ein Phantom mit verschiedenen Gesichtern, wie es scheint. Es existieren nämlich mehrere Zeichnungen des Täters. Zwischen 25 und 40 Jahren soll er alt sein, so die Polizei. Schon seit Jahren versucht die "Ermittlungskommission Messer", den Gewaltverbrecher zu fassen. Bisher erfolglos. Zahlreiche Speicheltests haben Staatsanwaltschaft und Polizei bereits durchgeführt. Bislang ebenfalls ohne Ergebnis. Auch die Fahndung durch die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" führte nicht zum Ziel. Nun sollen im Rahmen eines Massenspeicheltests im Stadtteil Bochum Querenburg auch Studierende und Mitarbeiter der Ruhr-Universität zum sogenannten freiwilligen Gentest geladen werden. Das Amtsgericht Bochum erließ einen Beschluss, demzufolge die Verwaltungen der Ruhr-Universität, der Fachhochschule sowie des Studentenwerks 900 Adressen von Studierenden und Mitarbeitern an die Ermittler aushändigen mussten. Nach Angaben von Dr. Christian Kuhnert, dem Sprecher der Bochumer Staatsanwaltschaft, haben bisher 70 Männer, die auf dieser Liste verzeichnet sind, angekündigt, nicht an dem Gentest teilzunehmen. Es sei davon auszugehen, so Kuhnert weiter, dass die betreffenden Männer damit rechnen müssten, durch einen richterlichen Beschluss notfalls zum Gentest gezwungen zu werden. Der AStA will nun gegen den Massen-Gentest protestieren. Die Studierendenvertreter befürchten, dass mit den Genanalysen Missbrauch getrieben werden könnte. Von einer "systematischen Umkehr der Unschuldsvermutung" spricht Hannelore Sinagub vom AStA-Referat für Grund- und Freiheitsrechte.

    Vertreten wird der AStA der Ruhr-Universität durch den Rechtsanwalt Johannes Pausch. Er wendet sich gegen den Gentest, weil nach seiner Überzeugung die Kriterien nicht eindeutig geklärt sind, die für solche Reihenuntersuchungen vorliegen müssen. Pausch erläutert: "Man sollte kritisch mit der Frage umgehen: Wie uferlos darf der Kreis derjenigen sein, die ich in so eine Reihenuntersuchung einbeziehe?"

    Massengentests haben bereits das Bundesverfassungsgericht beschäftigt. Die Karlsruher Richter segneten in ihrem Urteil die Durchführung der Reihenuntersuchungen ab. Rechtsanwalt Pausch verweist aber darauf, dass in dem Fall in München, der Grundlage des Verfassungsgerichtsurteils, der Kreis der Betroffenen noch überschaubar war. Damals wurden 750 Porschefahrer zum Test gebeten. Pausch weiter: "Wir haben einen anderen Fall, wo ein ganzes Dorf untersucht werden soll. Und da sagen die Kommentatoren der Strafprozessordnung: Das geht zu weit."

    Jedoch gibt der Anwalt zu, dass die Polizei mitunter keine Alternativen zu den Untersuchungen hat: "Es sind immer Situationen vorhanden, wo die Kripo praktisch mit dem Rücken zur Wand ermittelt, lange Zeit keinen konkret Tatverdächtigen gefunden hat, und dann bleibt nur dieses im Grunde ja auch geeignete Mittel. Aber es muss auf der anderen Seite auch das Persönlichkeitsrecht dieser vielen Betroffenen berücksichtigt werden."

    Urteil des Amtsgerichtes Bochum vom 20.03.03.: Aktenzeichen: 64GS2409/03

    Weitere Infos der Bochumer Polizei: www.ek-messer.de/