Samstag, 20. April 2024

Archiv


Umwelt schonen oder zahlen

Rund ein Jahr lang wurden die Vorgaben für den Emissionshandel konkret geplant und umgesetzt. Nun kurz vor dem Start heißt das Stichwort Gelassenheit. Gelassenheit, weil die Zuteilungsbescheide für die rund 1.900 Anlagen pünktlich vor Weihnachten von der Deutschen Emissionshandelsstelle beim Umweltbundesamt verschickt wurden. Darin ist festgelegt, wie hoch die Emissionsberechtigungen beim Kohlendioxidausstoß in Deutschland in den kommenden drei Jahren sein werden. Eine verbindliche Richtschnur für die Industriebetriebe in Deutschland - auch wenn die Adressaten inzwischen ihrerseits Post an die Handelstelle geschickt haben. Widersprüche gegen die jeweiligen Zuteilungen häufen sich nun kurz vor dem Start, sagt Hans-Jürgen Nantke, der Leiter der Emissionshandelsstelle.

Von Dieter Nürnberger | 31.12.2004
    Das war auch gar nicht anders zu erwarten, denn erstens werden hier geldwerte Vorteile kostenlos verteilt. Da ist natürlich jeder Anlagenbetreiber bestrebt, möglichst viel davon abzubekommen. Und der zweite Punkt ist, dass an die einzelnen Anlagenbetreiber nicht so viel zugeteilt wurde, wie sich diese erwartet haben. Und dann überlegt man sich, wie man damit umgeht. Der erste Weg ist - das macht auch jeder Steuerbürger so - dass man Widerspruch einlegt, um die Rechtsposition zu wahren. Und dann schaut man, was man in diesem Verfahren noch erreichen kann.

    Allerdings haben diese Widersprüche keine aufschiebende Wirkung, der Handel kann somit am 1. Januar starten. Konkret nehmen 1.849 Anlagen von rund 1.200 Unternehmen teil. Insgesamt stehen jeweils 495 Millionen Tonnen CO2 in den nächsten drei Jahren in Deutschland zur Verfügung. Betroffen sind nicht der private Bereich und auch nicht der Verkehr, sondern Anlagen der Energiewirtschaft und der emissionsintensiven Industrie, also beispielsweise Anlagen in der Keramik-, Papier oder Glasherstellung, oder auch Zementwerke sowie Eisen -und Stahl-Produzenten. Die Idee ist einfach, die Umsetzung schon komplizierter und bürokratisch, denn es gibt knapp 60 verschiedene Kombinationen bei den Zuteilungsregeln. Der Grundgedanke ist aber marktwirtschaftlich.

    Für die Freisetzung von Treibhausgasen braucht man in Europa ab 1.1.2005 eine Genehmigung. Und den einzelnen Anlagen, die daran teilnehmen müssen, wird eine bestimmte Menge an Emissionsberechtigungen zugeteilt. Nach einem Jahr wird dann abgerechnet. Wenn Sie mehr Emissionen haben als Berechtigungen, dann haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder führen Sie technische Maßnahmen durch, um die Emissionen zu mindern, machen somit ihre Anlagen effizienter. Oder Sie kaufen Emissionsberechtigungen am Markt hinzu, so dass Sie im Endeffekt mehr emittieren können.

    Die Quoten für die einzelnen Betriebe wurden aufgrund bisheriger Emissionen und Prognosen berechnet. Allerdings reduzieren sich die jährlichen Gesamtmengen an Kohlendioxid im Vergleich zum bisherigen Ausstoß bis 2007 um durchschnittlich drei Prozent jährlich. Gehandelt werden die Werte an der Leipziger Strombörse - und hier gibt es auch schon Vorgaben.

    Es geht ja hier um ein marktwirtschaftliches Instrument - und dieser Markt muss sich ab dem 1.1.2005 entwickeln. Dass, was jetzt in Leipzig an der Strombörse gehandelt wird, sind Erwartungswerte. Da wird also erwartet, dass eine Tonne CO2 als Emissionsberechtigung etwa 8,50 Euro wert sein könnte. Ob das wirklich so ist, wird sich zeigen - wenn sich wirklich Angebot und Nachfrage gegenüberstehen. Genauso wie sich beispielsweise der Preis für Rohöl einpendelt.

    Politisch gestritten über den Emissionshandel wurde monatelang. Umweltminister Jürgen Trittin hatte ursprünglich eine deutlich verringerte Gesamtmenge an CO2 gefordert. Und enttäuschend ist auch, dass nur 16 der 25 EU-Staaten derzeit alle Voraussetzungen für den Handel erfüllen. Doch Hans-Jürgen Nantke rechnet schon bald mit Fortschritten.

    Für acht weitere Staaten wird dies innerhalb der ersten Wochen 2005 der Fall sein. Nachzügler ist Griechenland. Griechenland hat noch keinen Zuteilungsplan vorgelegt und wird von der Kommission entsprechend gedrängt. Letztlich liegt es im Interesse der einzelnen Mitgliedstaaten hieran teilzunehmen. Weil es sich ja um Instrument handelt, welches die Kosten für den Klimaschutz senken soll, im Bereich der Industrieanlagen. Und jedes Land, das nicht daran teilnimmt, verhindert, dass die Anlagen auch Kosten minimieren können. Das Land wird dann eventuell zu höheren Kosten am Klimaschutz teilnehmen müssen.

    Ob der Emissionshandel ein weiterer Baustein ist, um die Klimaziele Europas und der Bundesrepublik insbesondere zu erreichen, bleibt abzuwarten. Denn hierbei spielt nicht nur die Industrie eine Rolle, sondern vor allem auch der Verkehrsbereich. Experten rechnen aber damit, dass Unternehmen in den nächsten Jahren schon investieren werden, um ihre Anlagen effizienter im Sinne des Umweltschutzes zu machen.