Ein klassisches griechisches Profil mit einer geraden Nase. Ein langer schlanker Hals, wie auf einem Gemälde des Renaissancemalers Parmigianino. Die nackten Hüften und das ebenfalls unbedeckte Gesäß, von hinten dargestellt, erinnern hingegen an die üppigen Damen von Rubens. Die 1830 von Francesco Hayez gemalte Göttin Venus spielt mit zwei weißen Tauben und schaut verträumt in die Ferne. Pelagio Palagi malte fünf Jahre später eine gleichfalls splitternackte Jagdgöttin Diana, die mit einem großen Hund zu flirten scheint; auch sie mit einem Profil, das an antike Skulpturen erinnert. Beiden Göttinnen stellen in Wirklichkeit Carlotta Chabert dar, eine damals recht bekannte und beim männlichen Geschlecht Mailands sehr beliebte Ballerina, die beiden Malern Modell stand. Auf diese Weise entstanden zwei für jene Jahre ungemein anzügliche Porträts. Die Zeit des italienischen Biedermeier scheint sich nicht mehr daran zu erinnern, dass Italiens Renaissance- und Barockmalerei das Deftig-nackte, das Anzüglich-erotische und Indiskrete zum künstlerischen Markenzeichen erhoben hatten. Das frühe 19. Jahrhundert der italienischen Porträtmalerei gab sich züchtig, bekleidet und keusch: Bürgerliches Biedermeier eben, meint die Kunsthistorikerin Maria Vittoria Marini Clarelli, eine der Ausstellungskuratoren:
"Die Porträtmalerei Italiens im 19. Jahrhundert wurde intensiv von gesellschaftspolitischen Konflikten und der Frage beeinflusst, was darf dargestellt werden und was nicht. Die Leichtigkeit der Porträtmalerei vorheriger Jahrhunderte scheint zunächst verloren, kehrt später aber wieder zurück. Den Wandel der italienischen Porträtmalerei wollen wir hier aufzeigen."
Es ist in Wandel vor dem Hintergrund gravierender politischer Veränderungen. Seit Mitte der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts wird, langsam aber sicher und mit einem hohen Blutzoll, aus einem in viele Klein- und Kleinststaaten zerfallenes Land, dessen Norden teilweise von der Habsburgermonarchie besetzt war, ein Einheitsstaat mit Rom als Hauptstadt. Die biederen und lieblichen Einzel- und Familienporträts der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts, mit Gemälden von Adeodato Malatesta, Giuseppe Molteni, Pietro Ayres und anderen, weichen zunehmend einer Porträtmalerei, die künstlerisch den gesellschaftlich-politischen Wandel rezepiert. Auf verschiedenen Ebenen. Der französische Impressionismus verdrängt die streng akademische Malerei der Schulen von Florenz und Rom, wie zum Beispiel im Fall des Malers Antonio Mancini. Sein Selbstporträt im Studio erinnert an französische Vorbilder. Frauen werden zunehmend als emanzipiert dargestellt. Tranquillo Cremonas Porträt einer Dame mit roter Feder, gekleidet in eine Art Räubergewand, ein Gemälde von 1867, und Filippo Carcanos Zigarre rauchende Signora von 1871 haben nichts mehr mit den Darstellungen sittsamer Hausmütterchen zu tun, wie sie zuvor Mode waren.
Maria Vittoria Marini Clarelli: "Das Porträtbild ab den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts sollte vor allem zwei divergierende Funktionen erfüllen: Die bestehenden Traditionen bewahren und die Freude am Neuen beschwören. Das wird vor allem im Einfluss der Fotografie auf die Porträtmalerei deutlich, da kommen die unterschiedlichsten Identitätsmomente zusammen."
