Der Fahrer des Staatssekretärs brettert mit 150 Sachen über die Autobahn. Was in den Weg kommt, wird überholt, wenn es sein muss auch rechts. Jürgen Walter mit dem langatmigen Amtstitel Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst räuspert sich kurz: "Wir haben es nicht eilig". Der Fahrer nickt und fährt die nächsten paar Kilometer langsamer. Walter telefoniert, zeitweilig mit zwei Telefonen gleichzeitig:
"Ne, um Gottes willen, geben Sie es der Frau Bauer mit."
Der Fahrer gibt wieder Gas.
"Okay, alles klar. Danke tschüss."
Eine Klausurtagung der Grünen steht am Abend an, zuvor Termine im Land. Walters schwarzen Schuhe blitzen, die Anzugsjacke hat er über einen Bügel gehängt. Betont lässig fährt er sich durchs graumelierte Haar.
"Ich habe nur eine kurze Frage. Gibt es eigentlich keine Unterlagen, da war nichts in der Mappe."
Staatssekretär Walter fährt - ökologisch korrekt - am liebsten mit der Bahn. Doch trotz Regierungswechsel- die Fahrer der Fahrbereitschaft sollen nicht arbeitslos werden. Die Dienstwagenflotte samt Chauffeure und die Ökopartei - ein ganz besonderes Verhältnis. "Die Landesregierung muss Vorbildcharakter bei der Umsetzung nachhaltiger Mobilität haben." So steht es im Koalitionsvertrag:
"Ich habe jetzt auch Wert darauf gelegt, dass ich ein kleineres Auto bekomme. Wir müssen natürlich unbedingt eines aus dem Land bestellen, das ist klar, ich wollte auch keine so eine schwarze Limousine, die so irgendwie die Arroganz des postmonarchistischen ausstrahlt, das wollte ich ablegen, ich habe jetzt ein silbriges Auto, kleiner und da fühle ich mich wohler und wir haben weiterhin noch ein Brennstoffzellenauto, auch das werde ich nutzen."
Ankunft. Der Fahrer öffnet den Kofferraum
"Da ist ein Koffer, den hat mir die Frau Hutzel mitgegeben."
"Da muss ich schauen, was ich brauche."
Einige Chauffeure merkten schnell, was der neue Politikstil in der Praxis bedeutet. Staatssekretär Walter besteht darauf, seinen Aktenkoffer alleine aus dem Auto ins Büro zu tragen. Früher ein Unding. In den ersten Tagen nach Amtsantritt wartete er in seinem Haus auf seinen Fahrer, der Fahrer draußen im Auto. Der Chauffeur kannte es nicht anders, klingeln an der Haustür des Chefs war in der Vergangenheit verpönt.
Walter bricht mit diesem und anderen Tabus. Als er die Landesregierung beim Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Uruguay vertrat, nahm er seinen Fahrer selbstverständlich mit ins Hoffenheimer Stadion:
"Für ihn war das glaube ich auch ein freudiges Erlebnis, und er hat sich auch mehrfach bedankt. Das zeigt auch, dass es offensichtlich nicht immer selbstverständlich war und das wollen wir natürlich ändern."
Die Neuen an der Regierung wollen viel ändern, auch die Rhetorik. Das gesprochene Wort soll mehr Substanz haben.
Am Karlsruher Staatstheater verabschiedet Walter den Generalintendanten Achim Thorwald. Dessen Wirken war nicht nur ein Glücksfall für das Badische Staatstheater, sondern auch für Kultur und Kunst in ganz Baden-Württemberg, sagt der Kunststaatsekretär. Die Rede stammt nicht aus seiner Feder, eine neue Erfahrung für den 53-jährigen, der einst Deutsch und Englisch studiert hat. In den ersten Wochen seiner Amtszeit schrieb er jede Rede um, bevor er ans Mikrofon trat. Sein Credo: Kultur macht reich:
"Die Mitarbeiter wussten ja nicht, was für eine Einstellung ich habe, wie ich ticke, man musste sich erst aneinander gewöhnen. Außerdem ging es mir darum, dass wir mehr Inhalte in diese Reden reinbringen; ich bin natürlich nicht der Ersatzkulturschaffende, aber ich möchte den Menschen sagen, was für eine Philosophie ich habe, hauptsächlich wenn man neu ist. Ich möchte nicht nur diese Blumenstraußreden halten, in dem man sagt, das Land ist super und macht alles richtig und die Geehrten sind auch alle toll, sondern es geht uns auch darum zu sagen, was bedeutet uns Kunst, was bedeutet uns Kultur."
