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Unbekannte Gefahr

Husten, Schnupfen, Atemnot. Was für Erwachsene eine einfache Erkältung ist, kann für Säuglinge schnell zur tödlichen Gefahr werden. Experten suchen nach einem Impfstoff gegen das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV.

Von Marieke Degen |
    Der vergangene Winter hatte es in sich, da sind sich Kinderärzte einig. Bis in den April hinein waren die Krankenhäuser voll mit hustenden und niesenden Säuglingen. Die Babys hatten keine Schweinegrippe; sie litten am Respiratorischen Synzytial-Virus, kurz RSV. Reinhard Berner, Infektiologe am Universitätsklinikum Freiburg:

    "Influenza kennen alle, wissen alle, wie problematisch das ist, RSV ist zumindest ein fürs Kindesalter gleich bedeutendes Virus, davon weiß die Bevölkerung, junge Eltern wissen von diesem Virus nicht."

    Erwachsene bekommen eine harmlose Erkältung. Aber bei Säuglingen, vor allem bei Frühgeborenen, kann das Virus besonders hart zuschlagen.

    "Die Krankheit führt dazu, dass die Kinder schlecht Luft bekommen, dass sie die Luft nicht mehr aus ihren Lungen herausbekommen und zu ersticken drohen."

    Medikamente gegen das Virus gibt es keine. Der Körper muss die Infektion alleine in den Griff bekommen. Viele Säuglinge landen auf der Intensivstation, sie müssen künstlich beatmet werden, sagt Reinhard Berner.

    "Die Zahl derjenigen Kinder, die an einer RSV-Infektion versterben, ist glücklicherweise sehr gering, aber die Krankheitslast im Sinne von Krankenhausaufenthalten, Intensivtherapiepflichtigkeit ist hoch, ich würde sagen: sogar höher als Influenza."

    Nur in Ausnahmefällen können Ärzte gegen das Virus vorbeugen. Sie spritzen den Säuglingen dann monoklonale Antikörper, das sind körpereigene Abwehrstoffe, die das Virus in Schach halten. Diese monoklonalen Antikörper sind aber extrem teuer. Sie kommen deshalb nur für besonders gefährdete Kinder in Frage. Einen Impfstoff gibt es noch nicht, obwohl Forscher seit Jahren daran arbeiten.

    "Das ist das Problem dieses Virus und dann auch der Impfstoffe, die für dieses Virus gebaut werden sozusagen, dass sie nämlich die Immunreaktionen des Körpers, also die Abwehrreaktion in der Lunge zum Teil so beeinflussen können, dass das Virus verschwindet, aber die Entzündungsreaktion in der Lunge so stark wird, dass die Kinder letztendlich an der Entzündung der Lunge und nicht an dem Virus sterben."

    Genau das ist auch vor 40 Jahren in den USA passiert. Damals hatten Forscher einen Impfstoff gegen RSV entwickelt und in Washington an Kindern getestet. Die Folgen waren verheerend: Dreiviertel aller Kinder wurde schwer krank, zwei Kinder sind gestorben. Der Impfstoff damals enthielt RS-Viren, die abgetötet waren; trotzdem hat das Immunsystem überreagiert.

    Demnächst will Reinhard Berner einen neuen Impfstoffkandidaten an der Uniklinik Freiburg testen: Ein Nasenspray, das lebende RS-Viren enthält. Die Viren sind im Labor aber so verändert worden, dass sie nicht mehr krank machen, und auch das Immunsystem nicht mehr überreagieren lassen. Erste Studienergebnisse aus den USA sind vielversprechend. Erwachsene und ältere Kinder haben die Impfung offenbar gut vertragen. Reinhard Berner will das Nasenspray nun an der eigentlichen Zielgruppe, an Säuglingen testen.

    "In dieser Phase des Lebens gibt es zwei Dinge, die wichtig sind, das eine ist, dass die Nahrungsaufnahme gut funktioniert, die zweite ist, dass an gut durch die Nase atmen kann. Säuglinge sind obligate Nasenatmer, das heißt also, es muss der Impfstoff, den ich durch die Nase appliziere, der darf nicht dazu führen, dass die Nasenschleimhäute anschwellen und es zu einer Schnupfensymptomatik kommt. Wenn das passiert, ist der Impfstoff tot."

    Wenn die Nasen frei bleiben, alles gut geht, dann könnte der Impfstoff frühestens in fünf Jahren auf dem Markt sein.