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Und die Birnen leuchten weit und breit ... "

Das 300-Seelen-Dorf Ribbeck liegt, 30 Kilometer nordwestlich von Berlin an der alten Straße nach Hamburg, im Havelland. Zu früheren DDR-Zeiten, als die spätere Autobahn noch nicht gebaut worden war, war die heutige "B5" Transitstrecke nach Hamburg. Und die Region um das nur 5km von Ribbeck entfernte Nauen gefürchtet wegen der endlosen Kasernen der Sowjets, an denen man kilometerlang vorbeifahren musste. Dank starker Geschwindigkeitsbegrenzung immer schön langsam.

Von Katrin Kühne |
    Und heute, fast 20 Jahre nach dem Mauerfall? Havelland, Ribbeck -- da war doch? Ja, richtig, die Sache mit dem Birnbaum! Das 1889 von Theodor Fontane verfasste Gedicht ist nach wie vor eines der bekanntesten und beliebtesten der Deutschen. Eine schöne Geschichte nur, derer von Ribbeck - oder?

    Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

    "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
    ein Birnbaum in seinem Garten stand.
    Und kam die goldene Herbsteszeit,
    und die Birnen leuchteten weit und breit,
    da stopfte, wenn Mittag vom Turme scholl, der von Ribbeck sich beide Taschen voll.
    Und kam in Pantinen ein Junge daher,
    so rief er:'Junge, wiste 'ne Beer?'
    Und kam ein Mädel, so rief er:'Lütt Dirn,
    kom man röwer, ick hebb 'ne Birn!'"


    Als der in Neuruppin geborene und spätere Neu-Berliner Theodor Fontane seine geliebte Mark Brandenburg bereiste, sprach man im Havelland noch Platt. Pfarrer Frank-Norbert Möhrung spricht aber wie alle anderen heute hier kein Platt mehr. Vor 30 Jahren ist er in das jetzt wieder schmucke Ribbeck im Havelland gekommen und fand sicherlich keinen Birnbaum mehr an der damals heruntergekommenen Kirche vor?

    "Da war einer! Aber ein sehr mickriges Bäumchen. Klein und verhutzelt! Dann die Idee, unsere Kirche ist viel zu schön, als dass wir sie ständig zu haben. Drittens, wir haben Leute gefunden, die immer mitgemacht haben."

    :Also ging es vor 20 Jahren los mit der Sanierung der spätgotischen Kirche, die mitten im grünen Anger der alten Ribbeckschen Gutsdorf-Anlage steht. Der Hutzelbirnbaum wurde in Scheiben zersägt und gegen Spenden verkauft. Die Damen der Gemeinde begannen mit Kaffee- und Kuchenverkauf, um weiteres Geld für Restaurierung und den Erhalt der Kirche zu sammeln. Die im Sommer tägliche Kaffeetafel ist heute zu einer in der ganzen Region bekannten Institution geworden. Das Gotteshaus erstrahlt nun im dunklen Rosé; der Turm hat seine graue Pickelhaube wieder und das Innere seine Ausmalung im Stil der Schinkel-Schule. Im südlichen Anbau ist die nicht zugängliche Familiengruft derer von Ribbeck.

    "Aber der Alte, vorahnend schon
    und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn,
    der wußte genau, was damals er tat,
    als um eine Birn' ins Grab er bat."


    Und da in der Ecke an der Kirchmauer -

    "Der da jetzt steht, steht seit 2000 dort. Das ist eine Birnensorte, die hat ganz, ganz viele kleine Birnen. Nur wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Leute, die hierher kommen, wenn sie unter dem Baum stehen, bekommen die plötzlich 'nen ganz langen Arm. Und dann freuen sie sich, dass sie eine mitnehmen können. Und wir freuen uns, wenn die Leute sich freuen."

