Manchmal kann einem Freilandforschung ganz schön stinken! Amy Roder Green aus den USA kam das bestimmt so vor. Die Ökologie-Studentin an der TU Berlin durchkämmte die Hauptstadt monatelang mit gesenktem Blick - immer auf der Suche nach muffigen, achtlos weggeworfenen Zigarettenkippen ...
"Die ist gucken gegangen vor Kneipen, vor Restaurants, vor Geschäften, vor Schnellimbissen, vor U-Bahn-Eingängen, in Parks und so weiter. An welchen Standorten in Berlin wie viele Zigarettenkippen liegen."
Da hatte Anke Putschew eindeutig den angenehmeren Job. Die Chemikerin konnte ihn in ihrem Labor erledigen - im Fachbereich für Wasserreinhaltung an der TU Berlin. Dort bestimmte sie zunächst, wie viel Nikotin noch in den Tabakresten von Zigarettenstummeln steckt...
"Ein Teil Nikotin inhaliert man. Und ein anderer Teil bleibt noch vor dem Filter im Tabak wieder zurück."
Knapp zwei Milligramm Nikotin pro Zigarette
Im nächsten Schritt kalkulierte die Forscherin, was passiert, wenn es regnet. Nikotin ist gut wasserlöslich. Wie viel von dem Giftstoff gelangt wohl bei nassem Wetter aus aufgeweichten Kippen in die Umwelt?
Über die Ergebnisse der Untersuchungen berichtete Anke Putschew jetzt auf der Jahrestagung der Wasserchemischen Gesellschaft in Haltern am See. Demnach ist Berlin förmlich mit Zigarettenstummeln übersät: Auf einen Quadratkilometer Freifläche kommen im Schnitt 2,7 Millionen Kippen. Und aus jeder einzelnen kann der Regen knapp zwei Milligramm Nikotin in Böden und Gewässer spülen.
Martin Jekel, Professor für Wasserreinhaltung an der TU Berlin:
"Die ersten Hochrechnungen zeigen, dass da doch erstaunliche Mengen zusammenkommen, pro Quadratmeter und Jahr. Das ist schon ungewöhnlich viel nach unserer Einschätzung. Und das scheint signifikant zu sein."
Die Berliner Arbeitsgruppe könnte hier auf ein städtisches Schadstoffproblem gestoßen sein, das man bisher übersehen hat.
Nikotin wird von der Tabakpflanze als Waffe gegen Schädlinge benutzt. Es ist ein Nervengift und war früher als Insektizid in Gebrauch, zur Bekämpfung von Blattläusen zum Beispiel. Dass Nikotin auch im Gewässer als Schadstoff auf Tiere wirkt, ist also durchaus plausibel. Gelangt es mit dem Regenwasser in die Kanalisation, sieht Anke Putschew keine so großen Probleme:
"Das von der Mischkanalisation geht ja zur Kläranlage. Aus der Literatur ist mir bekannt, dass Kläranlagen das Nikotin abbauen können. Es geht bis zu 90 Prozent dort raus. Also, das ist dann schon 'mal ein positiver Aspekt. Aber was jetzt so von der Straße abläuft direkt in die Oberflächengewässer - da passiert natürlich kein Abbau."
So etwas geschieht vor allem auf stark versiegelten und stark frequentierten Stadtplätzen in Gewässernähe.
Schwellenwert liegt bei 2,5 Milligramm pro Liter
Eine spannende Frage ist zum Beispiel: Wie viel Nikotin aus weggeworfenen Zigarettenkippen landet nach einem Regenguss direkt im Berliner Landwehr-Kanal?
"Der fließt ja durch die ganze Stadt: Kreuzberg, Friedrichshain. Auch durch Charlottenburg. Und das sind so Areale: Wenn dort viele Zigarettenkippen liegen und es regnet, geht es halt da rein."
Bisher haben die TU-Forscherinnen aber keine Konzentrationen in Berliner Kanälen ermittelt. Das soll erst in weiteren Studien geschehen.
Für Nikotin gibt es einen kritischen Schwellenwert. Er liegt bei 2,5 Milligramm pro Liter Wasser. Bis dahin ist mit keinen schädlichen Umweltauswirkungen durch den Stoff zu rechnen. Anke Putschew kann sich aber vorstellen, dass dieser Wert in Berlin hier und da überschritten wird. Nach ihren Abschätzungen kann von stark versiegelten Stadtflächen fast 200mal so viel Nikotin im Liter Regen abfließen. Im Gewässer wird der Giftstoff dann aber natürlich noch stark verdünnt ...
"Das sind Sachen, das muss alles im Detail untersucht werden."
In einem Punkt besteht für die Chemikerin aber heute schon Klarheit: Die Gewässerbelastung mit Nikotin müsste eigentlich gar nicht sein...
"Man kann das Problem ja gänzlich beiseiteschaffen, indem man die Kippen im Mülleimer entsorgt und nicht auf der Straße. Das ist eine ganz einfache Lösung dafür."