So, wie die Fotografie durch den damals dominierenden Porträtstil in der Malerei beeinflusst wurde, so wirkten sich die neuen Möglichkeiten der Fotografie auf die bildende Kunst aus. Domenico Morettis Porträt des Malers Bernardo Celentano wirkt wie die chromatische Version eines Fotos, das auf einer Straße gemacht wurde. So, wie die ersten italienischen Fotografen ihre Sujets lebendiger als in der Malerei darstellten - nicht mehr nur vor einem bestimmten Hintergrund sitzend oder stehend - sondern mitten in einem Raum oder auf der Straße oder einem Platz, beim Gehen, Sprechen, Essen und Trinken, so gaben nun auch die Maler die von ihnen porträtierten Menschen in einem neuen Zusammenhang wieder. Die neue Lebendigkeit in der Porträtmalerei erreichte Ende des Jahrhunderts in den großflächigen und oftmals expressionistisch angehauchten Porträts italienischer Aristokraten, Bankiers und Lebedamen durch den damals in ganz Europa bekannten Gesellschaftsmaler Giovanni Boldini eine bis in das 20. Jahrhundert weisende Dimension.
"Die Porträtmalerei Italiens im 19. Jahrhundert wurde intensiv von gesellschaftspolitischen Konflikten und der Frage beeinflusst, was darf dargestellt werden und was nicht. Die Leichtigkeit der Porträtmalerei vorheriger Jahrhunderte scheint zunächst verloren, kehrt später aber wieder zurück. Den Wandel der italienischen Porträtmalerei wollen wir hier aufzeigen."
Es ist in Wandel vor dem Hintergrund gravierender politischer Veränderungen. Seit Mitte der 50er-Jahre des 19. Jahrhunderts wird, langsam aber sicher und mit einem hohen Blutzoll, aus einem in viele Klein- und Kleinststaaten zerfallenes Land, dessen Norden teilweise von der Habsburgermonarchie besetzt war, ein Einheitsstaat mit Rom als Hauptstadt. Die biederen und lieblichen Einzel- und Familienporträts der ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts, mit Gemälden von Adeodato Malatesta, Giuseppe Molteni, Pietro Ayres und anderen, weichen zunehmend einer Porträtmalerei, die künstlerisch den gesellschaftlich-politischen Wandel rezepiert. Auf verschiedenen Ebenen. Der französische Impressionismus verdrängt die streng akademische Malerei der Schulen von Florenz und Rom, wie zum Beispiel im Fall des Malers Antonio Mancini. Sein Selbstporträt im Studio erinnert an französische Vorbilder. Frauen werden zunehmend als emanzipiert dargestellt. Tranquillo Cremonas Porträt einer Dame mit roter Feder, gekleidet in eine Art Räubergewand, ein Gemälde von 1867, und Filippo Carcanos Zigarre rauchende Signora von 1871 haben nichts mehr mit den Darstellungen sittsamer Hausmütterchen zu tun, wie sie zuvor Mode waren.
Maria Vittoria Marini Clarelli: "Das Porträtbild ab den 50er-Jahren des 19. Jahrhunderts sollte vor allem zwei divergierende Funktionen erfüllen: Die bestehenden Traditionen bewahren und die Freude am Neuen beschwören. Das wird vor allem im Einfluss der Fotografie auf die Porträtmalerei deutlich, da kommen die unterschiedlichsten Identitätsmomente zusammen."
So, wie die Fotografie durch den damals dominierenden Porträtstil in der Malerei beeinflusst wurde, so wirkten sich die neuen Möglichkeiten der Fotografie auf die bildende Kunst aus. Domenico Morettis Porträt des Malers Bernardo Celentano wirkt wie die chromatische Version eines Fotos, das auf einer Straße gemacht wurde. So, wie die ersten italienischen Fotografen ihre Sujets lebendiger als in der Malerei darstellten - nicht mehr nur vor einem bestimmten Hintergrund sitzend oder stehend - sondern mitten in einem Raum oder auf der Straße oder einem Platz, beim Gehen, Sprechen, Essen und Trinken, so gaben nun auch die Maler die von ihnen porträtierten Menschen in einem neuen Zusammenhang wieder. Die neue Lebendigkeit in der Porträtmalerei erreichte Ende des Jahrhunderts in den großflächigen und oftmals expressionistisch angehauchten Porträts italienischer Aristokraten, Bankiers und Lebedamen durch den damals in ganz Europa bekannten Gesellschaftsmaler Giovanni Boldini eine bis in das 20. Jahrhundert weisende Dimension.