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Umweltschützer unter Druck
Sotschi ein Jahr nach Olympia

Ein Jahr nach den olympischen Spielen von Sotschi sind immerhin die Tiere zurückgekehrt. In den Nationalpark, in dem Teile der Wettkampfstätten errichtet wurden. Die Kritik der Umweltschützer wird dadurch nicht leiser, sie setzen sich weiterhin für die Natur ein - und geraten immer mehr unter Druck.

Von Gesine Dornblüth | 05.02.2015
    Skigebiet in der Olympia-Region von Sotschi
    Skigebiet in der Olympia-Region von Sotschi (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
    Die Promenade im Stadtteil Adler von Sotschi, in der Nähe des Olympiaparks. Eine kilometerlange Betonmauer schützt das Gelände vor den Fluten des Schwarzen Meeres. Dahinter ein gepflasterter Fußweg, ein Radweg, Laternen. Alles ist neu gebaut, im Rahmen von Olympia.
    "Im Prinzip sieht das hübsch aus, aber sie haben den Strand verkleinert, und jeder Sturm spült noch mehr Kiesel weg. Der Streifen wird weiter schrumpfen - mit Folgen für die Natur. Dabei ist schon ein ganzes Ökosystem verschwunden", sagt Vladimir Kimajev.
    Er meint das Überschwemmungsgebiet, das früher mal hinter der Promenade lag und den Olympiabauten weichen musste. Dort lebten seltene Amphibien.
    Vladimir Kimajev ist Mitglied der Ökowache, eines losen Netzwerkes von Umweltschützern im Nordkaukasus. Schon im Vorfeld von Olympia hatte die Ökowache Umweltzerstörungen in Sotschi angeprangert. Die Aktivisten wurden daraufhin unter Druck gesetzt. Dem Anführer der Ökowache, Suren Gasarjan, wurde versuchter Mord vorgeworfen. Er ist ins Ausland geflohen. Ein weiterer Aktivist, Jewgenij Witischko, wurde während der Olympischen Spiele zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er den Zaun der Residenz des Gouverneurs beschädigt haben soll. Er sitzt in einem Lager in Zentralrussland. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International fordern Witischkos Freilassung. Kimajew betont:
    "Wir wollen aber nicht, dass er einfach nur vorzeitig freikommt. Dann bliebe das Urteil bestehen. Er muss rehabilitiert werden. Er ist unschuldig."
    "Umweltschutz ist Politik"
    Kimajews Wohnung und die seiner Kinder wurden durchsucht, wegen Extremismusverdachts. Der Druck hält an. Wie auf ein Stichwort bleibt ein junger Mann in 20 Meter Entfernung stehen, macht ein Foto von Kimajew.
    "Das geht ja noch, manchmal kommen sie ganz dicht ran und machen eine Großaufnahme von meinem Gesicht. Im Herbst war hier die Formel 1. Währenddessen wurde ich ständig beschattet. Mein Telefon wird abgehört. Und auch die meiner Mitstreiter. Und die Politiker geben uns ständig zu verstehen, dass wir uns aus der Politik raushalten sollen. Aber Umweltschutz ist Politik. Denn das Recht auf eine intakte Umwelt ist in der Verfassung verankert."
    Der Druck hindert Kimajew nicht, sich weiter für die Umwelt in und um Sotschi einzusetzen.
    "Das wichtigste Problem wird nie gelöst werden: Das ist der Bauschutt, der im Rahmen von Olympia anfiel. Die Promenade hier ist auf Bauschutt errichtet. Und in der Nähe haben sie 15 Meter tiefe Gruben mit Schutt aufgefüllt. Das hat die Grundwasserschichten verändert. An einer Stelle kommt jetzt statt Grundwasser Salzwasser aus dem Boden."
    Umweltschützer vermissen Transparenz
    Immerhin: In den Bergen seien die Tiere zurückgekehrt, die vom Baulärm verjagt worden waren: Bären, Rehe, Wildschweine. Die Bauherren der Olympiaprojekte fühlen sich dadurch bestätigt. Alexander Belokobylskij, Chef eines der olympischen Skigebiete, kann die Kritik der Umweltschützer nicht verstehen.
    "Natürlich gab es Phasen, in denen die Umwelt Schaden davongetragen hat. Während der Bauarbeiten gab es viel Verkehr, und wir mussten Bäume fällen. Aber wir haben viel Geld in Kompensationsmaßnahmen stecken müssen, haben Bäume gepflanzt. Und wir haben hier schließlich kein Chemiekombinat gebaut, das Abgase in die Luft schleudert."
    Umweltschützer Kimajew jedoch vermisst Transparenz bei den Kompensationsmaßnahmen. Und er glaubt den Behörden nicht, dass sie wirklich alles für die Umwelt tun, solange die nicht mit den Umweltschützern kooperieren.
    "Sotschi ist ein Musterbeispiel eines Potemkinschen Dorfes. Eine schöne Fassade, aber nichts dahinter."