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Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit

Niedrigenergiehäuser, moderne Heizungsanlagen, Öko-Strom mit Aufschlag - Energiesparen ist auch eine Frage des Geldbeutels und für Menschen mit geringerem Einkommen oft nicht finanzierbar. Gibt es bei den Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz eine soziale Ungerechtigkeit? Gibt es eine Spaltung der Gesellschaft in solche, die sich Umweltschutz leisten können und davon profitieren und andere, die davon ausgeschlossen werden? Um diese Fragen geht es auf einem Kongress über Umweltgerechtigkeit in Frankfurt am Main.

Von Anke Petermann | 01.04.2009
    Umweltbelastungen sind ungerecht verteilt, konstatiert Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Unter Autolärm und Abgasen hätten beispielsweise eher die unteren Einkommensschichten zu leiden,

    "weil die sich nur die niedrigen Mieten leisten können, die an diesen Verkehrsadern gezahlt werden. Das ist die eine Dimension. Die andere Dimension ist die Frage, ob wir mit Umweltschutzmaßnahmen eigentlich immer ausreichend die sozialen Folgen bedenken. Es geht um die Frage: zahlen die Verursacher tatsächlich und sind die Maßnahmen so angelegt, dass wir künftige Umweltbelastungen dann auch wirksam verhindern. Also ganz praktisch gesprochen: Heizkosten zu subventionieren, ist Unsinn, aber Gebäude zu sanieren und dafür eventuell Zuschüsse zu zahlen, ist ausgesprochen vernünftig."

    Weil Förderprogramme zur energetischen Sanierung Umwelt- und Sozialpolitik vorbildlich verbinden, meint auch Michael Müller, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Sie helfen, natürliche Ressourcen und den Geldbeutel von Geringverdienern zu schonen. Global werde die Klimaerwärmung ohnehin die soziale Frage neu stellen. Schmelzende Gletscher in den südamerikanischen Anden bedrohten 100.000 Menschen, konstatiert Müller - kein ganz fernes Problem allerdings.

    "Wir werden beispielsweise auch in Europa erleben, dass von den heute 660 schneesicheren Gebieten der Alpen vielleicht noch 200 übrig bleiben und das wird die Flüsse verändern, das Trinkwasser verknappen, die Grundwasserströme verschieben, die Pflanzenwelt durcheinander bringen, also das ist ein globales Problem, aber es gibt ein paar Regionen, wo es besonders schnell geht und besonders hart wird."

    Afrika zum Beispiel, wo ohnehin über 200 Millionen Menschen unter Hunger und Unterernährung leiden. Grenztruppen, so meint der Umweltstaatssekretär, seien eine zynische Antwort auf das Problem der Umweltflüchtlinge. Das werde ganz neue Dimensionen erreichen:

    "Heute haben wir 20 Millionen, man geht davon aus, dass sie in diesem Jahrhundert auf mindestens 100 Millionen steigen werden, wahrscheinlich noch mehr. Man muss einfach mal sehen, das beispielsweise eine Zwei-Grad-Erwärmung für Afrika eine Halbierung der Ernteerträge bedeutet."

    Den Deutschen sind diese Probleme sehr bewusst, hat eine Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums herausgearbeitet. Dreiviertel der Befragten erwarten, dass die zunehmende Wasser- und Rohstoffknappheit die Gefahr für Kriege wachsen lässt. Mehr als die Hälfte befürchten, dass Schäden durch den Klimawandel auch die hiesige Landwirtschaft und die deutsche Wirtschaft insgesamt bedrohen. 80 Prozent würden gern mehr für den Umweltschutz tun, machen aber zur Bedingung, dass alle so handeln. 61 Prozent wollen nur dann aktiver werden, wenn das ihren Lebensstandard nicht einschränkt Fakt ist: Alternative Lebens- und Konsumformen wie Car-Sharing und Ressourcen schonendes Wohnen haben noch nicht in die Mitte der Gesellschaft gefunden, stellt Michael Wehrspaun vom Umweltbundesamt fest.

    "Das hat dann aber auch im Wesentlichen strukturelle Gründe. Zum Beispiel Car-Sharing bedeutet, dass man dann auch andere Arrangements im Leben eingehen muss. Das ist ein wesentlicher Wandel des Alltaglebens. Und dann dürfen wir nicht vergessen: Car-Sharing wird nur dann wirklich funktionieren, wenn die Politik bereit ist, wirklich konsequente Parkraumbewirtschaftung und ähnliches einzuführen, und das ist das Problem, dass hier nun wieder die Politiker zurückschrecken, und dann haben wir wieder eine Art von Selbstblockade."

    Doch neben Anzeichen von Selbstblockade erblickt der Experte vom Umweltbundesamt auch viel Aufbruch in Richtung Umweltgerechtigkeit. Die Konsumenten würden sich zunehmend bewusst, dass sich ihre Verbraucher-Entscheidung auf Klima und Ressourcenverbrauch auswirkt. Allerdings überschätzten sie dabei auch ihre Rolle. So traurig das auch ist: der Kauf von fair gehandeltem Kaffee allein rettet die Welt noch nicht.