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Umweltkiller Kohleasche

Nirgendwo auf der Welt wird so viel Kohle verbraucht wie in China. Allerdings bereitet die entstehende Kohleasche dem Land immer mehr Kopfzerbrechen. Der Abfall aus den Kraftwerken verschmutzt die Luft, das Wasser und die Böden.

Von Ruth Kirchner | 05.10.2010
    Der Wind fegt über die blass-graue Landschaft. Die Böen wirbeln immer neue Staubmassen durch die Luft. Sie legen sich als weiß-graue Schicht auf Häuser, Felder, Tiere und Pflanzen in Chifeng, einem Dorf in der Inneren Mongolei in Nordchina.

    "Wenn der Wind weht, ist es schrecklich", sagt Bäuerin Han Shuhong, die eine kleine Obstplantage bewirtschaftet.

    " Dann kann man sich draußen nicht mehr aufhalten, du kannst kaum die Augen öffnen - alles ist so dreckig – dein ganzer Körper ist voll Staub."

    Der Staub kommt von den Kohleasche-Halden neben dem Dorf. Meterhoch türmt sich dort die Asche aus dem Kohlekraftwerk gleich daneben. Weil China seinen Energiehunger hauptsächlich mit Kohlestrom stillt, ist die Asche aus den unzähligen Kohlekraftwerken mittlerweile zum Industrieabfall Nummer eins geworden. In den vergangenen acht Jahren ist fast jede Woche ein neues Kohlekraftwerk gebaut worden, heißt es in einer neuen Greenpeace Studie. Mittlerweile produziert China jedes Jahr 370 Millionen Tonnen Kohleasche, sagt Yang Ailun von Greenpeace China.

    "Das ist mehr als doppelt so viel wie China jedes Jahr an städtischen Hausmüll produziert – oder genug um alle zweieinhalb Minuten ein Schwimmbad zu füllen oder täglich ein olympisches Schwimmstadion wie den Pekinger Wasserwürfel."

    In Nordchina zerfrisst die Asche die eh schon kargen Landschaften und verschmutzt die knappen Wasserreserven. Die Asche ist giftig – sie enthält Schwermetalle wie Blei, Kadmium und Arsen. Diese gelangen in die Böden und ins Trinkwasser und damit in die Nahrungskette.

    14 Kohlekraftwerke hat Greenpeace China untersucht – und fast nirgendwo wurde die Asche fachgerecht gelagert oder entsorgt. Viele Aschehalden befanden sich direkt neben Wohnsiedlungen - nicht einmal den Mindestabstand von 500 Metern hatten die Betreiber eingehalten.

    Dabei müsste das nicht so sein. Theoretisch könnten 60 Prozent der Asche wieder verwendet werden – etwa zur Herstellung von Ziegelsteinen oder Straßenbelägen, aber Greenpeace fand deutlich geringere Recycling-Raten.

    "Die Wiederverwertungsrate wird übertrieben", sagt Yang Ailun.
    "Nach den Vorgaben der Regierung sollten bis Jahresende 60 Prozent recycelt werden, aber wir schätzen, dass die tatsächliche Recyclingrate bei nicht einmal der Hälfte liegt, vielleicht nicht einmal bei 30 Prozent."

    Einige Experten sehen das anders, sprechen von deutlich höheren Recyclingraten. Doch wie so oft in China sind Statistiken ungenau, vor allem hapert es an der Umsetzung bestehender Gesetze und Vorschriften. Die örtlichen Behörden können zwar Bußgelder verhängen, aber dabei bleibt es dann oft – zu einer besseren Lagerung und Entsorgung der Asche führt das nicht.

    In Chifeng wirft Bäuerin Huan Yulan ein totes Kälbchen in eine flache Grube. Viele Menschen hier fragen sich mittlerweile, ob ihr Dorf noch eine Zukunft hat.

    "Wenn wir Wasser holen, schwimmt Aschestaub auf der Oberfläche", klagt Bäuerin Huan. "Wenn Du das Wasser abkochst, bleibt eine Ascheschicht auf dem Boden des Topfes übrig. Auch unsere Kühe sind betroffen – sie haben ständig Fehlgeburten – wegen des Wassers und des Grases."

    Die Regierung, fordern die Umweltschützer, müsse endlich die Vorschriften für den Umgang mit der gefährlichen Asche durchsetzen und verschärfen.