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Umweltschädliche Kohle aus Kolumbien

Der Abbau von Steinkohle soll in Deutschland bis 2018 aufgegeben werden. Auch deshalb ist Kolumbien mittlerweile zum wichtigsten Steinkohlelieferanten Deutschlands aufgestiegen - mit fatalen Folgen für die Umwelt und die Menschen dort.

Von Ruth Reichstein | 29.01.2013
    Draußen kreisen Möwen über der Strandpromenade von Santa Marta an der kolumbianischen Karibikküste. Omar Garcia Silva hat den Ventilator angeschaltet, um die Mittagshitze aus seinem Büro zu vertreiben. Der kleine, gedrungene Mittvierziger ist Chef der regionalen Tourismusagentur. Aber zurzeit beschäftigt ihn vor allem eines: Kohle. Steinkohle. Auf einer Landkarte auf seinem PC zeigt er die drei großen Kohlehäfen der Region:

    "Hier neben dem Flughafen, geht es los: Da ist der erste Kohlehafen. Die Kohle kommt mit dem Zug und hier wird die Kohle dann entladen. Über riesige Förderbänder wird sie zu den Schiffen im Meer gebracht. Das alles passiert unter freiem Himmel und ohne jeden Schutz vor den Kohlepartikeln!"

    Und die beschädigen nicht nur das Image von Santa Marta als Tourismus-Region. Nach Auskunft des kolumbianischen Gewerkschaftsbundes liegt auf dem Meeresboden an der Küste mittlerweile eine Kohlestaubschicht, die mehr als 30 Zentimeter dick ist. Die gesamte Flora sei zerstört, sagt Omar Garcia Silva:

    "Mit dem Wind fliegen die Kohlepartikel ins Meer. Das stört das Ökosystem im Meer und auch an Land. Da geht es um die Fischerei, um die Korallen. All das. In unserer Region haben die Strände ihre natürliche Farbe verloren. Sie werden grau oder schwarz. Das sagen uns die Menschen, die hier leben und auch Wissenschaftler."

    Über die Häfen exportieren drei große Konzerne ihre Kohle: Drummond aus den USA, der Schweizer Rohstoffriese Glencore und der brasilianische Multi Vale. Im vergangenen Jahr waren es 60 Millionen Tonnen.

    70 Prozent der Kohle gehen nach Europa – der größte Teil nach Deutschland. Für die deutschen Energieversorger ist Kolumbien ist zum wichtigsten Kohle-Lieferanten geworden. Ein Viertel der Importe kommen mittlerweile aus dem südamerikanischen Land. Und die Produktion dort steigt immer weiter an – parallel zum angekündigten Stopp des Steinkohlebergbaus in Deutschland.

    Der Eon-Konzern bezieht mittlerweile ein Drittel seiner Steinkohle aus kolumbianischen Minen. Die Nachrichten über Umweltverschmutzung und Missachtung von Arbeitnehmerrechten kommen auch in der Unternehmenszentrale in Düsseldorf an, sagt Sprecher Georg Oppermann:

    "Wir verfolgen das mit großer Aufmerksamkeit. Wir sind uns auch bewusst, dass das eine ernste Situation ist. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich auch davon ausgehen, dass das die Gerichte und Behörden vor Ort angemessen bewerten können. Wir können nicht alles aus Deutschland besser wissen und sehen als die Behörden in den Ländern selbst."

    Eon hat zwar Mindeststandards für Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte in seine Verträge mit den Unternehmen in Kolumbien geschrieben, aber die Überprüfung ist schwierig. Der kolumbianische Gewerkschaftler Gustavo Triana geht sogar noch einen Schritt weiter. Er wirft den europäischen Unternehmen völliges Desinteresse vor:

    "Keiner dieser ausländischen Konzerne kümmert sich um die Folgen für die Umwelt. In den Minen werden Stoffe verwendet, die in Europa verboten sind. In der EU gibt es Richtlinien für die Höchstbelastung von Feinstaub. Es müssen Filter eingebaut werden. Hier können die Unternehmen machen, was sie wollen."

    Das hat verheerende Auswirkungen – nicht nur an der Küste, sondern vor allem in den Abbauregionen selbst. Im César, eine Region, die ein paar Hundert Kilometer nordöstlich von Santa Marta liegt, hat das Gesundheitsministerium festgestellt, dass die Hälfte der Bevölkerung um die Mine herum wegen des Kohlestaubs erkrankt sind – an der Haut, den Augen, den Atemwegen.

    Dennoch passiert nichts oder es werden Bußgelder verhängt, die für die Unternehmen Peanuts sind. Eon-Sprecher Oppermann sieht für sein Unternehmen als Abnehmer der Kohle dennoch kaum Handlungsmöglichkeiten:

    "Wir haben natürlich in allen Ländern Probleme irgendeiner Art. Wir können natürlich unsere langfristigen Lieferverpflichtungen auch nicht von solchen Meldungen abhängig machen."

    In Deutschland werden die Zechen nach und nach geschlossen. 1997 wurde im Aachener Steinkohlerevier das letzte Bergwerk stillgelegt. Im Saarland wurde der Abbau im Juni vergangenen Jahres komplett beendet. Kritiker klagen: eine bequeme Lösung: Vor Ort wird alles sauber. Der Dreck wird weit weg in Kolumbien gemacht.