    20.000 Fontane-Gedichts-Begeisterte besuchen die Kirche alljährlich. Auch dieses Jahr hängen wieder Früchte am Baum neben dem Gotteshaus, auch wenn es kein gutes Birnenjahr ist. Der alte Baum, den Fontane wohl noch kannte, ist 1911 umgestürzt. Sein Stumpf ist in der Kirche zu bewundern. Früher wurde er als Aschbecher im Gutschloss gegenüber genutzt. Das Schloss wird nach seiner jahrzehntelangen Nutzung als Altersheim, das sein Überleben sicherte, gerade restauriert. 2009 soll es als Kultur-Touristisches Zentrum wiedereröffnet werden, berichtet die zielstrebige junge Architektin Sonja Hermann. Sie leitet zusammen mit dem Herrn von Ribbeck den Kulturverein. WAS, der ALTE??

    Blitzend-blaue Augen im verwitterten Gesicht, strubbeliges Haar über hoher Stirn! Da sitzt er! Draußen in der Sonne auf dem Kirchhof gegenüber der Alten Schule, ein Stück Birnkuchen an der Kaffeetafel des 'Herrn' Pfarrer verspeisend und Anekdötchen erzählend.

    " Ja, ich bin hier schon in die Schule gegangen. Das Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich der Schule wohl mal ungezogen war, und da bin ich aus dem Klassenzimmer geflogen. Landete im Flur und sah an den Haken hängend die ganzen Mäntel. Gleichzeitig hörte ich aber Schritte und da wollte ich mich verstecken, hab' mich hinter den Mänteln versteckt, habe aber auch alsbald gemerkt, dass man ja meine Füße sah. (Lachen) Und da habe ich mich an den Haken festgehalten und habe die Füsse angezogen (Lachen)."

    Natürlich ist der fast 70jährige Carl-Friedrich von Ribbeck nicht der Alte aus dem Fontane-Gedicht, sondern einer von dessen Nachfahren. Genauer gesagt der Enkel des letzten Gutsbesitzers, Rittmeister Hans von Ribbeck und Bagow, von den Nationalsozialisten 1945 im KZ Sachsenhausen ermordet. 1947 wurde die Familie vertrieben. Mit nach der Wende gerichtlich erfochtenen Ausgleichszahlungen konnte dann Land zurückgekauft, 1.000 Birnbäume drauf gepflanzt und die alte Familien-Brennerei wieder in Schwung gebracht werden, wo heute Birnen-Essig hergestellt und Birnenbrand verkauft wird. 1998 hat sich von Ribbeck mit Frau Ute endgültig hier wieder niedergelassen, in einem neuen Haus, errichtet auf den Mauern des alten Pferdestalls am Schloss.

    "Mythos Ribbeck ja, also Familientradition, wenn Sie eine Ahnenreihe hinter sich haben, die auf 1237 zurückreicht, dann haben sie also eine Kohorte von Leuten hinter sich, die können Sie ja nicht enttäuschen und ich möchte auch nicht derjenige sein, der dann in 100 oder 200 Jahren, wenn irgendeiner mal die Ahnenreihe zurückverfolgt, dann gesagt bekommen, der war's, da wäre damals die Gelegenheit gewesen, zurückzugehen und der hat es verpennt."

    Zunächst misstrauisch beäugt von den Einwohnern, jetzt allgemein anerkannt - hat "der Alte", Carl-Friedrich von Ribbeck, viel zur Wiederbelebung des ehemaligen Gutsdorfes seiner Familie beigetragen - und Fontanes Gedicht.

    Und in der goldenen Herbsteszeit
    leuchtet's wieder weit und breit.
    Und kommt ein Jung übern Kirchhof her,
    so flüstert's im Baume:'Wiste 'ne Beer!'
    Und kommt ein Mädel, so flüstert's:'Lütt Dirn
    komm man röwer, ick gew di 'ne Birn!'"


    Infos:
    Kulturverein Ribbecke.V., Am Birnbaum 1, 14641 Ribbeck,
    Tel.033237-850054, kulturverein@ribbeck-havelland.de

    Die Kirche mit Galerie ist bis Ende Oktober 10-18.00 Uhr geöffnet und bietet am Nachmittag die Kaffeetafel an. Danach am Wochenende 10-16.00 Uhr. Tel.:033237-88504

    Kulturverein und Kirche veranstalten u.a. jedes Jahr die "Ribbecker Sommernacht".

    Herr von Ribbeck-Produkte/Alte Brennerei:

    Tourismusverband Havelland

    www.reiseland-brandenburg.de