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Umweltrecht auf dem Prüfstand

Noch in dieser Legislaturperiode will die Bundesregierung ein neues Umweltgesetzbuch verabschieden lassen. Modernität und Effizienz sind laut Umweltministerium das Ziel. Umweltverbände warnen: Eine Vereinfachung der Vorschriften zugunsten von Unternehmen darf nicht alleinige Maxime sein.

Von Dieter Nürnberger |
    Beides, ein Mehr an Überschaubarkeit oder auch Vereinfachung und eine höhere Effizienz der Umweltpolitik gehören zu den Idealen oder Grundpfeilern des geplanten Umweltgesetzbuches. Das sieht das federführende Bundesumweltministerium so, und das gehört auch zu den ideellen Vorstellungen der Umweltverbände, wie sie soeben hier in Berlin vorgestellt wurden. Allerdings steckt da der Teufel wie so oft im Detail, und die Deutsche Umwelthilfe sieht vor allem und zuallererst anspruchsvolle Umweltstandards als Ziel eines modernen Umweltrechts an. Deutschland habe dafür die Vorraussetzungen, sagt Cornelia Ziehm, die Rechtsexpertin der Deutschen Umwelthilfe.

    "Ein Umweltgesetzbuch darf sich nicht auf eine bloße Bündelung von Umweltgesetzen beschränken, sondern es muss darüber hinausgehen. Wir fordern ganz konkret einen umweltpolitischen Mehrwert. Es war jahrelang so, dass Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa hatte. Viele gute Gedanken zur Umweltpolitik, auch zum Umweltrecht, kamen aus Deutschland. Das ist aber in den vergangenen Jahren nicht mehr der Fall. Im Gegenteil: Es wird viel öfter gebremst. Es ist aber an der Zeit, wieder progressiv zu werden. Und das nützt ja auch der deutschen Wirtschaft. Bei der Umwelttechnik sind wir Weltmarktführer, das hat bestimmt niemandem geschadet."

    Ein Umweltgesetzbuch soll also einen "qualitativen Mehrwert für Umwelt, Klima und Natur schaffen", so die Überschrift des Positionspapiers, welches zusammen mit dem Öko-Institut und dem unabhängigen Institut für Umweltfragen erarbeitet wurde. Anspruchsvolle Umweltstandards sollen festgeschrieben werden, beispielsweise in der Klimapolitik.

    "Was wir uns konkret darunter vorstellen, ist beispielsweise eine Erweiterung der Grundpflichten. Grundpflichten sind die Anforderungen, denen eine Anlage genügen muss, wenn eine Genehmigung erteilt werden soll. Im Moment spielen dabei Klimaschutzanforderungen nur eine untergeordnete Rolle. Wir fordern daher eine Kopplung von Genehmigungserteilungen an bestimmte Klimaschutzanforderungen."

    Das heißt für die Umweltverbände, dass beispielsweise Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist und dass Standards dafür im Umweltgesetzbuch auftauchen müssten. Denn ohne solche Standards und auch entsprechende Maßnahmen könne eine nötige grundlegende Weichenstellung, um die globale Erwärmung zu stoppen, nicht erreicht werden. Andere festzuschreibende Standards aus Sicht der Verbände betreffen den Naturschutz. Hier geht es um eine qualitative Fortschreibung der bisher gültigen Eingriffsregelung. Hierbei sollen Umweltzerstörungen ausgeglichen werden. Cornelia Ziehm:

    "Es ist in Deutschland leider so, dass dieser Ausgleich oftmals nicht funktionell erfolgt, konkret eine bestimmte Fläche mit einem bestimmten Wert zerstört, und etwas anderes wird aufgewertet. Das nutzt aber den Tierarten, dessen Lebensraum zerstört worden ist, recht wenig. Wir fordern deshalb einen funktionserhaltenden Ausgleich. Genau der Wert, der bei einem Eingriff zerstört wird, sollte an anderer Stelle wieder aufgebaut werden, mit den gleichen Funktionen. Das trägt besser zum Artenerhalt bei."

    In der Fachwelt wird ja schon seit vielen Jahren über ein modernes Umweltrecht diskutiert. Der Wirtschaft gehe es dabei vor allem um Vereinfachungen, das sei auch richtig so, sagen die Umweltverbände, allerdings nicht um jeden Preis. Noch einmal Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe:

    "Was wir aber auch sagen: Umweltrecht und Umweltschutz sind eine komplexe Materie. Deswegen werden wir auch stets komplexe Regelungen haben, da kommen wir kaum dran vorbei. Denn detaillierte Regelungen erweisen sich oft als vollzugsfreundlich, stark auslegungsbedürftige Regeln sorgen eher für Verwirrung und Verzögerungen. Eine Vereinfachung sollte deshalb nicht als Selbstzweck angesehen werden. Man muss genau prüfen, wo kann vereinfacht werden und wo ist es überhaupt sinnvoll?"

    Juristische Vereinfachungen infolge des geplanten Umweltgesetzbuches sind somit ein Ziel, allerdings für Umweltgruppen nur eines unter mehreren. Geht es nach der Großen Koalition, dann soll das Umweltgesetzbuch zu Beginn des Jahres 2008 in das Gesetzgebungsverfahren gehen. Die Bundesländer müssen zustimmen. Aber die entscheidenden Diskussion über ein modernes Umweltrecht, die haben längst begonnen.