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Umstrittenes Einwanderungsgesetz

US-Präsident Barack Obama hatte sich eigentlich auch noch das innenpolitische Ziel gesetzt ein neues Einwanderungsgesetz zu schaffen, doch ein Bundesgesetz kann er im Moment nicht durchsetzen. Deshalb will Arizona in der nächsten Woche ein eigenes Einwanderungsgesetz verabschieden, das schon jetzt als diskriminierend gilt – nicht nur in Washington.

Von Marcus Pindur | 24.07.2010
    460.000 der geschätzten 11 Millionen illegalen Migranten leben allein in Arizona leben – mehr als in irgendeinem anderen Bundesstaat der USA. Drogenschmuggler und kriminelle Banden machen sich das Milieu der Illegalen Zuwanderer immer wieder zunutze. Unter anderem deshalb hat das Parlament des Bundesstaates Arizona ein neues Gesetz gegen illegale Einwanderung verabschiedet.

    Es sieht vor, dass die lokale Polizei jederzeit, bei einem, wie es heißt "angemessenen" Verdacht den Immigrationsstatus von Personen überprüfen kann.
    Diese Klausel rief sofort Bürgerrechtsorganisationen auf den Plan. Das befördere das sogenannte racial profiling, eine Fahndungsmethode, die auf äußeren Merkmalen wie zum Beispiel auf der Hautfarbe beruht, und deshalb in den USA durch die Bürgerrechtsgesetzgebung verboten ist.

    Joan Friedland ist Anwältin des National Immigration Law Centers, einer Organisation, die sich für die Rechte der Einwanderer einsetzt.

    "Realistischerweise müssen wir davon ausgehen, dass Racial Profiling die Basis ist für einen Anfangsverdacht. Und im Trainingsvideo der Polizei in Arizona wird klar gesagt, dass Kleidung und Sprache einer Person die Grundlage für einen Verdacht sein können. Deshalb sagen ja sogar Polizisten in Arizona: Dieses Gesetz kann nur mithilfe von racial profiling durchgesetzt werden, das machen wir nicht mit."

    Die Polizei ist auf die Zusammenarbeit mit Einwanderern, auch mit illegalen, angewiesen, wenn sie im Drogenmilieu ermittelt. Brian Soller ist gegen das Gesetz. Er ist Polizist in der Stadt Mesa und Vorsitzender der lokalen Polizeigewerkschaft.

    "Was passieren wird, ist, dass die Leute vor der Polizei Angst haben werden. Sie werden uns meiden anstatt uns Informationen zu liefern oder Zeugenaussagen zu machen."

    Insgesamt neun County Sheriffs haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen. Der Sheriff von Pima County nennt es sogar Zitat "dumm und rassistisch". Das sehen die Befürworter ganz anders. Der Kongress in Washington habe nicht gehandelt, jetzt müsse man die Sache selbst in die Hand nehmen. Die republikanische Gouverneurin von Arizona, Jan Brewer.

    "Das Gesetz schützt uns alle, alle Bürger Arizonas, und alle, die hier rechtmäßig sind. Und es belässt die verfassungsgemäßen Rechte aller hier in Arizona stabil und sicher. Unsere Gesetze spiegeln die Bundesgesetze."

    Außerdem wies Jan Brewer darauf hin, dass das neue Polizeigesetz eine Personenüberprüfung aufgrund von Rasse, Hautfarbe und Herkunft ausdrücklich verbiete.

    "Die Polizisten werden sich jedermann gegenüber respektvoll verhalten. Sie verstehen ihren Job, sie haben einen Eid geleistet, und racial profiling ist illegal."

    Das beruhigt die Kritiker keineswegs. Raul Grijalva ist Abgeordnete der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, kommt aus Arizona. Grijalva selbst ist lateinamerikanischer Herkunft, hat dunkle Haut und tiefschwarze Haare. Wenn ein Weißer seine Brieftasche bei einer Polizeikontrolle vergesse, dann habe das keine Konsequenzen, so Grijalva, aber ...

    " ... wenn ich die Straße langfahre ohne Brieftasche und ein Polizist hält mich an, dann ist es relativ wahrscheinlich, dass ich festgenommen werde und eine Strafe bezahlen muss. Auf diese Art wird es zum racial profiling kommen. Und diese Diskriminierung führt dazu, dass so viele in Arizona völlig gegen dieses Gesetz sind."

    Präsident Obama wirbt unterdessen für eine Reform der Immigrationspolitik und für einen klar definierten Prozess, in dem die illegalen Einwanderer die Staatsbürgerschaft anstreben können.

    "Wir müssen von den illegalen Einwanderern Verantwortlichkeit fordern. Sie müssen zugeben, dass sie das Gesetz gebrochen haben. Sie sollten sich anmelden, ihre Steuern und eine Strafe bezahlen – und Englisch lernen. Sie müssen sich vor dem Gesetz ehrlich machen, dann erst können sie die Staatbürgerschaft anstreben.

    Nicht nur, weil das fair ist, nicht nur weil das anderen potenziellen Einwanderern zeigt, dass sie das im Rahmen unserer Gesetze tun müssen. Sondern, weil wir so klarstellen, was es heißt, Amerikaner zu sein: Ein Staatsbürger dieses Landes zu sein, bringt nicht nur Rechte mit sich, sondern auch bestimmte Pflichten."

    Die Lobby der Einwanderer wünscht sich dagegen eine tiefgehendere Reform. Noch einmal Joan Friedman, vom National Immigration Law Center:
    "Das Einwanderungsrecht arbeitet zum großen Teil außerhalb des normalen Rechtssystems. Die Leute haben nicht dieselben Rechte wie anderswo. Wenn man zum Beispiel deportiert werden soll, dann hat man nicht das Recht auf einen Anwalt. Wir wollen ein Immigrationsrecht, dass sich an den normalen verfassungsmäßigen Rechten orientiert."

    Das ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Denn als sich die Obama-Administration entschied, den Staat Arizona wegen des Gesetzes zu verklagen, da war klar, dass eine neue Stufe der Politisierung erreicht war. Die Zustimmung moderater Republikaner im Kongreß zu einer Reform der Einwanderungsgesetzgebung war damit in weite Ferne gerückt.

    Berater der Obama-Administration gaben hinter vorgehaltener Hand zu, dieser Schritt sei nicht nur der Sorge um die Bürgerrechte geschuldet, sondern er ziele langfristig auf die schnell wachsende Wählerklientel der Hispanics.

    Aber auch auf der konservativen Seite geht es derzeit um Stimmungen und Stimmen. John McCain, Senator für Arizona und erfolgloser Präsidentschaftskandidat 2008 präsentiert sich als Mann von Recht und Gesetz und lässt in diesem Wahlwerbespot 10 Sheriffs als Kronzeugen für ihn auftreten ...

    "Werbespot ... McCain ... "

    Auf den ersten Blick richtet sich dieser Werbespot gegen Präsident Obama, aber er zielt auf das Herz der sogenannten Tea-Party, einer rechtspopulistischen Graswurzelbewegung, die auch John McCain arg in Bedrängnis bringt. Sie macht sich für eine strikte Einwanderungsbegrenzung und die Abschiebung illegaler Einwanderer stark – und republikanische Abgeordnete und Senatoren spüren diesen Basisdruck.

    Und so ist zu befürchten, dass die Politisierung des Themas auf beiden Seiten des politischen Spektrums dazu führen wird, dass eine umfassende Reform der amerikanischen Einwanderungspolitik in absehbarer Zeit nicht Wirklichkeit werden kann.