Ein Termin folgt dem nächsten, noch ist beim Staatssekretär von Alltagstrott nichts zu spüren, auch wenn sich manche Termine gleichen.
Begrüßung, Dank, Ehrung, Abschied. Kultur macht reich, manchmal müde:
"Nee, das habe ich nicht geschafft. Ich bin erst um 10 Uhr nach Hause gekommen, da wollte ich nicht mehr anrufen."
Jürgen Walter ist seit 1992 Landtagsabgeordneter. Die ersten hundert Tage als Staatssekretär waren lehrreich, sagt er, verändert hat ihn das Amt nicht. Optisch schon, früher trug er eher lässige Kleidung, jetzt fast nur noch feinen Zwirn. Er wünsche sich auch in Zukunft bleiben zu können wie er ist: ein vielseitig interessierter Politiker, der mit seinem Sohn jedes Spiel des VfB Stuttgart besucht:
"Und ich versuche auch möglichst vielen Leuten beizubringen, die mir jetzt nicht so nahe stehen, dass sie mich weiterhin mit Herrn Walter und nicht mit Herrn Staatssekretär ansprechen, das ist mir zu unterwürfig."
Der Staatssekretär für Kunst sitzt in seinem Büro mitten in der Stuttgarter Innenstadt. Das Büro ist - entgegen schwäbischer Bescheidenheit - riesig. Sein Schreibtisch so groß wie zwei Billardtische, daneben Regale, eine Sitzgruppe, ein kleiner Cocktailtisch und zwei schwarze Sessel. Auf einem der Sessel liegt Walters Rucksack. Heute ist er mit dem Fahrrad gekommen, verrät er. Das will er beibehalten, wann immer sein Terminkalender es zulässt. Ich will erreichbar bleiben, den Kontakt zu den Menschen behalten, sagt Walter. Das weiß auch sein Vorzimmer:
"Leute, die hier anrufen, werden durchgestellt. Ich bin immer noch für alle zu sprechen. Dann muss man sich natürlich daran gewöhnen, dass man rund um die Uhr versorgt wird; bei den Grünen war vieles handgestrickt, man hat viel mehr nach eigenem Antrieb gearbeitet, hier ist der Tag viel mehr durchgetaktet."
Walter hat riesigen Spaß daran, Regierungsverantwortung zu tragen. 19 Jahre lang habe er Anträge in der Regel für den Papierkorb geschrieben. Sagt es und öffnet eine große Unterschriftenmappe. Jetzt sind die Papiere, die er unterschreibt, von Bedeutung.
"Ne, um Gottes willen, geben Sie es der Frau Bauer mit."
Der Fahrer gibt wieder Gas.
"Okay, alles klar. Danke tschüss."
Eine Klausurtagung der Grünen steht am Abend an, zuvor Termine im Land. Walters schwarzen Schuhe blitzen, die Anzugsjacke hat er über einen Bügel gehängt. Betont lässig fährt er sich durchs graumelierte Haar.
"Ich habe nur eine kurze Frage. Gibt es eigentlich keine Unterlagen, da war nichts in der Mappe."
Staatssekretär Walter fährt - ökologisch korrekt - am liebsten mit der Bahn. Doch trotz Regierungswechsel- die Fahrer der Fahrbereitschaft sollen nicht arbeitslos werden. Die Dienstwagenflotte samt Chauffeure und die Ökopartei - ein ganz besonderes Verhältnis. "Die Landesregierung muss Vorbildcharakter bei der Umsetzung nachhaltiger Mobilität haben." So steht es im Koalitionsvertrag:
"Ich habe jetzt auch Wert darauf gelegt, dass ich ein kleineres Auto bekomme. Wir müssen natürlich unbedingt eines aus dem Land bestellen, das ist klar, ich wollte auch keine so eine schwarze Limousine, die so irgendwie die Arroganz des postmonarchistischen ausstrahlt, das wollte ich ablegen, ich habe jetzt ein silbriges Auto, kleiner und da fühle ich mich wohler und wir haben weiterhin noch ein Brennstoffzellenauto, auch das werde ich nutzen."
Ankunft. Der Fahrer öffnet den Kofferraum
"Da ist ein Koffer, den hat mir die Frau Hutzel mitgegeben."
"Da muss ich schauen, was ich brauche."
Einige Chauffeure merkten schnell, was der neue Politikstil in der Praxis bedeutet. Staatssekretär Walter besteht darauf, seinen Aktenkoffer alleine aus dem Auto ins Büro zu tragen. Früher ein Unding. In den ersten Tagen nach Amtsantritt wartete er in seinem Haus auf seinen Fahrer, der Fahrer draußen im Auto. Der Chauffeur kannte es nicht anders, klingeln an der Haustür des Chefs war in der Vergangenheit verpönt.
