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Umweltgefahr durch Biogas?

Erneuerbare Energien bieten vielen Landwirten eine neue wirtschaftliche Perspektive. Aber mit der Ausbreitung dieser zukunftweisenden Technologie stellt sich nach und nach heraus, das sie auch eine problematische Seite hat. Insgesamt ist Vieles an der künftigen Entwicklung noch unklar. Experten warnen jetzt, dass man etwa im Bereich der Ökologie wachsam sein sollte.

Von Remko Kragt |
    Am Rande des kleinen Dorfs Lenthe bei Hannover breitet sich eine große Baustelle aus. Hugo Schleupen, angestellter Verwalter der beiden landwirtschaftlichen Güter im Dorf, pflügt mit seinem Radlader durch den Schlamm. Er baut er eine große Biogasanlage auf - fast alleine.

    " Dieses, was wir hier bauen, ist 1,5 Millionen. Das sind Investitionen in einer Höhe, wie wir sie bisher nicht kannten. Das darf eigentlich nicht schief gehen. "

    Der Gutsverwalter blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Denn das "Erneuerbare Energien Gesetz" sorgt dafür, dass die Biogasanlage sich für mindestens 20 Jahre auszahlen wird.

    " Ein Kilogramm Getreide als Brotweizen verkauft bringt nur halb so viel wie ein Kilo Getreide in den Ofen tun und das verbrennen und energetisch nutzen. "

    Die Anlage erzeugt Strom und Wärme. Der Strom wird zu garantierten Bedingungen ins öffentliche Netz eingespeist. Mit der Wärme sollen die etwa dreißig Einfamilienhäuser eines Neubaugebietes am Dorfsrand beheizt werden - und zwar gratis. Zusätzliche Fördermittel für die Kraft-Wärme-Kopplung machen diesen Service möglich. Darüber hinaus entsteht kein Abfall. Weil die Anlage nur mit pflanzlicher Biomasse betrieben wird, können selbst die Reste wieder als Dünger ausgebracht werden. So kann Hugo Schleupen kurz und bündig feststellen:

    " Nur Vorteile für alle! "

    Allerdings bedingt der Betrieb einer Biogasanlage erhebliche Umstellungen in der Landwirtschaft. Die gewohnten gelben Getreidefelder im Spätsommer wird es beim Anbau von Energieroggen nicht mehr geben. Man erntet ihn bereits vor der Reife, als sogenannter Grünroggen. Auch die Fruchtfolge ändert sich.

    "…, dann sähen wir ihn im September aus, ernten ihn schon Ende April/Anfang Mai und bauen danach dann noch eine zweite Frucht an. Das ist der Unterschied. "

    Der Vorteil: die Äcker sind das ganze Jahr über bedeckt. Aber es gibt auch Nachteile. Veränderte Termine für Aussaat und Ernte könnten erhebliche ökologische Auswirkungen haben. Davor warnt etwa die Brandenburger Biologin Krista Dziewiaty.

    " Mai ist nun gerade die Zeit, wo alle Vögel - Feldlerche, Schafstelze, Heidelerche, Ortulan - alle Vögel, auch Hase, Reh, die im Acker sind, wo die Brüten oder Junge haben. "

    Die Biologin hat mögliche Folgen des Anbaus energetischer Pflanzen untersucht. Es könnte eine tückische Situation für Feldvögel entstehen, meint sie.

    " Das ist natürlich richtig so eine ökologische Falle. Wintergetreide ist optimal für die Vögel, die ankommen aus dem Winterquartier und hier mit der Brut anfangen. Das ist natürlich ein gutes Brutgebiet für die Vögel und sie fangen da an, Nester zu bauen und auch zu brüten. "

    Die Feldbrüter würden geradezu hereingelegt. Zuerst sei das früh wachsende Getreide ein attraktiver Nistplatz. Dann werde es schon während der Brutzeit abgemäht. Hinzu komme dass der riesige Flächenbedarf für Energiepflanzen, der sich abzeichnet, auf Kosten von Brachflächen gehen dürfte. Auch sie würden gerne von Vögeln besiedelt. Dies alles aber, sagt die Biologin, könne keine grundsätzliche Kritik an der Energiegewinnung aus Biogas sein. Man müsse vielmehr sicherstellen, dass genügend ungestörte Nisträume erhalten bleiben.

    " Da gibt es sicherlich Kompromisse, zum Beispiel durch Anlage von Randstreifen, dass man möglichst kostensparend etwas tut, damit die Vögel nicht gänzlich verdrängt werden. Da muss man einfach gucken. Die ganze Entwicklung bei Biogas, nachwachsende Rohstoffe, das ging jetzt halt so schnell, da ist die Forschung einfach noch nicht nachgekommen. "

    Die Biogasgewinnung bietet nicht nur eine neue wirtschaftliche Perspektiven. Sie ist in mancher Hinsicht auch ein Experiment. Das gilt für die Natur wie für die Landwirte. Hugo Schleupen:

    " Weil alles noch so in den Kinderschuhen steht, wissen wir noch nicht, was wir in 2-3-4 Jahren hier auf unseren Feldern anbauen werden. Wir suchen noch nach einer Fruchtfolge, die uns einen möglichst großen Nutzen bringt und trotzdem die Regeln der guten fachlichen Praxis im Ackerbau einhält. "