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Umstrittener Strategiewechsel

Raumfahrt. - US-Präsident Barack Obama will einen gravierenden Strategiewechsel in der US-Raumfahrt. Die Nasa soll sich statt auf Eigenentwicklungen auf privatwirtschaftliche Raketen stützen, um ins Weltall zu gelangen. Eines dieser Privat-Vehikel ist die Falcon-9, die jetzt von Cape Canaveral aus starten soll.

Von Guido Meyer | 04.06.2010
    August 2008, die Marshall-Inseln – ein abgelegenes Eiland im Pazifik, wo einem weder der Himmel noch irgendwelche Raketen auf den Kopf fallen können. Ein mit Bedacht ausgewählter Ort, wie sich kurz nach dem Start der Falcon 1 zeigen sollte. Zunächst arbeiten alle Systeme normal, die erste Stufe zündet ohne Probleme und trägt die Rakete in die Höhe. Doch etwa zweieinhalb Minuten nach dem Start bricht die Übertragung plötzlich ab.

    Eine "Anomalie" sei aufgetreten, die sich später als die fehlgeschlagene Trennung von erster und zweiter Stufe herausstellen wird. Die Rakete wird aus Sicherheitsgründen gesprengt; zum dritten Mal erreicht eine Falcon 1 nicht die vorgesehene Umlaufbahn. Erst der vierte und fünfte Einsatz kurze Zeit später führten zum Erfolg und setzen eine leichte Nutzlast in eine Erdumlaufbahn aus. Die Bilanz der kalifornischen Firma SpaceX also ist nicht gerade rosig, und doch setzen die USA darauf, dass sie schon in fünf Jahren sicher Menschen transportieren können soll, da das staatliche Space-Shuttle-Programm in diesem Jahr ausläuft.

    "Wir müssen künftig bei privaten Anbietern Raketen kaufen. Für zwanzig Millionen Dollar bekommen wir einen Sitz an Bord einer Falcon 9. Das ist lächerlich! SpaceX hat überhaupt noch nie einen Menschen ins All geschossen, noch nicht einmal eine schwere Nutzlast. Tatsache ist, dass die Chancen 1:4 stehen, überhaupt eine Erdumlaufbahn zu erreichen."

    Unmut bei Robert Martinez, dem Vizepräsidenten der Gewerkschaft der am Kennedy Space Center beschäftigten Techniker und Ingenieure. Die fürchten um ihre Arbeitsplätze, da die Raumfähren künftig nicht mehr fliegen und das ursprünglich geplante Nachfolgeprogramm Constellation gestrichen werden soll. Auch die politisch Verantwortlichen im amerikanischen Kongress trauen SpaceX und den anderen emporstrebenden Raumfahrtfirmen nicht – stellvertretend Bill Nelson, demokratischer Senator aus Florida, der 1986 selbst mit einer US-Raumfähre im All war.

    "Ich glaube zwar, dass sie es schaffen. Ich möchte einfach nur, dass sie es mir zeigen. Wohler wäre mir, wir hätten einen Plan B, sollten die kommerziellen Raketen nicht funktionieren. Andernfalls säßen wir dann hier unten auf der Erde fest. Oder wir wären auf unabsehbare Zeit, bis ins nächste Jahrzehnt hinein, auf die Russen angewiesen, um zur Raumstation zu gelangen."

    Die Fronten sind derzeit klar: Politik und Gewerkschaften sind gegen die Privatisierungspläne der bemannten amerikanischen Raumfahrt, die Behörde Nasa und die Unternehmen SpaceX sowie fünf weitere Firmen sind dafür. Bretton Alexander, der Präsident der Commercial Spaceflight Federation.

    "Dieser Rollenwechsel für die Nasa war längst überfällig. Wir lassen den Staat nicht unsere Gesundheitsvorsorge regeln, wir lassen Regierungen keine Fluggesellschaften betreiben – warum also sollte der Staat Menschen ins All schicken?"

    Statt Raumfahrtbehörde mit eigenen Raumschiffen soll die Nasa künftig zu einer Agentur werden, die benötigte Hardware auf dem freien Markt käuflich erwirbt. Alan Lindenmeyer, Commercial Crew and Cargo Manager bei der Nasa:

    "SpaceX wird bei diesem Flug erstmals die zweistufige Falcon 9 verwenden. Sie wird mit flüssigem Sauerstoff und Kerosin betrieben. Die Falcon 9 ist eine größere Version der Falcon 1 mit neun Motoren. An ihrer Spitze kann sie eine Kapsel in eine Erdumlaufbahn schießen, die entweder mit Nachschub für die Raumstation bestückt ist oder mit bis zu sieben Astronauten."

    Dragon – "Drache" - ist der Name dieser Kapsel, die allerdings erst beim zweiten Testflug im Verlauf dieses Jahres erstmals mitgeführt werden soll.