Walter bricht mit diesem und anderen Tabus. Als er die Landesregierung beim Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Uruguay vertrat, nahm er seinen Fahrer selbstverständlich mit ins Hoffenheimer Stadion:
"Für ihn war das glaube ich auch ein freudiges Erlebnis, und er hat sich auch mehrfach bedankt. Das zeigt auch, dass es offensichtlich nicht immer selbstverständlich war und das wollen wir natürlich ändern."
Die Neuen an der Regierung wollen viel ändern, auch die Rhetorik. Das gesprochene Wort soll mehr Substanz haben.
Am Karlsruher Staatstheater verabschiedet Walter den Generalintendanten Achim Thorwald. Dessen Wirken war nicht nur ein Glücksfall für das Badische Staatstheater, sondern auch für Kultur und Kunst in ganz Baden-Württemberg, sagt der Kunststaatsekretär. Die Rede stammt nicht aus seiner Feder, eine neue Erfahrung für den 53-jährigen, der einst Deutsch und Englisch studiert hat. In den ersten Wochen seiner Amtszeit schrieb er jede Rede um, bevor er ans Mikrofon trat. Sein Credo: Kultur macht reich:
"Die Mitarbeiter wussten ja nicht, was für eine Einstellung ich habe, wie ich ticke, man musste sich erst aneinander gewöhnen. Außerdem ging es mir darum, dass wir mehr Inhalte in diese Reden reinbringen; ich bin natürlich nicht der Ersatzkulturschaffende, aber ich möchte den Menschen sagen, was für eine Philosophie ich habe, hauptsächlich wenn man neu ist. Ich möchte nicht nur diese Blumenstraußreden halten, in dem man sagt, das Land ist super und macht alles richtig und die Geehrten sind auch alle toll, sondern es geht uns auch darum zu sagen, was bedeutet uns Kunst, was bedeutet uns Kultur."
Ein Termin folgt dem nächsten, noch ist beim Staatssekretär von Alltagstrott nichts zu spüren, auch wenn sich manche Termine gleichen.
Begrüßung, Dank, Ehrung, Abschied. Kultur macht reich, manchmal müde:
"Nee, das habe ich nicht geschafft. Ich bin erst um 10 Uhr nach Hause gekommen, da wollte ich nicht mehr anrufen."
Jürgen Walter ist seit 1992 Landtagsabgeordneter. Die ersten hundert Tage als Staatssekretär waren lehrreich, sagt er, verändert hat ihn das Amt nicht. Optisch schon, früher trug er eher lässige Kleidung, jetzt fast nur noch feinen Zwirn. Er wünsche sich auch in Zukunft bleiben zu können wie er ist: ein vielseitig interessierter Politiker, der mit seinem Sohn jedes Spiel des VfB Stuttgart besucht:
"Und ich versuche auch möglichst vielen Leuten beizubringen, die mir jetzt nicht so nahe stehen, dass sie mich weiterhin mit Herrn Walter und nicht mit Herrn Staatssekretär ansprechen, das ist mir zu unterwürfig."
Der Staatssekretär für Kunst sitzt in seinem Büro mitten in der Stuttgarter Innenstadt. Das Büro ist - entgegen schwäbischer Bescheidenheit - riesig. Sein Schreibtisch so groß wie zwei Billardtische, daneben Regale, eine Sitzgruppe, ein kleiner Cocktailtisch und zwei schwarze Sessel. Auf einem der Sessel liegt Walters Rucksack. Heute ist er mit dem Fahrrad gekommen, verrät er. Das will er beibehalten, wann immer sein Terminkalender es zulässt. Ich will erreichbar bleiben, den Kontakt zu den Menschen behalten, sagt Walter. Das weiß auch sein Vorzimmer:
"Leute, die hier anrufen, werden durchgestellt. Ich bin immer noch für alle zu sprechen. Dann muss man sich natürlich daran gewöhnen, dass man rund um die Uhr versorgt wird; bei den Grünen war vieles handgestrickt, man hat viel mehr nach eigenem Antrieb gearbeitet, hier ist der Tag viel mehr durchgetaktet."
Walter hat riesigen Spaß daran, Regierungsverantwortung zu tragen. 19 Jahre lang habe er Anträge in der Regel für den Papierkorb geschrieben. Sagt es und öffnet eine große Unterschriftenmappe. Jetzt sind die Papiere, die er unterschreibt, von Bedeutung.