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Umstrittener Speicher

Umwelt. - Kraftwerksbetreiber hoffen auf die unterirdische Kohlendioxidspeicherung, unter Anlieger der Versuchsprojekte gibt es weitverbreitete Vorbehalte. Daher werden Kohlendioxidspeicher im Meeresboden interessant. Das europäische Forschungsprojekt Eco2 soll jetzt die Risiken und Potenziale dieser CCS genannten Technologie unter Wasser untersuchen.

Von Tomma Schröder | 20.05.2011
    Die Technik ist teuer und doch sehr nachgefragt: Nachdem die unterirdische Kohlendioxid-Speicherung an Land in vielen Regionen auf massiven Widerstand gestoßen ist, wächst die Zahl der Projekte, in denen das CO2 im Meeresboden gespeichert werden soll. Bei den von der EU geförderten Projekten sind dies genau drei von sechs. Doch während hier noch geforscht und geplant wird, hat man in Norwegen bereits vor 15 Jahren begonnen, Kohlendioxid im Meeresboden zu speichern. Im so genannten Sleipner-Feld in der norwegischen Nordsee fördert das Unternehmen Statoil Erdgas und speichert das anfallende CO2 gleich wieder vor Ort. Eine Million Tonnen CO2 wandern so pro Jahr in den Meeresboden. Und bleiben auch dort, so der zuständige Wissenschaftler bei Statoil Tore Torp.

    "Wir haben das Kohlendioxid kartiert und verfolgen die Ausbreitung von Jahr zu Jahr. Und es gibt keinerlei Anzeichen, dass das CO2 nach oben zum Meeresboden steigt."

    In dem europäischen Forschungs-Projekt Eco2 wollen Meereswissenschaftler diese Art der CO2-Speicherung nun genauer untersuchen. Dazu werden sie neben den beiden existierenden Statoil-Speichern Sleipner in der Nordsee und Snohvit in der Barentssee auch natürliche CO2-Quellen am Meeresboden untersuchen. Hier sollen die potentiellen Auswirkungen höherer Kohlendioxid-Konzentrationen auf Meereslebewesen untersucht werden. Denn im Gegensatz zu Tore Torp von Statoil, will Eco2-Koordinator Klaus Wallmann vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften Leckagen nicht ausschließen.

    "Die Frage ist, was passiert denn, wenn es doch leckt. Es gibt bei der Speicherung bisher die Annahme: Die Speicher sind 100 Prozent dicht, da kommt nichts raus. Und wenn irgendetwas rauskommt, dann muss man sie eben schließen. Mein Verständnis als Geowissenschaftler ist eigentlich eher so, dass ich sage: Es gibt keine 100 Prozent geschlossenen geologischen Reservoire. Es ist eher eine Frage, ob die vielleicht, wenn sie gut sind, 99 Prozent zurückhalten. Oder wenn sie schlecht sind, eben vielleicht nur 70 Prozent zurückhalten."
    Im Gegensatz zu Speichern an Land, die bis zum Gegenbeweis als "technisch dicht" gelten, sei ein CO2-Austritt bei Lagerstätten im Meeresboden dabei sehr viel leichter nachzuweisen, meint Klaus Wallmann. Denn kleine Gasbläschen im Wasser lassen sich schon mit relativ einfachen hydroakustischen Messungen nachweisen.

    "Man kann im Grunde genommen mit jedem Fischerboot, mit dem Sonargerät, was die an Bord haben, auch die Gasblasen am Meeresboden nachweisen. An Land ist das sehr viel schwieriger, da tritt das CO2 nicht direkt an der Oberfläche aus, sondern es wird meistens irgendwo in der ungesättigten Bodenzone oder eventuell auch in Grundwasserleitern aufgefangen, bevor es überhaupt sichtbar an der Oberfläche austritt."

    Bereits in zehn Tagen wird ein Forschungsschiff mit Tauchboot und hydroakustischen Messgeräten Richtung Sleipner losfahren. Denn, so Klaus Wallmann, eine genaue Untersuchung des Meeresbodens nach eventuellen Leckagen habe bisher nicht stattgefunden. Die Biologen in dem Forschungsprojekt werden derweil das Ökosystem an natürlichen CO2-Quellen am Meeresboden genauer anschauen und Labor-Simulationen durchführen. Frank Melzner vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel:
    "Ein wichtiges Thema wird eben sein, potentielle Leckage-Szenarien im Labor zu simulieren und dann deren Effekt auf Gemeinschaften und einzelne Organismen zu untersuchen. Und auch festzustellen, was sind Schwellenwerte, die für Gemeinschaften schädlich sind. Und da werden eine Reihe von Experimenten in Laboren in Nordeuropa durchgeführt werden, wo dann Sedimente zum Beispiel von Sleipner ins Labor gebracht werden und dort erhöhten CO2-Bedingungen ausgesetzt werden."

    Doch auch wenn Biologen, Chemiker und Geowissenschaftler die Gefahren einer CO2-Speicherung unterm Meer genau prüfen wollen: Es gehe auch darum, die Chancen der Technologie, so die Forscher. Schließlich sind die CO2-Reduktionsziele der EU ohne unterirdische Speicherung nur schwer zu erreichen.