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Unbekannte Substanzen sind nun verboten

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat ihre Liste verbotener Dopingmittel und -methoden für 2011 publiziert. Mit einer Neuerung schließen die Betrugsbekämpfer eine Lücke: Der Einsatz aller nicht zugelassenen Substanzen zählt künftig als Doping.

Von Grit Hartmann | 14.10.2010
    Normalerweise ergänzt die WADA ihre Liste eher um Kleinigkeiten. Mal wird ein Stoff aus dem Dopingarsenal gestrichen, mal rückt ein anderer namentlich in eine der neun verbotenen Substanzgruppen. Für 2011 ist das anders: Auf den Index kommt eine ganz neue Kategorie - die nicht zugelassenen Substanzen. Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Kölner Antidoping-Labors:
    "Es kann natürlich auch sein, dass Athleten schon zu Substanzen greifen, die möglicherweise noch in der Entwicklung sind, noch nicht als Arzneimittel zugelassen. Dann besteht immer das Problem, dass man auch erst mal prüfen muss: Fällt denn die Substanz in eine der verbotenen Kategorien? Generell sollte man den Athleten schon signalisieren: Wenn das eine Substanz ist, die überhaupt noch nicht zugelassen ist für den medizinischen Markt, dann ist das sowieso schon eine illegale Aktion, absolut unethisch."
    Dass der Gebrauch solcher Substanzen künftig als Doping zählt, darf man als angemessene Reaktion bezeichnen - auf die bekannte Experimentierfreude im Dopermilieu, aber auch darauf, dass die WADA das Problem bisher ignorierte: der Wirkstoff S107, ein Wundermittel gegen Muskelermüdung, bereits seit zwei Jahren auf dem Schwarzmarkt problemlos zu beziehen, aber erst ab 2011 verboten. Schänzer:
    "Die WADA hatte nach Anfragen gesagt: Okay, das ist ja in einem frühen Stadium, eigentlich in der Entwicklung, das sehen wir Augenblick nicht als Problem an. Sollte allerdings festgestellt werden, dass eine solche Substanz missbräuchlich eingesetzt wird, in diesem Fall S107, dann könnte man sie als dopingrelevant auch schon berichten."

    Nur ins Beobachtungsprogramm geschafft hat es Actovegin, ein Stoff aus dem Blutplasma von Kälbern.
    "Wichtig ist sicherlich, dass die Untersuchungen, die wir bisher gemacht haben, gezeigt haben: Da ist kein Eiweiß dieser Substanz enthalten, das eigentlich eine Dopingrelevanz erbringen würde."
    In der Szene hingegen werden seit Langem mysteriöse Wirkungen kolportiert: Der Radprofi Jesus Manzano berichtete, ein Cocktail mit dem Mittel werde vor schweren Etappen gespritzt. Bei der Tour de France 2000 entsorgte das Team von Lance Armstrong leere Actovegin-Beutel im Müll. Und 2008 irritierte den verletzten französischen Fußballer Patrick Vieira, dass Bayern-Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ihm die Substanz injizieren wollte. In Frankreich war Actovegin nicht zugelassen. In den USA ist es das bis heute nicht.