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Umweltfreundlich lackieren

Umwelt. - Zur Möbelpflege und für viele andere Zwecke ist seit langem Schellack im Gebrauch, dessen Harz mit Hilfe von Lackschildläusen gewonnen wird. Heute haben die Kunstharzlacke Schellack abgelöst. Auch sie sind umweltfreundlicher geworden, doch der Hauptbestandteil eines Kunstlacks, das Harz, wird nach wie vor aus Erdöl gewonnen. Auf der "European Coatings Show" in Nürnberg zeigen Forscher nun einen Möbellack, dessen Harz teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen stammt.

Von Hellmuth Nordwig | 01.04.2009
    Harz ist der wichtigste Bestandteil eines Lacks. Er bildet nach dem Trocknen des Anstrichs eine gleichmäßige, dichte und feste Schicht aus. Für Möbellacke sind Kunstharze in Gebrauch, zum Beispiel Polyurethan. Dessen Molekülstruktur gleicht einer Kette, bei der sich Perlen aus zwei verschiedenen Farben abwechseln. Diese beiden Bestandteile werden bisher aus Erdöl gewonnen. Forschern am Fraunhofer-Institut für Holzforschung in Braunschweig ist es nun gelungen, eine der beiden Perlenarten zu ersetzen - durch eine Substanz, die aus Glyzerin hergestellt wird, berichtet Dr. Guido Hora.

    "Wir haben ja in den letzten Jahren einen großen Trend zur Biodieselherstellung. Und dabei fällt Glyzerin in großer Menge als Abfallstoff an, so dass das Glyzerin sehr günstig geworden ist, weil große Mengen verfügbar wurden. Und dieser Thematik haben wir uns gemeinsam mit anderen Fraunhofer-Instituten vor fünf Jahren angenommen und überlegt: Was kann man aus dem Glyzerin machen? Und da bot sich für uns ganz konkret das 1,3-Propandiol an."

    So nennen Chemiker den Grundbestandteil des Harzes, das die Braunschweiger Forscher für einen neuen Möbellack verwenden. Bei diesem Anstrich besteht nun jede zweite Perle, also die Hälfte der Bausteine aus einem nachwachsenden Rohstoff. Auf der Messe "European Coatings Show" in Nürnberg zeigt das Institut einen Tisch, der damit lackiert wurde. Äußerlich ist die Beschichtung von einem handelsüblichen Klarlack nicht zu unterscheiden. Und auch sonst, sagt Guido Hora, konnten die Forscher den Lack an die Industrienorm anpassen, die für Möbellacke gilt.

    "Bezüglich Chemikalienresistenz, einer hohen Elastizität, die wir für bestimmte Anwendungen benötigen, oder in der Kombination mit einer bestimmten Komponente, die das Ganze für Möbelanwendungen hart macht. Wir stellen zwar auf der Messe einen Möbellack aus, haben aber mit der Entwicklung angefangen für den Außenbereich. Und Holzlacke für den Außenbereich müssen wesentlich elastischer eingestellt werden, während Holzlacke für Möbel härter eingestellt werden müssen."

    Sonst könnte man kein Geschirr auf einen Tisch stellen, ohne dass Kratzer zurück bleiben. Lacke für Fenster, Zäune oder Gartenmöbel enthalten ein weicheres Harz, so genanntes Acrylat. Auch hier konnten die Forscher einen wichtigen Bestandteil aus einem nachwachsenden Rohstoff herstellen, nämlich aus gewöhnlichem Zucker. Zusammen mit einer Firma optimieren die Entwickler diesen Außenlack zurzeit. Bei den Möbellacken sind sie schon weiter.

    "Wir haben industrielle Partner, die an der Herstellung des 1,3-Propandiols großes Interesse bzw. damit schon begonnen haben. Was uns noch fehlt, ist ein Lackverarbeiter, der diese Komponenten auch in großen Tonnagen verarbeiten wird."

    Wenn es soweit ist, werden Tischler also einen Lack verwenden können, der fast keine Erdölprodukte enthält. Noch wandeln die Braunschweiger Forscher Glyzerin im Chemielabor zu Propandiol um. Doch auch das soll sich ändern. Bakterien können diese Aufgabe ebenso gut übernehmen, haben Stuttgarter Fraunhofer-Forscher um Dr. Wolfgang Krischke gezeigt.

    "Das Glyzerin ist eine hoch konzentrierte Brühe, die aus der Biodiesel-Herstellung kommt. Das wird also verdünnt und dann kommt das in einen Fermentationsbehälter, einen so genannten Bioreaktor. Das ist ein Edelstahlbehälter, im industriellen Maßstab mehrere Kubikmeter. Da wird dann die Umsetzung gemacht. Die Fermentationsbrühe, die das Produkt enthält, kommt dann in die Aufarbeitung, da werden die Produkte gereinigt und abgetrennt. Die abgetrennten Stoffe kommen dann in die Chemiefabrik und werden zu weiterführenden Produkten umgesetzt."

    Etwa zum neuen Möbellack aus Braunschweig. Dort erwarten die Forscher, dass der neue Lack nicht einmal teurer sein wird als heute. Denn Glyzerin steht reichlich als Abfall zur Verfügung.