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Unangemessene Betäubung

Medizin. - Etwa eine Million Kinder erhalten jährlich in Deutschland eine Narkose - ohne dass die Narkotika speziell für sie getestet worden seien. Die Klientel ist einfach nicht groß genug, dass sich aufwendige Versuchsreihen für die Hersteller rechnen, außerdem sind Versuche an Kindern ethisch nicht zu vertreten. Daher war die Kinderanästhesie ein Thema auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie in Nürnberg.

    Die Betäubung von Kindern erfolgt auch heute noch mit Mitteln, die ausschließlich im Tierversuch getestet. Manche Anästhesisten verwenden zwar die für Erwachsene zugelassenen Mittel, tun dies jedoch auf eigenes Risiko. Die Alternative dazu besteht in der Regel in Substanzen, die nicht mehr dem Stand der Forschung entsprechen. Wissenschaftler versuchen jetzt, diesen Rückstand aufzuholen. "Man versucht einerseits die regionale Betäubung, also die Ausschaltung der unteren Körperhälfte oder eines Armes", erklärt Professor Kai Taeger, Leiter der Klinik für Anästhesiologie an der Universität Regensburg. Die andere Richtung versucht dagegen, die Wirkstoffe aus der Erwachsenenanästhesie auch für Kinder nutzbar zu machen. So wird inzwischen der Wirkstoff Propofol intravenös schon ab dem zweiten Lebensmonat gegeben, während es bisher erst ab dem dritten Lebensjahr eingesetzt wurde. Das Mittel wird schnell wieder ausgeschieden und hemmt Übelkeit und Brechreiz. Als Mittel zum Einatmen setzt sich dagegen Sevufluran durch, das im Gegensatz zum bisher gebräuchlichen Halothan keine leberschädigende Wirkung hat und auch die Atemwege nicht reizt.

    Bei der Schmerzunterdrückung während und kurz nach der Operation setzen Ärzte wie Kai Taeger auch auf das starkwirkende Opiat Remifentanil. "Das hat den Vorteil, dass es in allen Geweben und im Blut rasch seine Wirkung verliert." Allerdings müsse spätestens zehn Minuten nach der letzten Opiatgabe auch ein anderes Schmerzmittel gegeben werden, weil dann die Wirkung des Remifentanil aufhöre.

    [Quelle: Renate Kiesewetter]