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Umweltgifte aus Flußbetten

Manch einer, der sein Glück als Goldgräber an einem Fluß zu machen versucht, benutzt dazu auch heute noch giftiges Quecksilber. So wie die Menschen im 16. Jahrhundert, die mit Hilfe des Schwermetalls Silber aufspüren wollten. Übrigens nicht nur im Wilden Westen, sondern auch in unseren Regionen. Obwohl seitdem viel Wasser den Rhein hinabgeflossen ist, haben die Sedimente diese Verschmutzungen aufbewahrt. Sedimente sind ein natürlicher Bestandteil der Gewässer: feinste organische oder mineralische Schwebstoffe, die sich am Grund absetzen und dort manchmal etwas faulig riechen. Unter Umständen wachsen sich die Sediment-schichten zu gefährlichen Schadstoffdeponien aus. Ein Workshop des europäischen Forschungsnetzwerks ‚Sednet’ in Berlin beschäftigt sich noch bis morgen mit dem Problem kontaminierter Sedimente.

Von Klaus Schell |
    Schon im 16. Jahrhundert begann die Verschmutzung der Flüsse durch Schwermetalle, beispielsweise durch Quecksilber, das man zur Gewinnung von Silber verarbeitete. Und obwohl seitdem viel Wasser den Rhein hinabgeflossen ist, haben die Sedimente diese Verschmutzungen aufbewahrt. Sedimente gelten deshalb auch als das Gedächtnis der Gewässer. Erinnerungen aus jüngeren Tagen sind z.B. die Hormonrückstände aus der Pille oder auch Abbauprodukte von Medikamenten Vor allem in den Gewässern der Ballungsräume schädigen sie das Immunsystem und auch die Fortpflanzungsfähigkeit von Sedimentbewohnern wie, Muscheln Würmern oder Fischen. Chemieprofessor Damia Barcello aus Barcelona:

    Das Probleme mit belasteten Sedimenten sind überall die gleichen. Die Verschmutzungen gelangen entweder aus den Sedimenten ins Grundwasser, oder sie werden in den Flüssen wieder aufgewirbelt, wie bei der großen Überschwemmung in Deutschland im letzten Jahr

    Werden die Fahrrinnen schiffbarer Flüsse ausgebaggert, und das Baggergut zu Baustoffen verarbeitet, gelangen die Gifte eventuell in die unmittelbare Wohnumgebung des Menschen und führen so zu schleichenden Gesundheitsschäden. Sedimentverschmutzung ist ein länderübergreifendes Problem - deswegen wurde im Jahr 2002 das europäische Forschungs-Netzwerk "Sednet" gegründet. Das"European Sediment Research Network" wird von der EU-finanziert. Es fördert den Austausch von Expertenwissen zwischen europäischen Sediment- und Gewässerforschern und bildet gleichzeitig eine Schnittstelle zu den betroffenen Hafen-, Wasser- oder Umweltbehörden. Jürgen Büsing, wissenschaftlicher Referent im Umweltforschungsprogramm der EU Kommission in Brüssel

    Da spielen natürlich die neu hinzukommenden Accession-Countries eine große Rolle, zentral Osteuropa, wo auch eine Reihe von großen Kontaminationen; Bodenkontaminationen, Wasserkontaminationen, Grundwasserkontaminationen – Altlasten, auf Deutsch gesagt – vorliegen wo SedNet einen wichtigen Beitrag zur Problemlösung leisten kann.

    Jürgen Büsing, ist überzeugt davon, dass dies nur interdisziplinär geschehen kann. So wurde kürzlich in Spanien durch gezielte Suche und verfeinerte Analytik eine neue giftige Anreicherung in Sedimenten entdeckt, nämlich Entflammungshemmer. Diese allgegenwärtige Chemikalie verhindert, dass beispielsweise Fernseher, Vorhänge oder auch Sessel sich bei starker Hitze oder im Brandfall allzu leicht entzünden. Jürgen Büsing erhofft sich durch Kontakte zur Industrie den Ersatz solch giftiger Substanzen, also Veränderungen im Produktdesign aber auch in Recyclingprozessen.-Erst nachdem die Hauptverursacher identifiziert und beseitigt sind, kann auch der verschmutzte Gewässergrund gereinigt werden. Professor Peter Hansen, Ökotoxikologe an der Technischen Universität-Berlin beschreibt den Sanierungsfall "Rummelsburger Bucht", unweit des Berliner Stadtzentrums

    Da ist es so, dass wir mit viel Geld und mit viel Aufwand vom Senat aus betrieben haben die Sedimente auszutauschen und richtig also auszukoffern, denn da waren militärische Altlasten drin. Heute hat man an dem Gewässer ein Waterfront-Development, wie man hier so flott sagt, also Wasserstädte, das heißt also urbanes Wohnen an der Wasserfront, das ist ja momentan sehr aktuell in dieser Stadt.

    So schön das Ergebnis auch ist, solche harten Sanierungsmaßnahmen wie der Austausch oder auch die Abdeckung belasteter Sedimente sind im Extremfall zwar notwendig, im Grunde sind sie Peter Hansen aber zuwider, sondern er setzt viel lieber auf die biologische Selbstreinigungskraft:

    Alles was sie am Gewässer, als Sediment oder am Boden manipulieren als Mensch, ist alles nur halbes Werk, aber die Natur, die weiß wie es gemacht wird, man muss sie nur lassen.

    Auch Professor Barcello fordert Freiheit für das Sediment: Es soll leben und in Verbindung sein mit uns und der Natur.