Die Studierenden in Nordrhein-Westfalen sind wütend. Seit die neue Landesregierung um Jürgen Rüttgers angekündigt hat, ab dem kommenden Frühjahr Studiengebühren in Höhe von 500 Euro einzuführen, wehren sie sich mit Protesten. Ihr Argument: Kommen die Gebühren, müssen finanzschwache Studierende abbrechen, und die Zahl der Studierenden sinkt. Sie verweisen auf die Langzeitgebühren, die das Land bereits vor rund zwei Jahren eingeführt hat. Damals brachen allein in Köln 20.000 Studenten ihr Studium ab. Experten halten diese Zahl jedoch für wenig aussagekräftig.
"In dieser Höhe war das sicherlich ein einmaliger Effekt. Der wird keinen erhöhten Studienabbruch mehr hervorrufen."
sagt Ulrich Heublein vom Hochschulinformationssystem in Hannover. Sein Argument: Die Langzeitgebühren hätten vor allem Studierende getroffen, die zwar noch eingeschrieben waren, ihre Vorlesungen jedoch nicht mehr besucht haben. Anders als bei den Gebühren ab dem ersten Semester, die einige Länder, darunter auch Bayern und Baden-Württemberg, ab dem kommenden Jahr einführen wollen. Diese könnten langfristig dazu führen, dass die Studienabbruchquote steigt.
"Dann wird es mit Sicherheit auch einen Einfluss auf das Studienverhalten haben."
Grundsätzlich könnten Studiengebühren ab dem ersten Semester Zweierlei auslösen. Erstens: Finanzschwache Studierende fangen erst gar nicht an zu studieren. Oder sie beginnen ihr Studium und merken, dass die Belastung zu groß wird – und brechen dann ab. Langfristig könnten Studiengebühren jedoch auch für weniger Abbrecher sorgen:
"Großbritannien und Japan sind mit ihren hohen Gebühren und niedrigen Abbrecherquoten dafür gute Beispiele. Die Studenten, die dort für ihre Ausbildung zahlen, überlegen sich eine vorzeitige Exmatrikulation genauer. Sicher ist: Das Geld entscheidet in allen Ländern maßgeblich darüber, ob Studierende ihr Studium fortsetzen oder nicht. "
"Die finanzielle Situation spielt für die Fortsetzung des Studiums für die meisten Studierenden eine große Rolle." sagt auch Hermann Decker von der Arbeitsagentur Köln. Decker berät jede Woche rund 20 Studierende, die ihr Studium abgebrochen haben. Er kennt die Probleme der Studierenden, die Wissenschaftler wie Ulrich Heublein seit Jahren feststellen..
"Den Studierenden fällt ihre Studienfinanzierung nicht einfach. Und finanzielle Probleme als Studienabbruchs-Grund sind weit verbreitet, gehören zu den Hauptgründen für Studienabbruch."
Studiengebühren würden vor allem jene treffen, die es ohnehin schwer haben. Wolfram Wickel von der Studienberatung Bonn:
"Es ist einmal die Gruppe derer, die sich vom Elternhaus gelöst haben, vollständig in der Selbstfinanzierung drin sind und sich in einem Nebenjob, der auch schon ein gewisses Gewicht hat, abgesichert haben. Und die zweite Gruppe, das ist die Gruppe derer, die sehr knapp finanziert werden, wo die Eltern gerade so wohlhabend sind, dass sie kein Bafög bekommen, aber nicht so wohlhabend, dass sie jetzt die Kinder gut versorgen könnten."
Damit die Abbrecherquote in Zukunft nicht weiter steigt, plädieren Experten dafür, die Gebühren sozial verträglich zu gestalten, zum Beispiel durch erschwingliche Kredite, eine nachgelagerte Finanzierung oder Stipendien. Solche ausgefeilten Systeme haben in anderen Ländern wie Österreich sogar dazu geführt, dass die Studienabbruchquote langfristig gesunken ist. Von solchen Konzepten ist die Politik in Deutschland nach Ansicht von Heublein allerdings noch weit entfernt.
"Im Moment wird stärker von Studiengebühren geredet, als darüber, wie unterstützen wir die bedürftigen Studierenden."
