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Umwelt im EU-Konvent

Selten zuvor hatten die Brüsseler Lobbyisten mehr zu tun. Denn kaum zuvor gab es solch eine konkrete Chance, das Thema Umwelt im Europa der Zukunft so aktiv mitzugestalten wie heute. Jetzt geht es darum, einen Konsens zwischen Ökologie und Ökonomie zu finden.

Von Simonne Doepgen |
    Für Elmar Brok, Mitglied des Konvents zur zukünftigen Verfassung Europas, ist dies ein ständiges Tauziehen:

    Das, was besonders spannend ist, ist zur Zeit die Chemiepolitik. Und hier müssen wir sehen, dass die unterschiedlichen Interessenlagen deutlich werden. Deutschland ist in dieser Frage ein wesentlicher Industriestandort. Umweltauflagen auf Chemiepolitik, haben was mit Arbeitsplätzen zu tun. Und hier die richtige Balance zu finden, im Austausch zwischen den ökonomischen und ökologischen Fragen, also auch die Interessenslagen der Staaten zu beachten – dies ist eine besonders spannende Angelegenheit, bei der Deutschland zur Zeit besonders unter Druck steht.

    Auszug aus dem europäischen Alltagsgeschäft: Lobbyisten und Politiker feilschen um die Auflagen einer gemeinsamen Umweltpolitik für bald 25 Länder. Somit wurden die Themen "Umweltschutz" und "nachhaltige Entwicklung" im Artikel drei des Konvents-Entwurfes zu ausdrücklichen "Zielen der EU" erklärt. Und es geht weiter. Klaus Hänsch, Sozialdemokrat und Präsidiumsmitglied des Europäischen Konvents:

    Zweitens werden wir festlegen, im ersten oder zweiten Teil, dass Umweltschutz bei Verfolgung auch der anderen Politikziele beachtet werden muss. Es ist also eine Querschnittaufgabe der EU. Und nicht eine, die man nur auf den Bereich Umwelt zuschneiden kann. Und dann werden wir das hohe Umweltschutzniveau, dass die Union heute schon anstreben muss, das werden wir erhalten.

    Umweltlobbyisten bemängeln jedoch: noch würden Umweltfragen zu wenig Beachtung finden. Elmar Brok, Abgeordneter der konservativen Fraktion des Europäischen Parlaments und Konventsmitglied, ist allerdings optimistisch. Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Energie seien ein roter Faden quer durch alle Artikel und würden sich nicht auf die europäische Innenpolitik beschränken:

    Das Thema der Nachhaltigkeit muss natürlich auch eine Rolle spielen im Bereich der Außenpolitik. In welcher Weise kann man das Thema beispielsweise in Außenhandelsverträge mit einbringen? Wenn es etwa um die Sicherung der Tropenwälder geht – beispielsweise kann das auch in der Entwicklungspolitik eine Rolle spielen. Dass Entwicklungsländer, die in einer Weise auch Umweltschutzaufgaben wahrnehmen, dafür natürlich besonders unterstützt werden, so dass es für die Entwicklungsländer interessant ist, auch Umweltschutzpolitik zu betreiben. Das gehört glaube ich zum Gesamtpaket hinzu.

    Wichtiger umweltpolitischer Punkt ist ebenfalls die "Energie". Erstmals teilen sich hier EU und Mitgliedsstaaten die Kompetenzen. Doch umstritten ist das "wie". Denn während die einen an dem atomenergiefreundlichen EURATOM-Vertrag von 1957 festhalten, fordern die anderen eine komplette Auflösung des europäischen Grundvertrages und eine definitive Absage an die Atomkraft per Verfassung.

    Auch im Agrarbereich fordern Umweltlobbyisten eine gründliche Reform, die dem Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung folgt und den Schutz des Klimas und der Artenvielfalt berücksichtigt. Im Hinblick auf die EU-Erweiterung eine ernst zu nehmende Herausforderung – doch der Konvent sieht hier seine Aufgaben nicht. Klaus Hänsch:

    Wir sind einberufen worden, eine Verfassung zu machen. Aber nicht um die Agrarpolitik zu ändern.

    Eine klare Aussage. Der Spielraum des Konvents ist begrenzt. Allerdings gilt es Rahmenbedingungen zu schaffen. Erneut Klaus Hänsch:

    Der Konvent kann und darf keine operationelle Politik machen. Dafür haben wir kein Mandat. Also wir können jetzt nicht sagen, es muss besonderer Wert auf Chemiepolitik gelegt werden. Oder wir müssen eine neue Abfallpolitik in der EU haben. Wir müssen nur die Möglichkeit schaffen in der Verfassung, dass es eine solche Politik geben kann. Aber wir dürfen sie nicht selbst machen. Dafür ist der Konvent nicht repräsentativ zusammengesetzt.

    Eine bessere Umwelt- und Energiepolitik dank einer europäischen Verfassung? Vielleicht. Sicher ist, dass die Entscheidungsprozesse verkürzt werden.

    Weil wir eine ganze Reihe von Entscheidungen künftig mit Mehrheit treffen werden. Und nicht mehr auf Einstimmigkeit warten müssen. Und wenn sich die politischen Mehrheiten dazu zusammenfinden, dann kann das umweltpolitische Gewicht gestärkt werden. Aber ob sie sich zusammenfinden, das kann der Konvent weder voraussehen noch gar befehlen.

    Der Countdown läuft. Mitte Juni werden Giscard d´Estaing und seine Konventskollegen einen ersten Verfassungsentwurf vorlegen. Wann die Verfassung dann tatsächlich in Kraft treten wird, ist ungewiss. Insider rechnen frühestens im Jahr 2006 damit.