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Umweltbundesamt
Rechenzentren verpulvern zu viel Energie

In Deutschland verbrauchen Rechenzentren und Großrechner so viel Energie wie vier mittelgroße Kraftwerke. Oft wird die Kühlung noch mit fossilen Energieträgern betrieben. Das Umweltbundesamt hat deswegen eine Green-IT-Strategie ins Leben gerufen und belohnt Behörden oder Firmen mit dem Blauen Engel, wenn sie Energie einsparen.

Von Ludger Fittkau | 02.08.2016
    Lange Reihen von Lichtern laufen in der Mitte des Bildes zusammen. Es zeigt ein automatisches Lager für Magnet-Datenbänder in einem Nebenraum des Supercomputers "Blizzard" im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg
    In Rechenzentren wird vor allem für die Kühlung eine Menge Energie verbraucht. (dpa picture alliance / Christian Charisius)
    Die Kühlung im Hochleistungs-Rechenzentrum sorgt für stetiges Getöse. 22 Meter hoch ist der sogenannte Green IT Cube am GSI Helmholtzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt. In der Endausbaustufe sollen fast 800 mehrere Meter hohe Rechnerschränke in dem würfelförmigen, fensterlosen Gebäude Platz finden können - auf sechs Etagen.
    Damit soll der Green IT Cube künftig eines der leistungsfähigsten wissenschaftlichen Rechenzentren der Welt sein. Gebraucht wird er für physikalische Simulationen sowie für die Auswertung der Daten, die in einigen Jahren gleich nebenan ein mehr als ein Kilometer langer Teilchenbeschleuniger liefern soll. Das ist, eine unterirdische Röhre, durch die kleinste Teilchen für physikalische Experimente auf große Geschwindigkeiten gebracht werden können. "FAIR" heißt die gigantische Forschungsanlage, der gerade gebaut wird.
    Der Energieaufwand für das neue Physiker-Rechenzentrum ist riesig. Deshalb dient der Green IT-Cube gleichzeitig als Wärmekraftwerk für ein neues Büro-und Kantinengebäude für mehr als 1.000 Wissenschaftler nebenan. Volker Lindenstruth ist Lehrstuhlinhaber für die Architektur von Hochleistungsrechnern an der Goethe-Uni Frankfurt am Main und gleichzeitig Leiter des Green-IT-Cube-Rechenzentrums in Darmstadt:
    "Das Gebäude, was hier gerade entsteht, das Büro- und Kantinengebäude wird im Winter von den Rechnern geheizt und im Sommer geben wir noch ein bisschen Kühlung zusätzlich ab."
    Weitere Gebäude kühlen oder wärmen
    Der Hochleistungsrechner wäre sogar in der Lage, viele weitere Gebäude auf dem großen Physik-Campus am Darmstädter Teilchenbeschleuniger mit Wärme oder Kälte zu versorgen – die Architekturplanung dazu läuft:
    "Voraussetzung ist dazu in unserem Falle, dass man Gebäudeaktivierung hat, das heißt Fußboden- und oder Wandheizung, dann geht das besonders effizient, wenn man normale Heizkörper hat, muss einfach das Warmwasser sehr viel heißer sein."
    Die Hochleistungs-Rechenzentren für das Beheizen oder die Kühlung umliegender Gebäude zu nutzen – das ist ein Weg, um die enorme Energie zu verwerten, die hier verbraucht wird, insbesondere zum Kühlen der Computer.
    Marina Köhn, Green-IT-Expertin beim Umweltbundesamt kritisiert, dass in den Rechenzentren allerdings zu viel gekühlt wird:
    "Die Server selber können heutzutage wesentlich höhere Temperaturen überstehen. Das haben Tests auch bewiesen. Und hier muss man einfach sagen: Jedes Grad, was wir hier höher setzen können, bedeutet in der Tat weniger Kühlung, die wir dann benötigen. Das spart unwahrscheinlich."
    Mangelhafte Auslastung
    Die Energiebilanz großer Rechenzentren wird auch durch die oft noch mangelhafte Auslastung getrübt. Die energieaufwendige Kühlung läuft auch dann weiter, wenn nicht gerechnet wird. Allein die Bundesbehörden betreiben mehr als 1.000 Rechenzentren und Serverräume. Um die Kosten zu reduzieren und Energie zu sparen, wird gerade an einem Zusammenlegungskonzept gearbeitet. "Konsolidierung" lautet das entsprechende Stichwort. Marina Köhn vom Umweltbundesamt:
    "Das führt dazu, dass der Server optimal ausgelastet wird. Denn wir haben derzeit, so schätzen es Fachleute ein, eine maximale Auslastung von 20 Prozent, eher weniger. Das Normale ist eher zehn Prozent Serverauslastung und das ist gigantisch wenig, finde ich."
    Aber es ist eben auch eine gigantische Energieverschwendung Denn die Kühlung läuft meistweiter, auch wenn die Anlagen nicht gebraucht werden. Das Umweltbundesamt fordert die Rechnerbetreiber dringend dazu auf, bestehende Anlagen besser auszunutzen- etwa durch Kooperation mir anderen Einrichtungen.
    Falsche Ökonomie
    Der Darmstädter Rechenzentrumsleiter Volker Lindenstruth nennt einen Grund dafür, warum bisher oft in Behörden oder großen Firmen so wenig auf die Auslastung von Rechenzentren geachtet wird, obwohl die energiefressenden Kühlungen weiterlaufen:
    "Man ist sehr konservativ. Traut sich nicht so sehr an die Dinge ran und es wird oft auch nicht wirklich gegengerechnet, was das kostet. Die Betriebs- und die Anschaffungskosten sind verschiedene Etats. Werden von verschiedenen Leuten bezahlt. Und diejenigen, die sozusagen das Risiko eines nicht funktionierenden Computers zu tragen haben, zahlen aber nicht die Betriebskostenrechnung. Und schon haben sie das, was man `false economy´ nennt. Aufkommende Miss-Situationen und das hat sich bis heute so fortgesetzt."
    Diese "falsche Ökonomie" trägt dazu bei, dass die IT-Branche heute so viel CO2 verbraucht wie der weltweite Flugverkehr. Doch 85 Prozent der Verantwortlichen in Firmen und Behörden kennen den enormen Energiebedarf ihrer Rechenzentren nicht. Durch die Verleihung von sogenannten Blauen Engeln fördert das Umweltbundesamt nun die Rechenzentren, die in der Praxis beweisen: Es geht auch mit deutlich weniger Servern, wenn die vorhandenen besser ausgelastet werden:
    "Genau. Und wenn Sie weniger Server in den Rechenzentren haben, dann brauchen Sie auch weniger Energie. Es muss weniger Wärme produziert werden und somit muss eben weniger Wärme abgeführt werden."