Zusatzinformation: Studiengebühren in den Bundesländern
Die unionsgeführten Bundesländer wollen nach dem Verfassungsgerichtsurteil möglichst schnell Studiengebühren einführen. Fast alle SPD-geführten Länder wollen dagegen weiter ein gebührenfreies Erststudium innerhalb einer gewissen Zeitspanne garantieren. Die Planungen der Länder im Überblick:
• Baden-Württemberg ist Vorreiter bei der Einführung von Studiengebühren. Als erstes Bundesland hatte es bereits vor Jahren Strafgebühren für Langzeitstudenten in Höhe von 510 Euro pro Halbjahr eingeführt. Nun sollen so bald wie möglich Erststudiengebühren erhoben werden.
Auch Nordrhein-Westfalen will seine Studenten so schnell wie möglich zur Kasse bitten. Bereits im Frühjahr 2006 sollen alle Studenten pro Semester etwa 500 Euro zahlen. Langzeitstudiengebühren gibt es bereits seit zwei Jahren.
• Bayern, Niedersachsen, Hamburg und das Saarland wollen ebenfalls sofort Gebühren für alle einführen.
• Thüringen und Sachsen-Anhalt sind grundsätzlich für Studiengebühren vom ersten Semester an offen, exakte Pläne liegen aber noch nicht vor.
• Hessen möchte zwar Gebühren einführen, stößt aber auf rechtliche Probleme. Laut Landesverfassung sind Schul- und Hochschulbesuch "unentgeltlich". Die Erhebung eines "angemessenen Schulgeldes" setzt nach der Verfassung ein ausreichendes Einkommen der Eltern voraus.
In Schleswig-Holstein ist die Situation nach dem Machtwechsel noch unklar. In der neuen Landesregierung heißt es, dass Schleswig-Holstein allgemeine Studiengebühren erst einführen möchte, sobald dies auch andere norddeutsche Bundesländer tun.
• Berlin erhebt derzeit keine Studiengebühren. Die Einführung von Langzeitgebühren war 2004 am Widerstand der PDS gescheitert. In der Landes-SPD gibt es Rufe nach Studiengebühren für alle.
• Rheinland-Pfalz will bei seinem Studienkontenmodell bleiben - das auch dort entwickelt wurde. Das heißt: Das Erststudium bleibt bis zum Masterabschluss in der Regelstudienzeit und einige weitere Semester gebührenfrei. Dann werden Langzeitgebühren von etwa 500 Euro pro Semester fällig. Bremen und Sachsen prüfen derzeit das Studienkontenmodell. .
• Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss weiter gebührenfrei lassen - auch in den aufeinander aufbauenden Bachelor- und Masterstudiengängen.
"In dieser Höhe war das sicherlich ein einmaliger Effekt. Der wird keinen erhöhten Studienabbruch mehr hervorrufen."
sagt Ulrich Heublein vom Hochschulinformationssystem in Hannover. Sein Argument: Die Langzeitgebühren hätten vor allem Studierende getroffen, die zwar noch eingeschrieben waren, ihre Vorlesungen jedoch nicht mehr besucht haben. Anders als bei den Gebühren ab dem ersten Semester, die einige Länder, darunter auch Bayern und Baden-Württemberg, ab dem kommenden Jahr einführen wollen. Diese könnten langfristig dazu führen, dass die Studienabbruchquote steigt.
"Dann wird es mit Sicherheit auch einen Einfluss auf das Studienverhalten haben."
Grundsätzlich könnten Studiengebühren ab dem ersten Semester Zweierlei auslösen. Erstens: Finanzschwache Studierende fangen erst gar nicht an zu studieren. Oder sie beginnen ihr Studium und merken, dass die Belastung zu groß wird – und brechen dann ab. Langfristig könnten Studiengebühren jedoch auch für weniger Abbrecher sorgen:
"Großbritannien und Japan sind mit ihren hohen Gebühren und niedrigen Abbrecherquoten dafür gute Beispiele. Die Studenten, die dort für ihre Ausbildung zahlen, überlegen sich eine vorzeitige Exmatrikulation genauer. Sicher ist: Das Geld entscheidet in allen Ländern maßgeblich darüber, ob Studierende ihr Studium fortsetzen oder nicht. "
"Die finanzielle Situation spielt für die Fortsetzung des Studiums für die meisten Studierenden eine große Rolle." sagt auch Hermann Decker von der Arbeitsagentur Köln. Decker berät jede Woche rund 20 Studierende, die ihr Studium abgebrochen haben. Er kennt die Probleme der Studierenden, die Wissenschaftler wie Ulrich Heublein seit Jahren feststellen..
