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Unblutig operieren

Tumore werden in der Regel mit dem Skalpell entfernt. Bei unblutigen Operationen kommt die Thermotherapie in Kombination mit einem bildgebenden Verfahren zum Einsatz. Dabei werden Mikrowellen direkt auf den Tumor geleitet und entfalten dort bei einer Temperatur von 60 bis 80 Grad Celsius ihre zerstörerische Energie. Einen Blick in die Zukunft der unblutigen Operation werfen konnten Besucher in der letzten Woche auf der Medica, der Internationalen Fachmesse für Medizin.

Von Mirko Smiljanic |
    Ein wenig geschockt war Renate Müller schon, als sie die Diagnose von ihrem Gynäkologen erfuhr: In ihrer Gebärmutter hat sich ein Myom entwickelt, eine - wie der Arzt sofort betonte - gutartige Muskelgeschwulst. Nur bei 0,5 Prozent aller Frauen besteht die Gefahr eines bösartigen Tumors. Trotzdem riet er der 38-Jährigen, das Myom sofort entfernen zu lassen. Und zwar mit einer Methode, die bisher nur wenige Kliniken anbieten: Ultraschallwellen machen die Geschwulst ohne aufwändige Operation unschädlich. Dafür muss der Tumor zunächst…

    "…lokalisiert werden, man muss genau sehen, wie seine Ausbreitung ist zum Beispiel in der Gebärmutter, und man kann auch zielgerichtet den Ultraschall einsetzen, um den Bereich des Tumors zu erwärmen,... "

    …sagt Bernd von Polheim von der US-amerikanischen Firma General Electric Healthcare. Als bildgebendes Verfahren setzen die Mediziner Magnetresonanz-Tomografen ein, die die Geschwulst millimetergenau orten. Ist dies geschehen, berechnet ein Computer die Intensität der Ultraschallwellen, die dann durch eine elektronische Linse gebündelt auf den Tumor gelenkt werden.

    " Ultraschallwellen sind ja mechanische Schwingungen und durch die Kavitation, durch diese Schwingung wird eben erreicht, dass dieses Gewebe entsprechend erwärmt wird. "

    Und zwar auf 60 bis 80 Grad Celsius. Folge: Die Zellen werden überhitzt und sterben ab.

    " Der Körper absorbiert dieses abgestorbene Gewebe und stößt dieses abgestorbene Gewebe ab und es wird dann auf natürlichem Gewebe ausgeschieden,... "

    …sagt Rudolf Beyenburg von General Electric Healthcare, weist aber auch darauf hin, dass nicht jedes Myom mit dieser Methoden therapiert werden kann. Abhängig von Lage und Ausdehnung im Uterus, muss der Operateur manchmal doch zum Skalpell greifen. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Geschwulst, desto besser lässt sie sich unblutig beseitigen. Wobei für Rudolf Beyenburg noch nicht einmal entscheidend ist,…

    "…dass das ganze Myom abgeschmolzen wird, sondern häufig ist entscheidend, dass das Myom verkleinert wird und damit die Beschwerden der Frau verschwinden, wenn etwa der Wunsch nach Kindern da war, jetzt wieder die Möglichkeit besteht, Kinder zu bekommen. "

    Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: Sie erfordert keine Operation, es besteht keine Strahlenbelastung, außerdem wird die Behandlung ambulant durchgeführt. Das spart Zeit und den Krankenkassen viel Geld.

    " Diese Behandlung dauert inklusive Vorbereitung etwa zwischen zwei und vier Stunden, sie ist beliebig wiederholbar, auch an aufeinander folgenden Tagen, die Patientin kann nach der Behandlung aufstehen und ihrer normalen Tätigkeit nachgehen. "

    Ob die Aussicht, diese Behandlung beliebig häufig zu wiederholen, ein Anreiz ist oder eher abschreckt, wird sich weisen. Medizinisch erfolgreich ist die Methode aber allemal, sonst hätte sie kaum in den USA die offizielle Zulassung der FDA bekommen, der Food and Drug Administration.

    " Von 100 Patientinnen würden mit Sicherheit über 90 erfolgreich behandelt werden können. "

    Immer vorausgesetzt, das Myom ist mit dieser Methode behandelbar. Weltweit sind mittlerweile 12.000 Frauen auf diese Weise unblutig operiert worden, ihre Zahl steigt ständig. Diese Erfolge werfen natürlich die Frage nach weiteren Anwendungsfeldern auf. Ist das Verfahren übertragbar?

    " Ja, es ist übertragbar - das ist der nächste Schritt - auf Hirntumore, Prostatakarzinome, Mamakarzinome, das sind die nächsten Schritte, die geplant sind, dass wir die Tumore entsprechend entfernen können. "

    Die meisten klinischen Versuche laufen in Großbritannien, aber auch Deutschland beteiligt sich: An der Berliner Charité nehmen 200 Patientinnen an einer Studie teil. Der überwiegende Teil leidet unter Uterusmyomen, erstmalig sollen aber auch Frauen mit Brust-, Knochen- und Leberkrebs einbezogen werden.