Fast 170 Kommunen hat das Robert-Koch-Institut ausgewählt - repräsentativ für ganz Deutschland - und in diesen Gemeinden dann insgesamt 2.300 Kinder und Jugendliche im Alter von drei bis siebzehn Jahren untersucht. Die Leitfrage der 'Deutschen Umweltstudie': Welche Chemikalien sind im Körper der Kinder zu finden? Wer mit dem Einverständnis der Eltern bereit war mitzumachen, bekam zuhause Besuch: Forscher einer Münchner Firma untersuchten im Auftrag des Umweltbundesamts die Innenraumluft, den Staub, sie nahmen eine Blut- und eine Urinprobe. Und in den Körperflüssigkeiten haben die Wissenschaftler dann Dutzende Umweltchemikalien bestimmt.
Die Belastung in Deutschland ist relativ gering
Viele Daten, viel Statistik, aber jetzt sind erste Resultate da, berichtet Marike Kolossa vom Umweltbundesamt: "Wir sehen an unseren Ergebnissen, dass die Belastungssituation im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und Industrienationen weltweit sehr viel niedriger ist in vielen Fällen. Das liegt aber auch daran, dass wir das Thema Schadstoffbelastung des Menschen durch das Umweltministerium bereits seit den 1980er-Jahren systematisch untersuchen und immer wieder in den Fällen, wo wir hohe Belastungen gefunden haben, dann auch sinnvolle Maßnahmen einleiten konnten."
Zum Beispiel das Verbot von Amalgamfüllungen bei Milchzähnen. Oder die Beschränkung einiger Weichmacher von Kunststoffen aus der Gruppe der sogenannten Phthalate. Von diesen kritischen Substanzen kommt immer weniger in den Körper von Kindern.
Neue Weichmacher bereiten Sorgen
Allerdings hatten die Forschenden schon befürchtet, dass stattdessen die Belastung mit neuen Weichmachern zunimmt, die die alten ersetzen. Und genau das ist auch eingetreten. Geheuer ist das den Wissenschaftlern nicht, sagt Marike Kolossa, denn über diese Ersatzstoffe sei viel weniger bekannt: "Das sind eben einfach Stoffe, die physiologisch nicht in den Körper reingehören. Und die können zum Teil die Aktivität von Genen beeinflussen. Solche Wirkungen werden mit den Standardtests, die heute für Zulassungsverfahren verwendet werden, gar nicht erfasst. Insofern wissen wir gar nicht wirklich, was die Stoffe auf einer molekularen oder zellulären Ebene machen."
Ähnlich ist es mit Bioziden, also Substanzen, die verhindern sollen, dass ein Produkt von Bakterien befallen wird. Auch mit ihnen haben wir ständig Kontakt, in Kosmetika zum Beispiel. Da sieht die Studie des Umweltbundesamts zwar, dass hormonaktive Parabene weniger bei den Kindern auftauchen - dafür aber häufiger Isothiazolinone, die als Ersatz zum Einsatz kommen und Allergien auslösen können. Sensibilisierte Personen könnten darauf im Extremfall reagieren, sagt Marike Kolossa, wenn sie einen Raum betreten, der stark belastet ist: "Diese Stoffe werden auch in Farben eingesetzt, sodass sie durchaus ein Thema auch in der Innenraumluft sein können."
Verbotene Substanzen verschwinden allmählich
Insgesamt könnte man sagen: Verbotene Stoffe verschwinden, wenn auch teilweise sehr langsam. So ist das schon lange verbotene Insektizid DDT vor allem im Osten Deutschlands immer noch messbar. Aber neue Substanzen kommen dazu. Zu ihnen zählt ein ganz besonderes Sorgenkind der Wissenschaftler: die perfluorierten Kohlenwasserstoffe wie PFOS und PFOA. Sie werden zur Imprägnierung von Papier oder Textilien verwendet und sind im Körper von praktisch allen Kindern und Jugendlichen zu finden.
"Leider haben wir auch für diese beiden Stoffe auch Überschreitungen der Schwelle, oberhalb derer wir gesundheitliche Wirkungen nicht mehr mit ausreichender Sicherheit ausschließen können."
Kann man sich Umweltchemikalien also überhaupt nicht entziehen? Nein, das geht nicht ganz, egal wo man lebt und wie man sich zum Beispiel ernährt. Aber viele Details der Studie werten die Forschenden jetzt erst aus. Im Zentrum steht die Frage, welche Chemikalien dringend aus dem Verkehr gezogen werden müssen. Die Teilnehmer haben übrigens ebenfalls die Ergebnisse bekommen. Auch sie haben gelernt - zum Beispiel wie wichtig es ist, regelmäßig zu lüften.