Dienstag, 23. April 2024

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Umstrittener Plan

Guckeisen Eine geplante Richtlinie aus Brüssel sorgt zur Zeit für Unruhe in Deutschland. Gewerkschaften, Arbeitgeber und auch Bundeskanzler Gerhard Schröder sind besorgt. Anlass: die so genannte Dienstleistungsrichtlinie. Damit will die europäische Kommission das Geschäft von Handwerkern, Ärzten oder Architekten erleichtern. Die sollen ihre Leistungen in Zukunft unbürokratisch über die Grenzen hinweg zu den Bedingungen des jeweiligen Heimatlandes anbieten können. Doch die Zünfte sind skeptisch, warum eigentlich, Tillmann Prinz, Bundesgeschäftsführer der Bundesarchitektenkammer in Berlin?

Tillmann Prinz, Bundesgeschäftsführer der Bundesarchitektenkammer in Berlin | 07.02.2005
    Prinz: Die Dienstleistungsrichtlinie erleichtert zwar den grenzüberschreitenden Verkehr, aber besonders Qualitätsstandards können dadurch abgebaut werden. Wenn jeder nach dem Herkunftsland-Prinzip arbeitet, gelten die Bestimmungen, wo die niedrigsten Regelungen vorherrschen und langfristig würden sich dann die Architekten am liebsten in dem Land niederlassen, das überhaupt keine Regelung vorhält. Und damit würden die Standards langfristig europaweit abgesenkt werden. Das wäre nicht im Interesse der Bauherren, der Nutzer, der Investoren.

    Guckeisen: Sind denn die Qualitätsstandards innerhalb Europas so unterschiedlich?

    Prinz: Sehr! Ausgesprochen! Die Europäische Union hat ja lange versucht, die Standards zu vereinheitlichen und hat jetzt gemerkt, dass die Vereinheitlichung langfristig nicht zu erreichen ist, weil die Standards so unterschiedlich sind.

    Guckeisen Ist das denn ne realistische Vision, dass wenn die Richtlinie kommt, dann hole ich mir beispielsweise einen Architekten aus Schweden als Bauherr?

    Prinz: Es ist sicherlich richtig, dass die Bauwirtschaft, die so sehr leidet, überwiegend auf den Preis achten wird. Wenn Leistungen ganz besonders günstig angeboten werden, dann vielleicht von weniger qualifizierten Architekten, die weniger Berufsregelungen beachten müssen, die aber im Schutze des Verbrauchers vorgesehen sind, dass man dann aufgrund des Preisdrucks eher den beauftragen würde. Es würde sicherlich zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen, weil nur noch die günstigste beauftragt würde.

    Guckeisen Auf der anderen Seite haben wir eine gemeinsame Währung. Im Bereich der Hochschule wächst Europa zusammen. Man guckt, dass man die Abschlüsse gegenseitig anerkannt bekommt. Jetzt soll man aber in diesem Bereich neue Schranken aufbauen?

    Prinz: Bei den Hochschulen gibt es jetzt parallel die so genannte Berufsanerkennungsrichtlinie, die ebenfalls momentan in der Verhandlung ist. Diese Richtlinie sieht eine Durchbrechung des Herkunftslandsprinzips vor. Wenn man sich in einem anderen Land als Architekt niederlassen will, dann muss man die Anerkennungsvorschriften des dortigen Landes berücksichtigen, weil man sagt, wir müssen das kontrollieren können. Das ist auch unsere Auffassung, bei der Dienstleistungsrichtlinie das entsprechend zu differenzieren, da wo das Bestimmungslandprinzip sinnvoll ist, weil man die Qualität kontrollieren muss, sollte man es weiter aufrecht erhalten. Wo man es aufgeben kann, weil die Standards schon relativ angeglichen sind, da kann das Herkunftslandsprinzip sicherlich gelten.