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Umweltschutz auf der Ostsee

Außerhalb des Hoheitsgebietes von Staaten müssen sich Schiffsbesatzungen zwar an international vereinbarte Normen halten, doch die sind wesentlich laxer als die Vorschriften umweltbewusster Regierungen für das Verhalten an Land. Also wird Abfall ins Meer gekippt und auch der Schiffsdiesel ist schmutziger als Treibstoff, der an Land zugelassen ist. Jetzt müssen aber Schiffer auf der ökologisch besonders empfindlichen Ostsee beim Tanken mehr Rücksicht auf die Umwelt nehmen.

Von Claudia Thoma |
    Eigentlich sind Schiffe so was wie fahrende Müllverbrennungsanlagen. Sie verfeuern, was keiner sonst mehr gebrauchen kann. Die schwarze, zähe Masse in dem Probenglas auf dem Tisch der Wasserschutzpolizei in Kiel, das ist das Abfallprodukt der Raffinerien und der Brennstoff der Frachter und Fähren. Markus Mackarinus von der Kieler Wasserschutzpolizei:

    "Das ist der Rückstand aus der Raffinerie, d.h. das Produkt, mit dem die Raffinerie nichts mehr anfangen kann und das auf den Schiffen verfeuert wird. Und wenn man das Glas aufschraubt, dann sieht man ..schwer wie Bitumen...Damit das Ganze überhaupt zu pumpen ist, wird es mit Heizöl gemischt, das hat dann die Konsistenz von Sirup."

    In diesem Sirup steckt nun jede Menge Schwefel, bis zu 4,5 Prozent. Eindeutig zu viel, denn Schwefeldioxyd, wie es aus den Schornsteinen der Schiffe qualmt, löst sich im Wasser, wird zu Schwefelsäure und trägt so zur Übersäuerung der Meere bei. Prof. Karin Lochte vom Leibnizinstitut für Meereswissenschaften in Kiel:

    "Schwefelsäure ist ne starke Säure, deswegen, wenn man die gleiche Schwefelsäure und Kohlensäure betrachtet, ist der Effekt bei der Schwefelsäure stärker. Und der zweite Effekt ist der, dass er in der Atmosphäre zu kleinen Kondensationskeimen führen kann, dass also ne stärkere Wolkenbildung erzeugt wird. "

    Und wo es Wolken gibt, kann es zu Regen kommen, zu sauerem Regen:

    "Die Ostsee ist dadurch besonders gefährdet, dass man sehr viele schwefelemitierende Industrien ringsherum hat, und je weiter man nach Osten kommt immer süßer, d.h. man kann den PH-Wert nicht so konstant halten, wie in den salzhaltigen Bereichen. "

    Deshalb sollen in dem kleinen Binnenmeer Ostsee ab Mitte Mai nur noch Schiffe mit schwefelreduzierten Brennstoffen fahren. Nur noch 1,5 Prozent Schwefelanteil ist dann erlaubt. In der Kieler Bunkerstation am Nord-Ostsee-Kanal lagern in großen silbrigen Bunkertanks zurzeit noch drei verschiedene Brennstoffe. Gasöl, Marinediesel und Schweröl mit bis zu 4,5 Prozent Schwefelanteil.
    Noch rechnet sich ein Extra-Tank für den neuen Brennstoff noch nicht, denn keiner weiß, wohin die Nachfrage geht. Erst mal abwarten, lautet deshalb die Devise und lieber mischen. Geschäftsführer Werner Schlüter:

    "Es ist natürlich ein Problem, das wir in der Übergangszeit haben. Die Schiffe, die in die Ostsee fahren, müssen 1,5er nehmen, die, die in die andere Richtung fahren, Richtung Nordsee, die können noch das schwefelhaltige Produkt fahren, so dass wir beides vorhalten müssen. Deshalb diese Mischvariante. "

    Neben der Umstellung auf den 1,5prozentigen Brennstoff könnte auch eine technische Lösung in Frage kommen, eine Entschwefelungsanlage an Bord. Die aber ist teuer, gibt Michael Rebbelmund von der Bunkerstation zu bedenken:

    "Dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, einen weiteren Tank einzubauen, dass man sowohl außerhalb der control area mit 4,5er weiterfahren kann und innerhalb der Zonen umstellt auf den anderen Tank und dieses Öl dann verbraucht."

    Am Rotterdamer Markt bahnt sich schon jetzt eine Preisexplosion an. Zwischen schwefelarmem und schwefelreichem Treibstoff gibt es zurzeit einen Preisunterschied von 30 Dollar:

    "Da zeigt sich schon, dass man damit rechnet, dass es einen Engpass mit der Versorgung geben wird. Es gibt Spekulationen, dass es bis 70/80 Dollar hochgehen wird."

    Ein großer Frachter oder auch eine Fähre bunkert immerhin bis zu 12tausend Tonnen Treibstoff. Für die Reedereien kann die Umstellung auf schwefelarmen Treibstoff also ziemlich teuer werden.

    Eine der großen Ostseefähren, die schon in den 80er Jahren mit umweltfreundlichem Kraftstoff fuhr, hat darauf bereits im vergangenen Jahr reagiert und wieder auf billiges Schweröl umgestellt. Auf der schwedischen Stena-Line dagegen ist man beim schwefelarmen Brennstoff geblieben, sagt der Kieler Geschäftsführer Ulrich Kock:

    "Die Passagiere werden nicht mehr bezahlen, wir haben allerdings im Frachtbereich einen so genannten Bunkerzuschlag, der die gestiegenen Treibstoffkosten berücksichtigt. "

    Voraussichtlich Ende des nächsten Jahres wird die Vorschrift "schwefelarm" dann auch für die gesamte Nordsee und für den Ärmelkanal gelten.