"Den Studierenden fällt ihre Studienfinanzierung nicht einfach. Und finanzielle Probleme als Studienabbruchs-Grund sind weit verbreitet, gehören zu den Hauptgründen für Studienabbruch."
Studiengebühren würden vor allem jene treffen, die es ohnehin schwer haben. Wolfram Wickel von der Studienberatung Bonn:
"Es ist einmal die Gruppe derer, die sich vom Elternhaus gelöst haben, vollständig in der Selbstfinanzierung drin sind und sich in einem Nebenjob, der auch schon ein gewisses Gewicht hat, abgesichert haben. Und die zweite Gruppe, das ist die Gruppe derer, die sehr knapp finanziert werden, wo die Eltern gerade so wohlhabend sind, dass sie kein Bafög bekommen, aber nicht so wohlhabend, dass sie jetzt die Kinder gut versorgen könnten."
Damit die Abbrecherquote in Zukunft nicht weiter steigt, plädieren Experten dafür, die Gebühren sozial verträglich zu gestalten, zum Beispiel durch erschwingliche Kredite, eine nachgelagerte Finanzierung oder Stipendien. Solche ausgefeilten Systeme haben in anderen Ländern wie Österreich sogar dazu geführt, dass die Studienabbruchquote langfristig gesunken ist. Von solchen Konzepten ist die Politik in Deutschland nach Ansicht von Heublein allerdings noch weit entfernt.
"Im Moment wird stärker von Studiengebühren geredet, als darüber, wie unterstützen wir die bedürftigen Studierenden."
Zusatzinformation: Studiengebühren in den Bundesländern
Die unionsgeführten Bundesländer wollen nach dem Verfassungsgerichtsurteil möglichst schnell Studiengebühren einführen. Fast alle SPD-geführten Länder wollen dagegen weiter ein gebührenfreies Erststudium innerhalb einer gewissen Zeitspanne garantieren. Die Planungen der Länder im Überblick:
• Baden-Württemberg ist Vorreiter bei der Einführung von Studiengebühren. Als erstes Bundesland hatte es bereits vor Jahren Strafgebühren für Langzeitstudenten in Höhe von 510 Euro pro Halbjahr eingeführt. Nun sollen so bald wie möglich Erststudiengebühren erhoben werden.
Auch Nordrhein-Westfalen will seine Studenten so schnell wie möglich zur Kasse bitten. Bereits im Frühjahr 2006 sollen alle Studenten pro Semester etwa 500 Euro zahlen. Langzeitstudiengebühren gibt es bereits seit zwei Jahren.
• Bayern, Niedersachsen, Hamburg und das Saarland wollen ebenfalls sofort Gebühren für alle einführen.
• Thüringen und Sachsen-Anhalt sind grundsätzlich für Studiengebühren vom ersten Semester an offen, exakte Pläne liegen aber noch nicht vor.
• Hessen möchte zwar Gebühren einführen, stößt aber auf rechtliche Probleme. Laut Landesverfassung sind Schul- und Hochschulbesuch "unentgeltlich". Die Erhebung eines "angemessenen Schulgeldes" setzt nach der Verfassung ein ausreichendes Einkommen der Eltern voraus.
In Schleswig-Holstein ist die Situation nach dem Machtwechsel noch unklar. In der neuen Landesregierung heißt es, dass Schleswig-Holstein allgemeine Studiengebühren erst einführen möchte, sobald dies auch andere norddeutsche Bundesländer tun.
• Berlin erhebt derzeit keine Studiengebühren. Die Einführung von Langzeitgebühren war 2004 am Widerstand der PDS gescheitert. In der Landes-SPD gibt es Rufe nach Studiengebühren für alle.
• Rheinland-Pfalz will bei seinem Studienkontenmodell bleiben - das auch dort entwickelt wurde. Das heißt: Das Erststudium bleibt bis zum Masterabschluss in der Regelstudienzeit und einige weitere Semester gebührenfrei. Dann werden Langzeitgebühren von etwa 500 Euro pro Semester fällig. Bremen und Sachsen prüfen derzeit das Studienkontenmodell. .
• Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss weiter gebührenfrei lassen - auch in den aufeinander aufbauenden Bachelor- und Masterstudiengängen.